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Stress, Hormone und Psychotherapie

Wer ist anfällig auf Stress, und was kann man dagegen tun – ist etwa eine Psychotherapie hilfreich bei starken körperlichen Stresssymptomen? Die Psychologieprofessorin Ulrike Ehlert von der Universität Zürich erforscht das Phänomen und bietet Trainings für Stressgeplagte an. Am 18./19. März ist sie an einer Tagung über die Wirksamkeit der Psychotherapie zu hören.
Interview: Thomas Gull und Roger Nickl

Psychologische Therapie verbessert nicht nur das psychische Wohlbefinden, sondern auch das körperliche, ist Prof. Ulrike Ehlert überzeugt.

Frau Prof. Ehlert, Sie untersuchen den Stress einerseits auf hormoneller Ebene, andererseits machen Sie Verhaltenstherapie. Wie greifen diese beiden Bereiche ineinander?

EHLERT: Mittlerweile wurde in unterschiedlichsten Studien nachgewiesen, dass kognitive Verhaltenstherapie wirksam ist. Mit traditionellen Methoden können wir uns nach der Therapie über die Befindlichkeit der Patienten erkundigen. Dann stellt man fest, dass sich die Befindlichkeit verbessert hat und die körperlichen Beschwerden nach Angabe des Patienten abgenommen haben. Das sind aber so genannte weiche Daten. Wenn man sie mit anderen Wissenschaftlern bespricht, wird man ein bisschen belächelt. Da heisst es dann etwa: «Gut, eure Patienten behaupten das, aber was hat sich denn nun wirklich geändert?» Ich habe selber lange in Krankenhäusern gearbeitet, und mir war klar: so wird die Psychologie nie richtig akzeptiert werden. Wir müssen nachweisen, dass die Entstehung solcher Störungen mit körperlichen Besonderheiten einhergeht. Und wir müssen nachweisen, dass psychologische Therapie nicht nur das psychische Wohlbefinden verbessert, sondern eine körperliche Normalisierung erreicht werden kann. Genau auf diesem Weg sind wir jetzt. Unsere Untersuchungen sollen nicht nur auf den subjektiven Einschätzungen der Patientinnen und Patienten, sondern auch auf harten Fakten basieren.

Gibt es eine Disposition, die anfälliger macht auf Stress?

EHLERT: Untersuchungen an mehr als 600 Neuseeländern haben beispielsweise gezeigt, dass eine bestimmte genetische Ausprägung des Serotonin-Transportgens dazu führen kann, dass diese Menschen in schwierigen Lebensphasen eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit haben, eine Depression zu entwickeln.

Wer seine Gefühle ausdrücken kann, ist besser gegen Stress gefeit: Stressforscherin Ulrike Ehlert.

Im Zusammenhang mit Stress ist auch vomso genannten Burn-out die Rede. Prominentes Beispiel ist der ehemalige Präsident der FDP Schweiz, Rolf Schweiger, der mit der Begründung zurücktrat, er sei ausgebrannt. Sie erforschen das Chronische Erschöpfungssyndrom (Chronic Fatigue Syndrome CFS). Handelt es sich beim Burn-out um eine Variante des CFS?

EHLERT: Der Burn-out geht der chronischen Erschöpfung voraus. Wir haben zwei Studien dazu gemacht. Petra Wirtz hat die Mitarbeiter eines Flugzeugherstellers untersucht und die Gruppe der Mitarbeiter mit hohem und jene mit geringem Burn-out verglichen. Das Stresssystem bei jener Gruppe mit hohem Burn-out war viel sensitiver. Die gleiche Untersuchung hat Jens Gaab bei CFS-Patienten durchgeführt. Dort zeigt sich eine Verstärkung dieser Auffälligkeit. Deshalb würde ich sagen: der Burnout kommt zuerst. Ein Teil der Personen mit einem Burn-out entwickelt dann unter Umständen Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder eine Depression und eine dritte Gruppe das CFS. Wenn früh genug die Bremse gezogen wird, lässt sich das unter Umständen auffangen, indem bestimmte Lebensziele und Arbeitsstrategien hinterfragt werden. Je länger jemand CFS hat, desto schwieriger wird es, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Je früher die Leute zu uns kommen, umso grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein ganzheitlicher Ansatz, zu dem Psychotherapie gehört, erfolgreich ist.

Wie kann man im Alltag dem Stress Paroli bieten?

EHLERT: Wir haben Untersuchungen mit Hochrisikogruppen für Stress und Traumatisierungdurchgeführt, beispielsweise mit Feuerwehrleuten. In Deutschland zeigt jeder fünfte Feuerwehrmann Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung. Wir fragten uns: Weshalb trifft es jeden fünften und wie verhält es sich mit dem Rest, der davon nicht betroffen ist? Aus der Studie mit den Feuerwehrleuten haben wir folgenden Schluss gezogen: Je grösser das Selbstvertrauen und der Glaube in die Wirksamkeit des eigenen Handelns, desto grösser ist die Stressresistenz. Wer seine Gefühle kennt und diese ausdrücken kann, ist besser gegen Stress geschützt. Nicht über Probleme zu reden und die Emotionen immer unter Kontrolle zu halten, tut nicht gut. Das ist das eine Rezept. Ein zweites wäre zu erkennen, dass es Grenzen des Machbaren gibt. Wenn man das akzeptiert, fällt einem vieles leichter. Das dritte Rezept wäre, bewusst auf gewisse Dinge zu verzichten. Das grossartige Schlagwort Work-Life-Balance verstehen viele Leute falsch. Manchen hilft es sicher, Sport zu treiben. Andere treiben Sport, weil sie glauben, es tue ihnen gut, aber eigentlich setzen sie sich damit nur dem nächsten Stress aus. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen: ich habe mich von meinen Mitarbeitern zweimal zur Teilnahme an der Sola-Stafette überreden lassen. Joggen ist für mich etwas ganz Schreckliches. Dazu stehe ich mittlerweile: Ich fahre gerne Ski, Snowboard oder Schlittschuh, aber Joggen kommt nicht mehr in Frage. Worauf ich hinaus will: Die selbstbewusste Entscheidung, einmal einen Nachmittag in den Liegestuhl zu liegen, tut gut.

Roger Nickl und Thomas Gull sind «unimagazin»-Redaktoren.