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Neuropsychologie

Die Faszination des Gehirns

Wie funktioniert das menschliche Gehirn? Wie die Gehirnforschung? Neuropsychologe Lutz Jäncke hielt anlässlich der BrainFair eine Vorlesung für Jugendliche und beantwortete deren Fragen - zum Beispiel zu Drogen.
Adrian Ritter

Lutz Jäncke, Professor für Neuropsychologie.

«Sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüsse Sie zu dieser Vorlesung, bei der ich Ihnen die Faszination des menschlichen Gehirns näher bringen möchte» begann Jäncke die rund einstündige Veranstaltung. Die im Auditorium Maximum der ETH sitzenden rund 50 Jugendlichen waren zwar weniger zahlreich erschienen als von den Organisatoren erhofft, aber sie waren motiviert und hatten auch ihre Fragen mitgebracht.

Die Uni in der Familie

Sven Kottlow (15) zum Beispiel ist aus dem Aargau angereist und hat für den Vortrag an der Schule frei erhalten: «Meine Schwester studiert Psychologie und hat mir von der BrainFair erzählt. Ich möchte auch wissen, wie das Gehirn funktioniert, zum Beispiel beim Computerspielen.» Auch andere der anwesenden Jugendlichen haben einen familiären Bezug zur Universität. Bei Gioia Zeller (14) ist es der Vater, der als Neurologe am Unispital gearbeitet hat. Sie wird demnächst am Gymi in einem Berufsporträt einen Neuropsychologen vorstellen.

Der Vater von Hannes Baumgartner (14) arbeitet ebenfalls an der Uni, Hannes selber möchte später vielleicht Architektur studieren. Er besucht den Vortrag, weil «das Gehirn spannend ist und ich mein Wissen darüber vergrössern will». Von der BrainFair hat er von seinem neben im sitzenden Schulkameraden gehört: Yannick Jäncke (13), der Sohn des Vortragenden. Er höre zuhause vom Vater immer spannende Fallbeispiele aus der Geschichte der Hirnforschung und wolle noch mehr darüber wissen.

Gehirn im Wandel

Er wird denn auch nicht enttäuscht, Lutz Jäncke bespricht zum Beispiel den Fall «Phineas Gage» ausführlich und eindrücklich. Es ist die Geschichte eines Vorarbeiters beim Eisenbahnbau in den USA des 19. Jahrhunderts. Eine Explosion wuchtete ihm eine Eisenstange quer durch den Kopf. Der Verwundete überlebte zwar, sein Verhalten veränderte sich aber drastisch: er wurde Alkoholiker und verwahrloste. «Dabei entdeckte man, dass bestimmte Hirnregionen für bestimmte Funktionen zuständig sind», so Jäncke.

Heute werde allerdings auch am gesunden Menschen geforscht, zum Beispiel mit bildgebenden Verfahren. Die Forschung wisse heute: «Nicht nur bei euch Jugendlichen, auch bei erwachsenen Menschen verändert sich das Gehirn noch.» Dies zeige sich etwa bei Personen, die eine bestimmte Tätigkeit wie Musik oder Sport intensiv trainieren: «Euer Lernen hat einen grossen Einfluss darauf, was mit eurem Gehirn passiert.»

Vom Labor zur Party

Beeinflusst werde das Gehirn aber auch durch die Einnahme bestimmter Substanzen. Da habe es zum Beispiel einen Wirkstoff gegeben, der den Weg aus dem Labor in die Partyszene gefunden habe. Im Labor habe er bei Affen Schizophrenie ausgelöst - und auch bei den Partygängern sei bei häufigem Konsum mit Veränderungen an den Nervenzellen zu rechnen: «Ihr habt den Namen dieses Stoffes wahrscheinlich auch schon gehört, es ist Ecstasy».

Für die Zukunft der Hirnforschung mahnte Jäncke zur Vorsicht: «Wird diese Zukunft rosig sein, wenn wir noch mehr wissen? Oder werden wir umso mehr Unsinn mit unserem Gehirn anstellen?» So sei es vielleicht in Zukunft möglich, Drogen herzustellen, die ganz gezielt bestimmte Gefühle hervorrufen, die man sich gerade wünscht: «Da würdet ihr ja nichts anders mehr wollen, das kann gefährlich werden.»

Gioia Zeller (14): «Erstaunlich, dass das Gehirn durch Drogen derart präzis beeinflusst wird.»

Machen mich Computerspiele gewalttätig?

Sucht war denn auch eines der Themen, zu denen anschliessend viele Fragen gestellt wurden. Kann ein drogengeschädigtes Gehirn wieder gesund werden, wenn man keine Drogen mehr nimmt? Jäncke: «Es kann auch Schäden geben, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.» Warum merken wir nicht, wenn wir süchtig werden? Jäncke: «Wir überschätzen unsere Logik. Wir werden vereinfacht ausgedrückt mehr von der Unvernunft als von der Vernunft gesteuert. Man braucht viel Energie, um sich gegen solche Kräfte von innen zu wehren.»

Wird man selber gewalttätig, wenn man gewalttätige Computerspiele benützt? Jäncke: «Das ist möglich, muss aber nicht sein. Aggressives Verhalten kann zwar tatsächlich erlernt werden, es kommt aber auch auf die Person an und darauf, wie oft man solche Spiele macht.» Warum faszinieren mich Videospiele überhaupt so sehr? Jäncke: «Beim Videospielen sind dieselben Hirnregionen aktiv, wie wenn ein anderes starkes Bedürfnis befriedigt wird, wenn wir also zum Beispiel bei starkem Hunger essen. Auch vom Gamen kann man süchtig werden.»

Motivierter Professor

Für Hannes, Gioia, Sven und Yannick hat sich der Besuch der Vorlesung gelohnt. «Es war spannend», sagt Hannes. Gioia staunte, dass das Gehirn durch Drogen derart präzis beeinflusst wird. «Viel Neues» hat auch Sven gehört. Dass es eine Gamesucht gebe, habe er nicht gewusst: «Besonders gefallen hat mir aber, dass der Professor so motiviert war beim Erzählen, so macht es Spass, zuzuhören.»

Adrian Ritter ist freischaffender Journalist.

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