Header

Suche
Paläontologie

Ein Dino mit Diagnose

Der Dinosaurier am Eingang des Naturhistorischen Museums der UZH hat eine medizinische Vorgeschichte: Forschende haben bei diesem rund 220 Millionen Jahre alten Plateosaurus eine schwere Knochenentzündung festgestellt – es ist der älteste bekannte Fall.
Barbara Simpson
Die heutige Ausstellung im Naturhistorischen Museum umfasst die lebensgrosse Rekonstruktion eines Plateosaurus im Vordergrund, eine teilweise Rekonstruktion seines Lebensraums und das ausgegrabene Skelett. (Bild: Stefanie Herter)

Während der späten Trias vor rund 220 Millionen Jahren streifte ein fast acht Meter langer Plateosaurus durch die Riesen-Schachtelhalme im heutigen Fricktal. Der Dinosaurier blieb im Schlamm stecken, was bei seinen Artgenossen eine häufige Todesursache war. Damals war die Gegend rund um Frick eine Salztonebene: eine grosse, flache Senke innerhalb eines halbtrockenen, überschwemmungsgefährdeten Beckens. Dadurch entstanden grosse Schlammfallen, in denen viele dieser Tiere ums Leben kamen. Die Chancen dieses Dinosauriers, dem schlammigen Morast zu entkommen, standen jedoch noch schlechter als üblich. Er litt an einer schweren Knochenentzündung, die seinen rechten Arm unbrauchbar machte.

Im Jahr 2018 wurde das fast vollständige Skelett dieses Dinosauriers im Fricktal entdeckt. Der Plateosaurus trossingensis lief vermutlich auf seinen Hinterbeinen und ist ein Vorläufer der langhalsigen und langschwänzigen Sauropoden wie dem berühmten Diplodocus. Er wurde ausgegraben und als prominentes Ausstellungsstück für das damals neue Naturhistorische Museum der Universität Zürich (UZH) präpariert, wo er Meggie das Megatherium ersetzte, eine beliebte, aber wissenschaftlich ungenaue Rekonstruktion eines urzeitlichen Riesenfaultiers.

Wie Dinoknochen ins CT passen

Forschende des Paläontologischen Instituts und des Naturhistorischen Museums der UZH sowie des Sauriermuseums Frick haben nun das Skelett beschrieben und die chronische Erkrankung untersucht, von der die rechte Schulter und der Oberarm betroffen waren. Um einen Blick ins Innere des Fossils zu werfen, verwendete das Team eine Computertomographie (CT).

Ein gewöhnlicher CT-Scanner kam für die Gliedmasse eines Dinosauriers nicht in Frage. Glücklicherweise standen an der Empa in Dübendorf eine Reihe von CT-Geräten zur Verfügung, die Proben mit einer Grösse von bis zu 70 x 200 cm und einem Gewicht von bis zu einer Tonne scannen können – perfekt für die Oberarm- und Schulterknochen des Dinosauriers. Das Team stellte fest, dass es sich bei der Krankheit wahrscheinlich um einen sehr schweren Fall von Osteomyelitis, einer Infektion des Knochengewebes, handelte.

«Osteomyelitis betrifft Menschen und viele lebende Tiere, darunter Säugetiere, aber auch Vögel und Reptilien», erklärt Jordan Bestwick, Postdoktorand am Paläontologischen Institut der UZH. «Diese Krankheit hat auch verschiedene Dinosauriergruppen befallen, darunter Sauropoden, sodass wir mehrere Exemplare für den Vergleich mit unserem Plateosaurus hatten. Die betroffenen Knochen in der Schulter und im Oberarm weisen ungewöhnlich raue innere und äussere Strukturen auf, sind deformiert und sogar miteinander verwachsen – Symptome, die weitgehend typisch für Osteomyelitis sind.»

  • Ursina Bachmann vom Sauriermuseum Frick gräbt einen Teil des mit Schutzplanen bedeckten Skeletts eines Plateosaurus aus. (Bild: Dennis Hansen)
    Ursina Bachmann vom Sauriermuseum Frick gräbt einen Teil des mit Schutzplanen bedeckten Skeletts eines Plateosaurus aus. (Bild: Dennis Hansen)
  • Ben Pabst vom Dinosauriermuseum Aathal und Ursina Bachmann bereiten den Beckenknochen des Plateosaurus für den Transport nach Zürich vor. (Foto: Dennis Hansen)
    Ben Pabst vom Dinosauriermuseum Aathal und Ursina Bachmann bereiten den Beckenknochen des Plateosaurus für den Transport nach Zürich vor. (Foto: Dennis Hansen)
  • Die Forschenden stellte einen schweren Fall von Osteomyelitis, einer Infektion des Knochengewebes, in den Schulter- und Oberarmknochen des Dinosauriers fest. (Bild: Sina Dupuis)
    Die Forschenden stellte einen schweren Fall von Osteomyelitis, einer Infektion des Knochengewebes, in den Schulter- und Oberarmknochen des Dinosauriers fest. (Bild: Sina Dupuis)
  • Der infizierte Oberarmknochen (Humerus) des Dinosauriers ist das älteste bekannte Exemplar mit Osteomyelitis. (Bild: Jordan Bestwick)
    Der infizierte Oberarmknochen (Humerus) des Dinosauriers ist das älteste bekannte Exemplar mit Osteomyelitis. (Bild: Jordan Bestwick)
  • Ben Pabst und Ursina Bachmann bauen das Skelett vom Plateosaurus Teoplati im Naturhistorischen Museum der Universität Zürich zusammen. (Bild: Dennis Hansen)
    Ben Pabst und Ursina Bachmann bauen das Skelett vom Plateosaurus Teoplati im Naturhistorischen Museum der Universität Zürich zusammen. (Bild: Dennis Hansen)
  • Die dänische Firma 10 Tons montiert ihre originalgetreue Nachbildung von Teoplati, dem Plateosaurus. (Bild: Dennis Hansen)
    Die dänische Firma 10 Tons montiert ihre originalgetreue Nachbildung von Teoplati, dem Plateosaurus. (Bild: Dennis Hansen)

Diese Entdeckung ist nicht nur deshalb faszinierend, weil es sich mit rund 220 Millionen Jahren um den bislang ältesten bekannten Fall von Osteomyelitis bei einem Dinosaurier handelt, sondern auch, weil die infizierte Fläche ungewöhnlich gross war. «Frühere Studien zu Osteomyelitis bei Dinosauriern berichten von lokal begrenzten Infektionsherden, beispielsweise an Zehenknochen oder einigen benachbarten Knochen der Wirbelsäule», erklärt Jordan Bestwick. «Eine Infektion der gesamten Schulter und des Oberarms ist sehr ungewöhnlich. Obwohl wir nicht wissen, was die Ursache der Entzündung war, litt das Tier wahrscheinlich einen Grossteil seines Lebens an dieser Krankheit, wodurch sein rechter Arm möglicherweise unbrauchbar wurde.»

Ehrenplatz im Naturhistorischen Museum

Das Exemplar, das inzwischen in einem öffentlichen Namenswettbewerb den Spitznamen Teoplati erhalten hat, begrüsst nun die zahlreichen Besucher:innen des Naturhistorischen Museums der UZH. An prominenter Stelle am Eingang des Museums liegt das Skelett in seiner ursprünglichen Pose, daneben eine lebensgrosse Rekonstruktion.

Dennis Hansen vom Naturhistorischen Museum, der die Ausstellung gestaltet hat, sagt: «Wir wollten eine Präsentation, die die tragische Geschichte dieses besonderen Tieres hervorhebt.» Die lebensgrosse Rekonstruktion steht aufrecht vor einem kleinen Landschaftsdiorama. Fussabdrücke im trocknenden Schlamm zeugen von den letzten Schritten des Dinosauriers, bevor er die rissige Oberfläche durchbrach und im Schlamm stecken blieb. «Zusammen mit den Spezialisten der dänischen Firma 10 Tons haben wir eine Rekonstruktion auf Basis des Skeletts erstellt, die auch die Erkrankung am rechten Arm und der rechten Schulter sichtbar macht», sagt Hansen. «Damit ist diese Darstellung eine der wenigen weltweit, in denen die Rekonstruktion eines einzelnen Dinosauriers auch seine Krankheit zeigt.» Eine angemessene Hommage an diesen legendären Riesen der Urzeit.