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Medizinstudium

«Die UZH übernimmt schweizweit eine Vorreiterrolle»

An der Universität Zürich sollen im Zuge des Projekts Med500+ deutlich mehr Studienplätze in Medizin geschaffen werden. Zugleich greift eine Reform des Medizinstudiums die rasanten Entwicklungen der modernen Medizin auf.
UZH Kommunikation
Nah an der Praxis: Medizinstudierende in einem Anatomiekurs an der UZH. (Bild: Sophie Stieger)

Ärztinnen und Ärzte setzen sich täglich für unsere Gesundheit ein, der Bedarf an medizinischen Fachkräften ist gross. Das Schweizer Gesundheitssystem ist heute von Ärztinnen und Ärzten abhängig, die im Ausland studiert haben. Studien prognostizieren ausserdem, dass bis 2040 rund 5'500 bis 8'700 Mediziner:innen in der Schweiz fehlen werden.

Künftig sollen daher im Kanton Zürich mehr Ärztinnen und Ärzte ausgebildet werden: Mit dem Projekt Med500+ soll die Zahl der Medizin-Studienplätze an der Universität Zürich (UZH) von heute 430 auf 700 pro Studienjahr erhöht werden. Damit würde die UZH von allen Universitäten in der Schweiz nicht nur am meisten Ärzt:innen ausbilden, sondern auch den Bedarf an eigenem Nachwuchs decken. Alle sechs Studienjahre zusammengenommen, würde die Zahl der Medizinstudierenden an der UZH von aktuell 2'600 auf rund 4'200 steigen.

Den Bedürfnissen der Zukunft gerecht werden

«Das Projekt Med500+ steht für eine moderne und zukunftsorientierte medizinische Ausbildung in der Schweiz», sagt UZH-Rektor Michael Schaepman​. «Wir erhöhen nicht nur die Zahl der Studienplätze, sondern entwickeln auch das Curriculum weiter, um zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden. Wir nehmen unsere gesellschaftliche Verantwortung bei der Sicherstellung einer exzellenten medizinischen Versorgung wahr und sind stolz darauf, ein Leuchtturm für höchste Qualität auf den verschiedenen Gebieten der medizinischen Ausbildung zu sein.»

Michael Schaepman

Das Projekt Med500+ steht für eine moderne und zukunftsorientierte medizinische Ausbildung in der Schweiz.

Michael Schaepman
Rektor der Universität Zürich

Der Zürcher Regierungsrat hat der ersten Phase des Umsetzungsplans von Med500+ zugestimmt und beantragt nun dem Kantonsrat, einen Objektkredit für den Projektaufbau zu bewilligen. Mehr dazu in der Medienmitteilung der Zürcher Bildungsdirektion

Wie die UZH die Kapazitätserhöhung im Medizinstudium möglich machen will, erklärt Beatrice Beck Schimmer, Direktorin Universitäre Medizin Zürich (UMZH), im Interview:

Wann könnten die zusätzlichen 270 Studierenden ihr Medizinstudium an der UZH beginnen?

Beatrice Beck Schimmer: Die zusätzlichen Studienplätze sollen im Herbstsemester 2030 bereit sein. Demzufolge werden 2036 die ersten der zusätzlich ausgebildeten angehenden Ärztinnen und Ärzte ins Berufsleben starten. Mit der Kapazitätsaufstockung trägt die UZH dazu bei, langfristig die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen und die Abhängigkeit von im Ausland ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten zu verringern. Aktuell beträgt deren Anteil an allen in der Schweiz tätigen Medizinerinnen und Medizinern rund 40 Prozent.

Wie bereitet sich die UZH auf den geplanten Ausbau vor?

Wir haben im Rahmen des Projekts Med500+ geprüft, wie der Kapazitätsausbau realisiert werden kann und welche Anpassungen beim Personal, bei der Infrastruktur und beim Curriculum nötig sind. Ein Ausbau auf 700 Studienplätze ist unter Einhaltung höchster Qualitätsstandards möglich und beinhaltet eine Curriculumsreform, mehr Lehrpersonal, zusätzliche klinische Ausbildungsplätze und eine moderne Infrastruktur. Bei der Weiterentwicklung des Medizinstudiums übernimmt die UZH damit schweizweit eine Vorreiterrolle und möchte als Modell für weitere Kantone dienen.

Ein Ausbau auf 700 Studienplätze ist unter Einhaltung höchster Qualitätsstandards möglich und beinhaltet eine Curriculumsreform, mehr Lehrpersonal, zusätzliche klinische Ausbildungsplätze und eine moderne Infrastruktur.

Beatrice Beck Schimmer
Direktorin Universitäre Medizin Zürich (UMZH)

Welche Veränderungen sind beim Curriculum geplant?

Das studierendenzentrierte und kompetenzbasierte Curriculum wird zum einen eine breite klinische Ausbildung beinhalten, wobei bereits während des Bachelorstudiums der Praxisbezug erhöht wird. Zum anderen soll eine bessere Schwerpunktsetzung und Profilbildung für die Studierenden möglich werden. Ein Fokus wird auf der hausärztlichen, psychiatrischen sowie pädiatrischen Ausbildung liegen. Mit Blick auf die Zukunft wollen wir zusätzlich einen Schwerpunkt auf Themen wie Künstliche Intelligenz, Medizinrecht, Gesundheitsökonomie und Interdisziplinarität legen. 

Sie haben die Praxisnähe angesprochen, die wichtig ist für die Ausbildung künftiger Ärztinnen und Ärzte. Wie lässt sich eine Aufstockung der Studienplätze mit mehr Praxis im Studium vereinbaren?

Indem wir beispielsweise ein vierwöchiges Praktikum während des Bachelorstudiums einführen und ein neues Lernzentrum mit Simulationsklinik aufbauen, wo Studierende realitätsnah klinische Situationen und Notfälle trainieren können. So könnten wir einen hohen Anteil an praktischem Unterricht beibehalten – auch bei steigenden Studierendenzahlen.

Eine gute Betreuung ist ein entscheidender Qualitätsfaktor für ein Medizinstudium. Verfügt die UZH über ausreichend Lehrpersonal, um das Projekt Med500+ zu realisieren?

Die UZH hat diesen Bedarf von Beginn an ins Projekt Med500+ eingerechnet. Geplant sind 10 neue Professuren und rund 140 zusätzliche Mitarbeitende in der Lehre, Betreuung sowie in der technischen und administrativen Unterstützung.

Haben die Spitäler genügend Ausbildungsplätze, an denen die vielen zusätzlichen Studierenden ihr Handwerk erlernen könnten?

Wir können uns hier auf das Netzwerk Universitäre Medizin Zürich (UMZH) stützen. Es ist ein starkes Bindeglied zwischen der Universität und den universitären Spitälern, also dem Universitätsspital Zürich, dem Universitäts-Kinderspital Zürich, der Universitätsklinik Balgrist und der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Auch die Zusammenarbeit mit den vier Partnerspitälern – Stadtspital Zürich, Kantonsspital Winterthur, Kantonsspital Baden und HOCH Health Ostschweiz Kantonsspital St. Gallen – sowie mit mehr als 30 Lehrspitälern ist wichtig. Praktikumsplätze sollen zudem nicht nur in Kliniken, sondern auch in Praxen angeboten werden.

Die geplante Erhöhung der Studienplätze ist ambitioniert. Wie sieht es zahlenmässig im europäischen Vergleich aus?

Der Studiengang Humanmedizin an der UZH gehört schon jetzt zu den grössten im deutschsprachigen Raum. Europäische und angelsächsische Studiengänge haben meist 100 bis 400 Plätze. Die Standorte Berlin, München und Wien bieten je rund 700 Plätze. Wir haben uns im Rahmen von Med500+ mit den dortigen Hochschulen ausgetauscht. Ihre Erfahrungen zeigen, dass qualitativ hervorragende Studiengänge bis zu dieser Grösse möglich sind, sofern ausreichend Mittel für Personal und Infrastruktur bereitstehen, und das Curriculum entsprechend ausgerichtet ist.

Was bedeutet die Erhöhung für all jene, die derzeit an der Medizinischen Fakultät der UZH studieren und lehren?

Die Stakeholder der Medizinischen Fakultät werden in den Planungsprozess miteinbezogen. Für die Studierenden gilt: Wer noch nach dem alten Lehrplan angefangen hat, wird das ganze Studium so absolvieren und abschliessen. 2030 startet die erste Studierenden-Kohorte mit dem neuen Studiengang.

Mehr Studierende brauchen mehr Platz. Wie geht die UZH hier vor?

Langfristig ist geplant, das Medizinstudium am Campus Irchel zu konzentrieren. Aus Kapazitätsgründen können die benötigten Flächen zunächst nicht dort bereitgestellt werden. Aus diesem Grund wird das neue Lernzentrum vorübergehend an einem temporären Standort angesiedelt. Dazu prüfen wir aktuell drei mögliche Standorte.

Was sind die Anforderungen an den temporären wie den permanenten Standort?

Standort-unabhängig gilt: Infrastruktur und Ausrüstung müssen exzellent sein. Eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis soll sichergestellt werden. Zudem braucht es hervorragende Bedingungen für die Interaktion von Studierenden und Dozierenden. Dies alles sichert eine qualitativ hochwertige Ausbildung.