Eine gemeinsame Zukunft für Israelis und Palästinenser
Wie spricht man miteinander, wenn das gegenseitige Verhältnis von Angst, Gewalt und gegenseitigem Misstrauen geprägt ist? In der Veranstaltung «Prospects for Peace and Justice» lud Rechtsprofessor Matthias Mahlmann Amal Jamal und Samer Sinijlawi zu einem Dialog über die israelisch-palästinensische Situation an die UZH ein.
Es sei notwendig, gemeinsam Ideen für die Zukunft zu formulieren, um daraus politische Aktionen abzuleiten, die Gegenwart zu verstehen und die Hoffnung nicht zu verlieren, sagte Mahlmann zu Beginn der Veranstaltung. Amal Jamal ist Professor für Politikwissenschaften an der Tel Aviv Universität und Israeli, Samer Sinijlawi ist politischer Aktivist und Schriftsteller in Ost-Jerusalem und Palästinenser. Beide seien als Individuen und nicht als Repräsentanten ihrer Regierungen oder Völker eingeladen, betonte Mahlmann.
Kommunikation und Verhandlungen
Der Dialog zeigte bald, dass beide gemeinsame Botschaften mitbrachten, wenn auch mit zum Teil unterschiedlicher Gewichtung. Amal Jamal betonte die Notwendigkeit der Kommunikation und der Verhandlungen. Die andere Seite auszublenden, führe nicht zu nachhaltigen Lösungen, sondern zu Ereignissen wie jenen am 7. Oktober. Jamal plädierte für gegenseitige Anerkennung und Rechte für Palästinenser und Israelis unter dem Prinzip der Koexistenz.
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Es gibt 7 Millionen Juden und 7 Millionen Palästinenser in der Region. Niemand von ihnen hat ein anderes Zuhause.
Eine grosse Herausforderung sieht Jamal in der gegenseitigen Angst. Hier stünden beide Seiten in der Verantwortung: Es liege an den Palästinensern, den Israelis wieder das Gefühl der Sicherheit zu geben, nicht an Qatar und anderen Staaten. Die Israelis ihrerseits müssten lernen, dass Sicherheit nicht alleine mit militärischer Macht erzeugt werden könne. Sie müssten von einem Volk der Geflüchteten zu einem Volk von Gastgebern von Geflüchteten werden.
Unterscheiden zwischen Menschen und Regierungen
Samer Sinijlawi wiederum setzt seine Hoffnungen in das Gemeinsame der beiden Völker. In seiner Kindheit in Jerusalem habe er die Menschen als Gemeinschaft erlebt, unabhängig von ihrer Herkunft und Religion. Erst mit 14 Jahren wurde ihm bewusst, dass es ein «wir und sie» gibt – es war die Zeit der Intifada. Nachdem er als Jugendlicher inhaftiert und zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, habe er im Gefängnis dank seiner israelischen Wärter die andere Seite kennengelernt. Insbesondere habe er gelernt, dass es einen Unterschied gebe zwischen den Menschen in Israel und der israelischen Regierung.
Dasselbe gelte auch für Palästina: auch dort repräsentiere die Regierung nicht mehr das Volk. Deshalb brauche es an beiden Orten einen Wandel. In Israel liegen seine Hoffnungen auf dem politischen Prozess: Gemeinsam könnten jüdische und palästinensische Israelis bei den nächsten Wahlen einen Umschwung herbeiführen. Aber auch die Palästinenser verdienten Demokratie, Reformen und Unterstützung im Kampf gegen Korruption.
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In Israel ist der Frieden nur eine Wahl entfernt.
Sinjilawi war mit Jamal einig, wie wichtig es sei, die beiden widersprüchliche Narrative zu verstehen und das Potenzial des Dialogs zur Überbrückung von Gräben zu erkennen. Er sieht aber wie Jamal die Schwierigkeit, den durch Gewalt auf beiden Seiten geschürten tiefsitzenden Hass zu überwinden.
Angesprochen auf die Hilfe von anderen Staaten waren sich beide einig: es brauche die Hilfe, insbesondere von den arabischen Staaten. Aber auch der Westen könne und müsse helfen, nicht nur mit Geld, sondern auch indem er den Dialog fördere. Denn «nicht nur die Häuser sind beschädigt, sondern auch die Herzen» wie Sinijlawi sagte.
Unterstützung für den Transformationsprozess
Echte Veränderungen würden durch Hoffnung, nicht durch Rache erreicht. Diese Haltung vertraten sowohl Jamal wie auch Sinijlawi. Es brauche auf beiden Seiten Basisinitiativen, um den Palästinensern eine Stimme zu geben und den Dialog mit der israelischen Gesellschaft zu fördern. Sie forderten am Ende der Veranstaltung die Teilnehmenden auf darüber nachzudenken, welche Rolle sie bei der Unterstützung dieses Transformationsprozesses einnehmen wollten.
Mahlmann zeigte sich nach der Veranstaltung erfreut und erleichtert, dass die Diskussion friedlich durchgeführt werden konnte. «Solche offenen und kontroversen Diskussionen zu schwierigen Themen sind wichtig, um die eigenen Annahmen auf die Probe zu stellen. Sie sind ein Gegengift gegen ideologische Schliessungen des eigenen Denkraums und eine Schule vorurteilslosen kritischen Denkens».