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Einsteins Relativitätstheorie auf dem Prüfstand

Mit einem Set von extrem genauen Atomuhren im Weltraum wollen theoretische Physiker wie Philippe Jetzer die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein prüfen. Das ESA-Experiment ACES wurde vergangene Woche ins All geschossen und soll bald Daten liefern.
Theo von Däniken
Künstlerische Darstellung eines Teils der Internationals Raumstaiton ISS im Weltraum. Am äusseren Ende eines zylindrischen Moduls der ISS ist ein quaderförmiger Kasten angebracht. Im Hintergrund ist leicht gekrümmt die Erdoberfläche zu sehen.
ACES ist am äusseren Ende des Columbus-Moduls der ISS angebracht. (Illustration: ESA, D. Ducros)

Die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein sagt voraus, dass die Zeit nicht überall gleich schnell verstreicht. Sie ist vielmehr abhängig von der Schwerkraft: An Orten mit einer höheren Schwerkraft vergeht die Zeit langsamer als an Orten mit einer geringeren Schwerkraft.

Auf der Erde bedeutet dies, dass die Zeit auf Bergspitzen schneller verstreicht als auf Meereshöhe. Der Effekt ist verschwindend klein, doch er kann mit extrem präzisen Uhren auf der Erde nachgewiesen werden. Um ihn zu messen, reicht bereits ein Höhenunterschied von wenigen Zentimetern, wie UZH-Physikprofessor Philippe Jetzer erklärt. Das Phänomen könnte auf der Erde unter anderem genützt werden, um Vulkanausbrüche vorherzusagen oder bei einer noch höheren Genauigkeit eventuell sogar Erdbeben.

Bisher ist allerdings noch nicht nachgewiesen, dass die Unterschiede in der Geschwindigkeit der Zeit genau dem entsprechen, was in der Relativitätstheorie beschrieben ist. «Wir wissen nicht, ob es eine Abweichung gibt zwischen den Messungen und dem, was die Theorie voraussagt», so Jetzer.

Präzisestes Zeitsignal

ACES (Atomic Clock Ensemble in Space), ein Projekt der European Space Agency ESA, soll Licht in diese offene Frage bringen. Es besteht aus einem Ensemble von einer Caesium-Atomuhr und einem von der Schweizer Firma Safran Time Technologies entwickelten und gebauten Wasserstoff-Maser, einer Art Laser, der statt Licht Mikrowellen aussendet.

Die beiden basieren auf unterschiedlichen Methoden, die Zeit aufgrund von atomaren Schwingungen exakt zu messen. «Der Maser liefert die Stabilität und die Casesium-Atomuhr die Präzision», erklärt Jetzer. Gemeinsam ergeben sie das präziseste Zeitsignal, das je im Weltraum erzeugt wurde. Es ist so genau, dass es über einem Zeitraum von 300 Millionen Jahren maximal eine Sekunde abweicht.

Erfolgreicher Start

Am Ostermontag wurde ACES mit einer Falcon 9 Trägerrakete vom Kennedy Space Center der NASA zur Internationalen Weltraumstation ISS gebracht und am vergangenen Freitag mit einem Roboterarm an der Aussenseite der ISS angebracht. Nach einer mehrmonatigen Phase der Inbetriebnahme und Kalibrierung soll ACES über einen Zeitraum vom 30 Monaten ein Zeitsignal an ein Netzwerk von Atomuhren an verschiedenen Standorten auf der Erde senden. Die Zeitsignale auf der Erde und aus dem All können so miteinander verglichen werden.

Philippe Jetzer

Falls ACES Abweichung von den Voraussagen in der Relativitätstheorie misst, wäre das eine Sensation.

Philippe Jetzer
Professor für Theoretische Physik, UZH

Jetzer beschäftigt sich bereits seit mehr als zehn Jahren mit der Idee, Atomuhren ins All zu bringen, um die Allgemeine Relativitätstheorie zu überprüfen. Das erste ESA-Projekt an dem er beteiligt war, die STE-QUEST Mission, war damals jedoch technisch zu anspruchsvoll. Mit ACES wird nun doch noch ein Set von hochpräzisen Atomuhren ins Weltall gebracht, wenn auch in einer etwas abgeänderten und vereinfachten Form.

Klärung fundamentaler Fragen

Als Leiter des ACES Topical Teams für Allgemeine Relativitätstheorie der ESA ist Jetzer für die theoretischen Grundlagen des Projekts mitverantwortlich und erwartet die Ergebnisse der Messung mit Spannung. Er rechnet nicht damit, dass sie eine Abweichung von den Voraussagen in der Relativitätstheorie zeigen werden. «Falls doch, so wäre das eine Sensation», erklärt er. Denn auch wenn mögliche Abweichungen in einem unendlich kleinen Bereich liegen würden: Für die Theorie machen sie einen riesigen Unterschied. «Sie würden bedeuten, dass eines der Fundamente der Relativitätstheorie nicht vollständig korrekt ist.»

In diesem Fall müsste eine alternative Theorie diese Abweichung erklären. Ein Fenster für neue fundamentale Erklärungen in der Physik würde geöffnet. «Eine Alternative zur Relativitätstheorie ist jedoch bislang nicht in Sicht», so Jetzer. Denn sie müsste alle Teile der Allgemeinen Relativitätstheorie berücksichtigen, die bisher experimentell bestätigt wurden. «Überlegungen dazu sind deshalb heute grösstenteils Spekulation».

Zusammen mit dem Topical Team von ACES will Jetzer jedoch in den kommenden Jahren alternative Theorien erkunden. Eine Möglichkeit wäre, dass man Abweichungen durch Quanteneffekte erklären könnte. «Das wäre eine erste Annäherung der beiden grossen fundamentalen Theorien der modernen Physik, die bisher noch nicht miteinander in Einklang zu bringen sind», sagt Jetzer.