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Ehrung für Hedwig Frey

Anatomin aus Berufung

Am Sechseläuten ehrte die Gesellschaft zu Fraumünster Hedwig Frey – die erste Titularprofessorin für Anatomie an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich. Frey gilt als akademische Pionierin, deren Karriere den Weg für spätere Generationen von Medizinerinnen ebnete.
Marita Fuchs
Andrea Spörri-Altherr, Caroline Maake und Claudia Hollenstein (v.l.n.r.)
Würdigte eine akademische Pionierin: Caroline Maake vom Anatomischen Institut der UZH, eingerahmt von Andrea Spörri-Altherr (l.) und Claudia Hollenstein von der Gesellschaft zu Fraumünster. (Bild: zVg)

Das Zürcher Sechseläuten ist auch ein Moment der Erinnerung und Würdigung. In diesem Jahr ehrte die Gesellschaft zu Fraumünster im Rahmen einer Feierstunde im Fraumünster Hedwig Frey, die erste Titularprofessorin für Anatomie an der Universität Zürich. Für die Gesellschaft zu Fraumünster sprachen Stephanie Oesch und Andrea Spörri-Altherr. Die Universität Zürich war mit zwei Rednerinnen vertreten: Professorin Caroline Maake, vom Anatomischen Institut, beleuchtete Freys Weg aus fachlicher Perspektive, während Dr. Karin Gilland Lutz, Leiterin der Abteilung Equality, Diversity, Inclusion, die Brücke zur heutigen Situation schlug.

Prof. Hedwig Frey
Prof. Hedwig Frey in einer undatierten Aufnahme. (Bild: zVg)

Hedwig Frey, 1877 in Zürich geboren, musste sich ihren Weg in die aka­de­mische Welt er­kämpfen. Die Tochter eines Kauf­manns wollte ursprüng­lich Medizin studieren, was ihr – wie vielen schwei­zerischen Frauen – aber wegen fehlender Latein­kenntnisse verwehrt war. Sie absolvierte deshalb das Lehrer­seminar, was ihr den Weg in ein Studium der Anthro­po­lo­gie er­mög­lichte. Nachdem sie 1912 in Anthro­po­lo­gie mit einer vergleichend-morphologischen Arbeit promoviert hatte, gelang ihr aber der be­rufli­che Quer­einstieg in ein vor­klinisches Fach der Medizin, nämlich die Anatomie.

Freys folgende akademische Karriere war aussergewöhnlich für Frauen ihrer Zeit. Nach ihrer Promotion wurde sie Assistentin am Anatomischen Institut, nur zwei Jahre später Prosektorin – die damals zweithöchste Position in der Anatomie. Damit war sie «die erste Frau an der medizinischen Fakultät der Universität Zürich, die Vorlesungen gehalten hat», so Maake. Ihre Ernennung verdankte sie jedoch nicht gezielter Frauen­förderung, sondern dem Ersten Weltkrieg – ihr Vorgänger war eingezogen worden und Lehrpersonal wurde dringend gebraucht. Als dieser zurückkehrte, wurde Frey wieder zurückgestuft.

Ihrer Zeit voraus

Trotzdem blieb sie sichtbar: Sie hielt weiterhin Vorlesungen und bekam dafür mehrfach bezahlte Lehraufträge – «damals eine sehr grosse Ausnahme – auch für Männer». 1918 habilitierte sie sich in Anatomie. Frey war damit «die erste habilitierte Frau in der Medizinischen Fakultät – und überhaupt erst die fünfte an der Universität Zürich seit deren Gründung», erzählte Maake. 1924 wurde ihr als zweite Frau an der Universität Zürich der Titel eines Titularprofessors verliehen – was aber keinen Karriereschritt bedeutete, sondern eher ein symbolisches Zeichen der Anerkennung ihrer Lehr- und Forschungstätigkeiten war.

Die formalen Hürden aber blieben: Als sie sich 1930 um die Leitung des Instituts bewarb, wurde ihre Kandidatur abgelehnt, u.a. mit dem Hinweis, sie habe in der falschen Fakultät studiert und promoviert. Vermutlich lag der Grund auch in ihrer Geschlechterrolle: «Ich denke, dass damals aber auch Ressentiments gegen Frauen in solch hohen Leitungspositionen eine Rolle gespielt haben», sagte Maake.

Als Dozentin war sie menschlich und zugewandt. Freys Engagement ging aber über die Lehre hinaus. Sie war Mitbegründerin der «Freien Vereinigung der Anatomen» und setzte sich aktiv für Studentinnen ein – etwa durch die Auswahl von Stipendiatinnen im Verband der Akademikerinnen. Auch das war Pionierarbeit – nicht immer sichtbar, aber wirkungsvoll. 

1938 starb Hedwig Frey unerwartet. Erst die Autopsie offenbarte einen Hirntumor. Dass sie ihrer Zeit weit voraus war, steht ausser Frage. «Sie war eine kluge, vorausschauende Frau», resümierte Maake, «aber sie hätte vermutlich nie gedacht, dass die Berufung der ersten Frau auf eine «echte» Professur in der Anatomie – von Brigitte Kaissling – erst zum Wintersemester 1989/90 erfolgen würde.»

Einsatz für gerechte Berufungsverfahren

Karin Gilland Lutz mit dem Fähnrich der Gesellschaft zu Fraumünster
Mahnte, die Gleichstellung sei noch nicht vollendet: Karin Gilland Lutz, Leiterin der Abteilung Equality, Diversity, Inclusion – hier mit dem Fähnrich der Gesellschaft zu Fraumünster. (Bild: zVg)

Karin Gilland Lutz schlug in ihrer Rede die Brücke zur Gegenwart. Die Ära der Pionierinnen sei grundsätzlich vorbei, sagte sie, «doch die Gleichstellung ist noch nicht vollendet.» Während Frauen heute unter Studierenden, Doktorierenden und in Assistenzprofessuren gut vertreten seien, bleibe der Anteil bei den statushöheren Professuren niedrig. Auch die Titularprofessur, die einst Hedwig Frey erhielt, sei bis heute eine laufbahnmässig schwierige Position ohne Anspruch auf Anstellung.

Die Universität habe jedoch viel unternommen, um Berufungsverfahren gerechter zu gestalten – für mehr Vielfalt, mehr Perspektiven und mehr Exzellenz in Forschung und Lehre. So habe sie zum Beispiel Massnahmen ergriffen, um die Partizipation von Frauen in der Medizin in allen Bereichen zu erhöhen. Und sie tue das im Bewusstsein, «dass wir ohne Pionierinnen wie Hedwig Frey heute nicht an diesem Punkt wären.»