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Welche Massnahmen ergreift die UZH aktuell im Bereich Inklusion und Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung oder chronischer Krankheit? Wo bestehen noch Barrieren und wie können diese wirksam abgebaut werden? Und welchen Stellenwert hat das Thema Inklusion an der UZH? Diese und weitere Fragen waren Gegenstand einer lebhaften und gut besuchten Podiumsveranstaltung, die am vergangenen Freitag an der UZH stattfand.
Der Veranstaltung war eine Diskussion darüber vorausgegangen, wie stark sich die Universitätsleitung für die Anliegen und Rechte von Studierenden mit einer Beeinträchtigung einsetzt. Studierende und Behindertenverbände hatten Zweifel an der Dialogbereitschaft der Universitätsleitung geäussert. Entsprechend reagierten einige Anwesende in der Aula auf das Grusswort des Rektors, indem sie sich abwandten und damit ihren Unmut zum Ausdruck brachten. Rektor Michael Schaepman bat alle Beteiligten, die an der UZH sehr gut etablierten Mitspracheregeln zu nutzen und bekräftigte sein persönliches Engagement für Barrierefreiheit und Inklusion: «Wir müssen zeigen, dass die UZH auch in der Lage ist, Massnahmen pragmatisch und zielführend umzusetzen.»
Schaepman räumte ein, dass die UZH bisher nicht genügend konsequent auf die Bedürfnisse und Rechte der Betroffenen eingegangen sei, was die Frustration der Betroffenen für ihn verständlich und nachvollziehbar mache. Gleichzeitig wies er auf das strategische Projekt «UZH Accessible» hin und betonte, dass sich die UZH entschieden dafür einsetze, eine inklusive und barrierefreie Lernumgebung zu schaffen, in der alle Studierenden die gleichen Chancen erhielten. Im Rahmen von «UZH Accessible» werden seit Januar 2024 bestehende Barrieren – zuerst im Bereich Bau und Infrastruktur, dann in den Bereichen Technologie und Lehrmittel sowie Organisation und Kultur – identifiziert und abgebaut.
Über diese drei Gebiete diskutierten auf dem Podium Luana Schena, Mitglied des Verbandsvorstandes des Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (SBV-FSA) und Mitglied der Kommission Studium und Behinderung, Laura Galli, VSUZH-Mitglied der Kommission Studium und Behinderung, Gabriele Siegert, Vize-Rektorin und Prorektorin Lehre und Studium, und Benjamin Börner, Leiter der Fachstelle Studium und Behinderung. Moderiert wurde die Veranstaltung von Marina Villa.
Studierende sind in den Räumen der UZH mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen konfrontiert. Gabriele Siegert wies darauf hin, dass die Situation an der UZH in Bezug auf Barrierefreiheit in Gebäuden besonders herausfordernd sei. Trotz Denkmalschutz versuche die UZH nun, erste Massnahmen rasch anzugehen, denn auch bei den Neubauten gebe es noch einiges zu tun. So habe sich in einer Mensa herausgestellt, dass die Lichtinstallation irritierend für Menschen mit einer Sehbehinderung sei, was man vor der Installation nicht bedacht habe.
Um Abhilfe zu schaffen, würden jetzt in 74 Gebäuden der UZH Analysen durchgeführt, um die Gebäude auf Barrieren für Menschen mit Beeinträchtigungen – seien diese motorisch, sensorisch oder neurodivers – zu prüfen. Danach könnten einige Verbesserungen schnell umgesetzt werden, sagte Gabriele Siegert. Auf dem Podium und im Publikum war man sich einig: Es sei eine gute Idee, Betroffene frühzeitig in die Planung von Infrastrukturprojekten einzubeziehen, damit nicht im Nachhinein nachgebessert werden müsse. Wichtig sei vor allem, die Vielfalt der unterschiedlichen Beeinträchtigungen zu berücksichtigen und gleichzeitig auch die Bedürfnisse aller Studierenden im Blick zu haben.
Für Studierende mit Beeinträchtigungen sind digitale Hilfsmittel in der Regel eine Erleichterung. Doch digitale Barrierefreiheit gibt es an der UZH noch nicht, stellten Luana Schena und Laura Galli fest. Luana Schena ist sehbehindert und beklagte, dass Vorlesungsfolien auf der UZH-Online-Plattform OLAT oftmals als nur PDF-Dateien zugänglich seien, die von Text-to-Voice-Programmen nicht als Text erfasst werden könnten, zum Teil auch mit Abbildungen, die nicht schriftlich erläutert würden. Hinzu käme, dass die Unterlagen häufig für sie zu kurzfristig vor der jeweiligen Veranstaltung hochgeladen würden. Deshalb seien Podcasts sehr wichtig, man könne vor- und zurückspulen und habe so die Möglichkeit, den Stoff vollständig zu verstehen. Auch Laura Galli betonte, wie wichtig beispielsweise Untertitel für Studierende mit Hör- oder Sehbehinderung seien, zudem müssten alle Lehrmaterialien mit Sprachausgabegeräten kompatibel sein. Diese Hürden würden derzeit von den Dozierenden nur teilweise mitgedacht.
Die Schwächen von OLAT in Bezug auf Barrierefreiheit würden noch in diesem Jahr unter die Lupe genommen, sagte Benjamin Börner. Allerdings müssten die Dozierenden die Kompetenz und den Willen mitbringen, ihre Lehrmaterialien entsprechend aufzubereiten. Für die etwa 7000 Dozierenden der UZH bedeute dies auf jeden Fall Mehraufwand, erklärte Gabriele Siegert. Die UZH arbeite aber an Massnahmen, diese Umstellung so einfach wie möglich zu machen, etwa mit Checklisten, die dabei helfen sollen. Die Universitätsleitung sei bestrebt, digitale Lehrformate zu fördern, müsse aber zugleich die Persönlichkeitsrechte der Dozierenden und das Selbstverständnis der UZH als Präsenzuniversität wahren, so die Prorektorin. Auf dem Podium und im Publikum war man sich einig, dass zumindest für Pflichtveranstaltungen barrierefreie Materialien zur Verfügung gestellt werden sollten.
Im dritten Teil der Veranstaltung ging es um die Frage, wie administrative Prozesse vereinfacht werden können. Ein Thema war der Nachteilsausgleich: Studierende mit einer ärztlich diagnostizierten Beeinträchtigung haben einen gesetzlichen Anspruch auf Ausgleichsmassnahmen, um ihre Beeinträchtigung zu kompensieren. Luana Schena und Laura Galli beklagten jedoch, dass das Gesuchsverfahren für den Nachteilsausgleich an der UZH zu aufwendig und bürokratisch sei und von Fakultät zu Fakultät unterschiedlich ablaufe. Sie sei blind, sagte Luana Schena, müsse aber trotzdem den Antrag auf den Nachteilsausgleich jedes Semester von neuem stellen. Siegert betonte, dass die UZH diese Verfahren aktuell überarbeite mit dem Ziel, sie zu vereinfachen. Zudem seien dieses Jahr die Personalmittel für den Nachteilsausgleich deutlich aufgestockt worden. Wortmeldungen aus dem Publikum gingen in dieselbe Richtung: Die UZH müsse ein inklusives Mindset fördern, dies sei eine Führungsaufgabe, das Wichtigste sei nun ein Kulturwandel.
Am Schluss waren sich alle einig: Vor allem bei der Sensibilisierung für die Anliegen und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung gibt es noch viel zu tun. Zwar sind mit «UZH Accessible» vielversprechende Massnahmen bereits aufgegleist, doch gilt es nun, allfällige Verbesserungen konsequent umzusetzen und laufend über die Fortschritte zu informieren. Dass auch weiterhin Gesprächsbedarf besteht, zeigten die angeregten Diskussionen mit den Vertreter:innen der Universitätsleitung und den Studierenden im Anschluss an die Veranstaltung – die wiederum so lange dauerten, wie die Podiumsdiskussion selbst.
Aufzeichnung der Podiumsdiskussion vom 15. März 2024.