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Sexual Harassment Awareness Day

«Wir wollen zur Sensibilisierung beitragen»

Die Anzahl Meldungen über sexuelle Belästigungen haben im vergangenen Jahr zugenommen, wie die Statistik der UZH-Anlaufstelle für Schutz vor sexueller Belästigung zeigt. Woran das liegt und was die UZH gegen sexuelle Belästigungen und Übergriffe unternimmt, erklärt Rechtsprofessorin Brigitte Tag im Interview.
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Sexuelle Belästigung wird an der Universität Zürich nicht toleriert. Der UZH ist es ein Anliegen, dass alle ihre Angehörigen in einem sicheren und respektvollen Umfeld studieren und arbeiten können.

Morgen ist der nationale Tag gegen sexuelle Belästigung, den die Schweizer Hochschulen gemeinsam mit einer Präventionskampagne begehen. Die Universität Zürich hat sich im Vorfeld dazu entschieden, die Zahlen der Fälle von sexueller Belästigung und sexistischen Verhaltensweisen zu publizieren, die von der universitären Kommission RSB in den Jahren 2014 bis 2023 bearbeitet wurden. Die UZH will so zur Sensibilisierung beitragen. Wie der Anstieg von 5 Fällen im Jahr 2015 auf 17 Fälle im Jahr 2019 und auf 43 Fälle im letzten Jahr zu verstehen ist, erläutert Rechtsprofessorin Brigitte Tag im Interview.

Frau Tag, die jährlichen Fallzahlen zeigen klar, dass die Anzahl Meldungen von sexuellen Belästigungen an der UZH stark zugenommen hat, besonders in den beiden letzten Jahren mit 31, respektive 43 Fällen. Ist dieser Anstieg mit der steigenden Sensibilisierung zu erklären oder gibt es tatsächlich mehr Fälle an der UZH?

Brigitte Tag: Es ist möglich, dass sich die tatsächliche Anzahl ereigneter Fälle in den letzten Jahren erhöhte. Gleichzeitig ist festzustellen, dass durch die fortschreitende Sensi­bilisierung mehr betroffene Personen sexuell belästigendes und sexistisches Verhalten erkennen und Unterstützung suchen. Die Universität Zürich hat sich seit 2021 am nationalen Tag zum Schutz vor sexueller Belästigung an Hochschulen beteiligt und hat in den letzten Jahren auch die Anzahl an Sensibilisierungs- und Informationsveranstaltungen erhöht. Zudem hat die #MeToo-Debatte auf Gesellschaftsebene einen wesentlichen Beitrag zur weiteren Sensibilisierung geleistet. Die in den Jahresberichten abgebildete Statistik beinhaltet darüber hinaus sämtliche Fälle, mit denen unsere Kommission im Berichtsjahr befasst wurde. Erfasst werden auch Erstberatungen von Universitätsangehörigen, bei denen sich im Rahmen der Abklärungen zeigte, dass sie im privaten Umfeld belästigt wurden. In solchen Fällen werden in der Regel keine weiteren universitätsinternen Massnahmen ergriffen, dennoch werden die betroffenen Personen zum weiteren möglichen Vorgehen beraten etc.

Hat jeder Fall, der in der Statistik aufgeführt wird, rechtliche Konsequenzen?

Nicht alle Fälle führen zu universitätsinternen Massnahmen. Die publizierten Fallzahlen beinhalten beispielsweise auch Fälle, bei denen es sich gezeigt hat, dass sie keinen universitären Bezug aufweisen, in denen die betroffenen Personen aber dennoch darin unterstützt wurden, beispielsweise die richtige externe Anlaufstelle zu finden. Im Hinblick auf allfällige rechtliche Konsequenzen kommt es zudem darauf an, ob die betroffene Person ein Tätigwerden überhaupt wünscht. So wird zum Teil immer wieder nur eine Beratung gewünscht, ein weiteres Tätigwerden aber abgelehnt. Dies ist zu respektieren. Andere Fälle lassen sich auch im Rahmen des Abklärungsverfahrens mit den beteiligten Personen lösen, womit sich weitere rechtliche Konsequenzen erübrigen.

Wie ist generell der Ablauf, wenn es zu einer solchen Anfrage, einer solchen Meldung kommt?

Fälle von sexuellen Belästigungen können den Ansprechpersonen oder direkt der untersuchenden Person gemeldet werden. Im Rahmen eines ersten Gesprächs können die betroffenen Personen von dem Geschehenen berichten und werden hinsichtlich des möglichen weiteren Vorgehens beraten und unterstützt. Konkrete Massnahmen gegen die belästigende Person, wie Abmahnungen, Verhaltensauflagen etc. können nach einem vorgängigen Abklärungsverfahren durch die untersuchende Person in Zusammenarbeit mit den jeweiligen universitären Stellen, etwa dem Rechtsdienst, getroffen werden. Für weitergehende Massnahmen, wie beispielsweise eine Exmatrikulation, ist die Universitätsleitung zuständig.

Die UZH informiert am Nationalen Tag gegen sexuelle Belästigung an Hochschulen über verschiedenste Kommunikations­kanäle die UZH-Angehörigen, was sexuelle Belästigung resp. sexistisches Verhalten ist und wo Hilfe gefunden wird.

Die Fallzahlen wurden bislang nicht öffentlich gemacht. Wieso hat die UZH die Jahresberichte der Kommission RSB bisher nie publiziert?

Brigitte Tag: Die Jahresberichte an sich sind – wie auch in § 16 Abs. 1 des Reglements RSB festgehalten – zu dem Zweck erstellt worden, die Universitätsleitung über die Tätigkeiten der Ansprechpersonen respektive der Kommission RSB zu informieren. In Jahren mit tiefen Fallzahlen besteht einerseits das Risiko, dass die Veröffentlichung gegenüber Dritten, die bereits Spekulationen zu einer Meldung haben, zu Mutmassungen führen könnte. Andererseits hat unsere Erfahrung im Umgang mit betroffenen Personen gezeigt, dass diese oftmals bevorzugen, ein niederschwelliges Angebot zu nutzen. Eine Veröffentlichung der gemeldeten Fälle könnte das Vertrauen in die vertrauliche Behandlung senken.

Die UZH will in Zukunft die Jahresberichte der RSB veröffentlichen. Brauchte es somit zuerst den öffentlichen Druck, bevor die UZH sich dazu entschied?

In der bisherigen Form waren die Jahresberichte nur für die Universitätsleitung bestimmt. Der Entscheid, die Jahresberichte in Zukunft der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, war kein leichter. Mit der Anfrage aus dem Kantonsrat zeigte sich jedoch, dass ein gesteigerter öffentlicher Bedarf bestand, über die Tätigkeiten der Kommission und die Entwicklung der Fallzahlen im Besonderen informiert zu sein. Da bei der Veröffentlichung der Jahresberichte verschiedene rechtsstaatliche, datenschutzrechtliche und institutionelle Interessen einander gegenüberstehen, war es der Kommission RSB und der Universitätsleitung ein grosses Anliegen, diesen Schritt zuerst sorgfältig zu prüfen und die Interessen abzuwägen. Die Universität Zürich möchte mit dem neuen Vorgehen, die Jahresberichte in Zukunft zu publizieren, einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Sensibilisierung in diesem Bereich leisten.

Warum wurden die nun veröffentlichten Jahresberichte der RSB stellenweise eingeschwärzt?

Da die Jahresberichte bisher ausschliesslich für die Universitätsleitung bestimmt waren und nicht zum Zweck einer öffentlichen Berichterstattung erstellt wurden, beinhalten diese insbesondere auch aktuelle Herausforderungen sowie Schutz- und Unter­stützungs­massnahmen von verschiedenen Universitäts­angehörigen. Die Kommission RSB arbeitet in solchen Fällen eng mit dem Bedrohungsmanagement der Universität Zürich sowie den Bedrohungs­managements der Polizeikorps zusammen. Eine Bekanntgabe solcher Schutz­massnahmen würde einerseits deren Zweck gefährden oder vereiteln und andererseits die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen verletzen. Damit stehen überwiegende öffentliche und private Interessen einer Bekanntgabe entgegen, weshalb die Veröffentlichung der Berichte eingehend geprüft wurde und schliesslich gewisse Schwärzungen vorgenommen wurden (zur Interessenabwägung vgl. § 23 IDG).

Aber jetzt sollen die Jahresberichte der Kommission RSB doch veröffentlicht werden.

Ja. Die Kommission RSB hat an ihrer letzten Sitzung beschlossen, die zukünftigen Jahresberichte so zu gestalten, dass sie auch ohne Schwärzungen direkt veröffentlicht werden können. Es ist geplant, diese unmittelbar nach der Genehmigung durch die Universitätsleitung auf der Website der Kommission zu veröffentlichen.

Was unternimmt die UZH gegen diese Zunahme an sexuellen Belästigungen und Übergriffen?

Ungeklärt ist, ob es an der Universität Zürich tatsächlich zu mehr Fällen von sexueller Belästigung und sexistischen Verhaltensweisen gekommen ist oder ob die gestiegenen Fallzahlen das Resultat der zunehmenden Sensibilisierung darstellen. Für die Beantwortung dieser Frage plant die Universität Zürich eine Untersuchung des Hell- und Dunkelfelds durchzuführen, um künftig auch beurteilen zu können, ob das belästigende Verhalten zunimmt oder eben die Anzahl Meldungen. Darüber hinaus ist die Universität Zürich weiterhin dabei, die Sensibilisierung in diesem Bereich zu intensivieren und trägt mit Aktionen wie dem heutigen nationalen Tag zum Schutz vor sexueller Belästigung an Hochschulen dazu bei, den seit einiger Zeit eingeleiteten Kulturwandel weiter zu unterstützen. Für betroffene Personen stehen die Ansprechpersonen und die Untersuchende Person der Kommission RSB jederzeit für eine Beratung zur Verfügung.