Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Nahostkonflikt

«Gegenseitiger Respekt ist die Grundlage»

Angesichts des Nahostkonflikts betont Rektor Michael Schaepman die Bedeutung eines differenzierten und offenen Dialogs. Auch Empathie zu zeigen sei wichtig, sagt er im Interview.
UZH Kommunikation

Kategorien

UZH Hauptgebäude

Herr Schaepman, was kann eine Universität im Nahostkonflikt leisten? 

Michael Schaepman: Das Wichtigste, was die UZH leisten kann, ist Wissen, Verständigung und Orientierung zu bieten. Unsere Aufgabe ist, Situationen wie den Nahostkonflikt zu analysieren und faktenbasiert einzuordnen. So können wir zum Beispiel zur Klärung von völkerrechtlichen Fragen beitragen. Und wir können Studierende und Mitarbeitende befähigen, die Komplexität von Konflikten zu verstehen und Kompetenzen im Umgang damit zu erwerben.

Einen direkten Beitrag zur diplomatischen Lösung des Konflikts kann die UZH als Institution nicht leisten. Aber sie kann zur Qualität der öffentlichen Debatte beitragen. Der Nahostkonflikt trifft auf eine Stimmung in der Öffentlichkeit, die durch zunehmende Polarisierung geprägt ist. Umso wichtiger ist es, dass die Universität einen sicheren Rahmen für eine differenzierte und offene Diskussion auf der Grundlage gegenseitigen Respekts bietet.

Am vorletzten Freitag hat die Polizei aufgrund von Hinweisen auf eine Störaktion an der Universität Zugangskontrollen durchgeführt. Ausserdem wurde der Zugang zum Gebäude stark eingeschränkt. Wie ist es zum Einsatz gekommen? 

Es wurde behauptet, die Polizei sei von der Universitätsleitung gerufen worden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die UZH hat zu keinem Zeitpunkt einen Strafantrag gestellt und keinen Polizeieinsatz veranlasst. Die Polizei kann über Informationen verfügen, die es rechtfertigen, für öffentliche Sicherheit zu sorgen. Ich gehe davon aus, dass die Polizei nach ihrem Kenntnisstand mit guten Gründen gehandelt hat. Wir sind mit der Polizei im Dialog zu den Vorkommnissen.

Die Gruppe «Students for Palestine» und der VSUZH behaupten, die UZH stehe in der Pflicht, das Schweigen gegenüber Menschenrechtsverletzungen zu brechen. Es wird moniert, dass ein Klima des Schweigens herrsche. Wie beurteilt das die Universitätsleitung?

Es wird ja ganz offenkundig debattiert zum Thema und nicht geschwiegen. Wir waren und bleiben offen für den Dialog mit allen Studierenden, einschliesslich der «Students for Palestine», vertrauend darauf, dass alle Seiten die jeweils anderen Standpunkte respektieren. 

Ich betone aber: Es ist nicht Aufgabe der UZH, Politik zu betreiben. Vielmehr ist es unsere Pflicht, einen Rahmen zu bieten für eine differenzierte, offene und sachliche Auseinandersetzung mit politischen und gesellschaftlichen Konflikten.

Aber auch Empathie zu zeigen ist uns an der UZH wichtig. Viele unserer Mitarbeitenden und Studierenden sind vom Konflikt im Nahen Osten – wie auch jenem in der Ukraine – persönlich betroffen. Im Herbst 2023 haben wir in einem Statement auf der UZH-Website unsere Bestürzung über das durch Gewalt verursachte Leid klar zum Ausdruck gebracht. Später haben wir dieses Statement zusammen mit den Studierenden aufdatiert, weil die Situation dies erfordert hat.

Die Gewalt und das menschliche Leid bewegen uns zutiefst, und es muss erlaubt sein, dies auch zu artikulieren. Die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten zeigen aber auch, dass uns menschliches Leid in unterschiedlichem Mass berührt – je nachdem, wie nah oder fern uns die jeweilige Region oder Kultur ist. So hat zum Beispiel die Verfolgung der Rohingya in Myanmar bei uns ein vergleichsweise geringeres Echo ausgelöst. Die öffentliche Wahrnehmung ist selektiv. Auch dies sollten wir bedenken, wenn wir weltpolitische Ereignisse analysieren und einordnen.

Jüdische Studierende fühlen sich von den Forderungen der «Students for Palestine» sowie jenen des VSUZH verunsichert. Wie gewährleistet die UZH ihre Sicherheit? Was tut sie dafür, dass sich niemand an der UZH beeinträchtigt fühlen muss? 

Wir hören ihre Sorgen und können sie nachvollziehen. Unser Standpunkt ist klar und deutlich: Wir dulden keinen Rassismus, keinen Antisemitismus und keine Vorverurteilung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Religion.

Wir tolerieren keine Gewalt unter Studierenden und Mitarbeitenden der UZH, auch keine verbale Gewalt. Verbale Gewalt verletzt die akademische Freiheit. Als Rektor ist es meine Pflicht, zu gewährleisten, dass alle Mitarbeitenden und Studierenden sich an der UZH sicher fühlen und ihre Meinung frei und ohne Angst äussern können. Aber auch die Mitwirkung aller Angehörigen der UZH ist notwendig: Die Pflicht ist nicht nur institutionell, sondern auch individuell anzusehen.

Michael Schaepman

Unsere Aufgabe an der UZH ist, Situationen wie den Nahostkonflikt zu analysieren und faktenbasiert einzuordnen.

Michael Schaepman
Rektor UZH

Hat sich die UZH zum Nahostkonflikt zu wenig klar positioniert?  

Nein. Wir haben uns deutlich dazu geäussert und unsere Haltung auf unserer Website veröffentlicht, wie ich vorhin schon sagte. Wir sind nach wie vor bestürzt über die Ereignisse und die anhaltende Eskalation im Nahostkonflikt. Unsere Gedanken sind bei den Opfern des Anschlages und ihren Angehörigen sowie bei der unschuldigen Zivilbevölkerung jeglicher Nationalität und Herkunft, die nun unter den Folgen der anhaltenden Gewalt leidet. Auch wiederholen wir unseren Appell und rufen alle Beteiligten dazu auf, das humanitäre Völkerrecht und insbesondere die Pflicht zur Schonung der Zivilbevölkerung zu respektieren.   

In der Öffentlichkeit sind die Protestierenden mit ihren Forderungen derzeit sehr präsent. Was ist mit den anderen Stimmen? 

Die Meinungen der Studierenden und Mitarbeitenden sind sehr vielfältig, ebenso die Art und Weise, wie sie an die Universität oder mich gelangen und wie sie formuliert sind. Viele stören sich an einer lautstarken Auseinandersetzung und möchten sich lieber auf ihr Studium oder ihre Forschung konzentrieren. Es ist dennoch wichtig, Raum für notwendige Debatten zu bieten. Ebenso haben wir die Aufgabe, alle Studierenden und Mitarbeitenden zu unterstützen. 

 Die «Students for Palestine» und der VSUZH fordern den Boykott israelischer Institutionen, die den Krieg im Gazastreifen unterstützen. Was ist die Haltung der UZH dazu? 

Pauschalisierungen sind schädlich, und eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit ist für die Universitätsleitung nicht akzeptabel. Deshalb lehnen wir den geforderten Boykott ab. Analog lehnen wir auch einen Boykott palästinensischer Wissenschaftsinstitutionen ab. Der Ausschluss und die Diskriminierung von Personen oder Institutionen, die Teil der akademischen Gemeinschaft sind, aufgrund ihrer Nationalität widersprechen jeglichen akademischen Werten. Dies haben wir den beiden Organisationen mitgeteilt und werden dies auch allen weiteren Anfragenden so mitteilen. Die akademische Zusammenarbeit beinhaltet immer auch den wechselseitigen Austausch und die Förderung des gegenseitigen Verständnisses. Wenn wir diese Brücken abreissen lassen, tragen wir nicht zur Konfliktlösung bei. Beziehungen zu Personen, die unsere akademischen Werte teilen, sollten wir nicht aufgeben.

Überprüft die UZH ihre Kollaborationen und ihre Zusammenarbeit mit israelischen und anderen Partnern? 

Wir überprüfen regelmässig, ob die ethischen und akademischen Werte der UZH von unseren institutionellen Partnern eingehalten werden. Zugleich beurteilen die Forschenden und Dozierenden der UZH auch selbst, wann eine Kooperation nicht mehr angezeigt ist. Momentan analysieren wir unsere internationale Ausrichtung sowie die Knowledge Security, um unsere Handlungsempfehlungen in Bezug auf eine verantwortungsvolle internationale Zusammenarbeit weiter zu verbessern.

Welche Unterstützung bietet die UZH jenen, die durch den Nahostkonflikt belastet sind? 

Unsere Beratung in den Abteilungen Global Student Experience und Global Affairs ist besonders sensibilisiert für die Bedürfnisse von Personen, die vom Nahostkonflikt betroffen sind. Im Rahmen unserer Mitgliedschaft bei der internationalen Organisation «Scholars at Risk» setzen wir uns zudem aktiv für den Schutz gefährdeter Forschender ein.

Wie pflegt die UZH den Dialog mit den betroffenen Studierendengruppen? 

Die UZH pflegt weiterhin den Dialog mit allen involvierten Studierendengruppen, insbesondere mit den Vertreterinnen und Vertretern der akkreditierten Studierendenvereine. Aktuell planen wir Dialogformate, die Raum für eine differenzierte Diskussion zum Nahostkonflikt bieten. Der VSUZH hat zusammen mit mir als Rektor und dem Zentrum für Krisenkompetenz die Mitarbeitenden sowie die Studierenden per E-Mail dazu aufgerufen, Veranstaltungen zu diesem Thema zu initiieren. Die Veranstaltungen sollen allen Studierenden und Mitarbeitenden der UZH ermöglichen, ihre Sicht auf den Nahostkonflikt einzubringen – im Sinne einer offenen und differenzierten Debatte auf der Grundlage gegenseitigen Respekts.

Weiterführende Informationen