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Ein chirurgischer Roboter, der tastet, hört und fühlt

Die Universitätsklinik Balgrist hat gemeinsam mit internationalen Forschungspartnern das FAROS-Projekt erfolgreich abgeschlossen und einen Prototyp eines chirurgischen Roboters mit menschenähnlichen Sinnen entwickelt. Er wird bald komplexe chirurgische Aufgaben autonom bewältigen können.
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Der Chirurg Mazda Farshad von der Universitätsklinik Balgrist testet den Prototyp in einer der Integrationswochen. (Bild: Universitätsklinik Balgrist)

Chirurginnen und Chirurgen nutzen bei schwierigen Operationen alle ihre Sinne. Ist die Anatomie nicht gut zu sehen, hilft ihnen ihr Tastsinn weiter oder sie achten auf akustische Signale, um beispielsweise festzustellen, wann sie mit Bohren aufhören müssen. Die Fähigkeit, zu hören und zu tasten, haben Operationsroboter bisher noch nicht. Bisher folgten sie wie ein Autopilot einem vordefinierten Pfad, der auf medizinischer Bildgebung basiert. Wenn dieser Pfad den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht wurde, fehlte ihnen die nicht-visuelle Sinneswahrnehmung, und das Operationsteam musste übernehmen. Solche Schwierigkeiten treten oft bei komplexen Operationen auf. Zum Beispiel wenn die Wirbelsäule versteift werden muss – dann müssen zahlreiche Schrauben millimetergenau im Umfeld des Rückenmarks platziert werden.

Sehen, hören, fühlen, tasten

Eine internationale Forschungskooperation unter Beteiligung der Universitätsklinik Balgrist (UKB) und der Universität Zürich (UZH) hat nun im Rahmen des Horizon-2020-Projekts FAROS (Functionally Accurate RObotic Surgery) einen Prototyp eines chirurgischen Roboters entwickelt, der auch komplexe und hochpräzise Operationsschritte eigenständig durchführen kann. Der chirurgische Roboter lernt das Gewebe zu scannen, er kann tasten, hören, fühlen, interpretieren und entsprechend handeln.

Kann der neu entwickelte Roboterchirurg schon alles, um komplexe klinische oder chirurgische Situationen zu verstehen und angemessen vorzugehen? Am besten beantworten kann das FAROS-Forscher Mazda Farshad. Er ist Chefarzt Wirbelsäulenchirurgie und Direktor des Universitären Wirbelsäulenzentrums an der Universitätsklinik Balgrist und Ordinarius für Orthopädie an der UZH.

Chirurg und UZH-Professor Mazda Farshad (Bild zVg)

«Es handelt sich um einen Forschungs-Prototyp, der noch nicht direkt ohne Validierung im klinischen Alltag eingesetzt werden kann», sagt Mazda Farshad. «Es braucht also einige Validierungsschritte und Safety-Untersuchungen im Rahmen von Studien. Das System würde aktuell noch nicht genug sicher funktionieren, wenn die Anatomie aussergewöhnlich komplex ist.»

Welchen Mehrwert bringt denn ein Computer-assistierter Chirurgie-Roboter bei der Wirbelsäulenchirurgie gegenüber einem Chirurgen aus Fleisch und Blut? «Mit den bestehenden Systemen noch keinen klinisch relevanten Mehrwert», relativiert Farshad. «Es bedarf smarter Robotersysteme, welche einen echten Mehrwert schaffen, vor allem dann, wenn das Resultat höchst-abhängig ist vom chirurgischen Talent und Können. Erst dann würde der Durchschnitt der chirurgischen Qualität erhöht werden können.»

Wird der Wirbelsäulenchirurg in Zukunft vor allem die Rolle des Überwachers des Computer-assistierten Chirurgie-Roboters spielen? «Eventuell für gewisse operative Schritte, aber nicht für die gesamte Chirurgie», so Farshad. «Ein regulärer chirurgischer Eingriff besteht aus zirka 300 Teilschritten mit vielen Variablen. Einige wenige könnte wohl ein Roboter ersetzen, aber nicht alle.»

Europäisches Horizon-2020-Projekt

Studienleiter des internationalen Forschungsprojekts FARO war Philipp Fürnstahl. Er ist an der UZH Professor für Orthopedic Computer Science und leitet an der Universitätsklinik Balgrist in Zürich die Forschungsgruppe «Balgrist ROCS – Research in Orthopedic Computer Science».

Im FAROS-Projekt arbeiteten die Universitätsklinik Balgrist und die UZH eng mit Universitäten in Belgien, Frankreich und England und einem französischen Industrieunternehmen zusammen. Das Projekt erhielt Fördermittel des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union. Wie waren Philipp Fürnstahls Erfahrungen mit dem europäischen Projekt? «Sehr gut. Das Horizon-2020-Programm ist kompetitiv, weshalb das wissenschaftliche Niveau sehr hoch ist. Die Kompetenzen der Partner haben sich gut ergänzt, die Forscher konnten gegenseitig sehr viel voneinander lernen und profitieren.»

Philipp Fürnstahl, UZH-Professor für Orthopedic Computer Science (Bild zVg)

Was hat Fürnstahl am meisten überrascht? «Obwohl die Forscher aus verwandten Forschungsdisziplinen wie der Robotik, Sensorik oder der Computer-gestützten Chirurgie kamen, hat es länger gedauert als erwartet, bis wir in allen Bereichen eine ‹gemeinsame Fachsprache› gefunden hatten», erzählt Fürnstahl.

Als grösste Herausforderung entpuppte sich die letzte Phase, als die einzelnen Komponenten des robotischen Systems, die von den unterschiedlichen Forschungsgruppen in Belgien, Frankreich und England entwickelt worden waren, zu einem funktionierenden Gesamtsystem verbunden werden mussten. «Dazu wurde das gesamte Forschungsteam und das Equipment mehrmals für sogenannte Integrationswochen eingeflogen, um in kürzester Zeit einen funktionierenden Roboter zusammenzubauen und zu validieren», schildert Fürnstahl. Der fertige Prototyp wurde schliesslich im Forschungs- und Trainingscenter OR-X an der Universitätsklinik Balgrist getestet.