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Teamforschung

Dem Druck standhalten

Der Psychologe Jan Schmutz erforscht, wie Teams unter extremen Bedingungen arbeiten und was sie erfolgreich macht. Die Basis für den Erfolg ist, dass sich die Teammitglieder sicher fühlen und sich einbringen können.
Thomas Gull
Soft Skills und eine gute Organisation sind die Ingredienzien für ein erfolgreiches Team. Im Bild: Team des Pflanzenphysiologen Cyril Zipfel im Botanischen Garten der UZH (Foto: Cortellini/Sprecher).

Was unterscheidet Astronauten im All, Forschende in der Arktis, Feuerwehrleute oder Teams auf Notfallstationen in den Spitälern von Menschen mit 9-to-5-Jobs? Sie führen ihre Arbeit unter extremen Bedingungen aus. Extrem wegen der garstigen oder gefährlichen äusseren Bedingungen oder wegen des Drucks und der möglicherweise fatalen Konsequenzen, die Fehler haben können. Der Psychologe Jan Schmutz erforscht, wie solche Teams arbeiten. «Mich hat immer fasziniert, wie unter Hochdruck Höchstleistungen vollbracht werden und sich die Teammitglieder gewissermassen blind verstehen», erklärt Schmutz. Doch genau festzustellen, was erfolgreiche Teams von weniger erfolgreichen unterscheidet, sei schwierig. Genau das reizt Schmutz, er möchte die Erfolgsfaktoren benennen können.

Um dem Geheimnis des Teamerfolgs auf die Spur zu kommen, geht Schmutz verschiedene Wege: Er wertet bereits vorhandene Literatur zum Thema aus, beobachtet Teams unter Extrembedingungen und er berät solche Teams. Als wir uns online unterhalten, ist er gerade in Graz, wo er im Spital zusammen mit Instruktoren aus Medizin und Pflege ein dreitägiges Training durchführt, bei dem Notfalleinsätze simuliert und analysiert werden. Mit solchen Coachings kann der Psychologe sein Wissen einbringen und gleichzeitig feststellen, ob es die erwünschte Wirkung hat.

Verschiedene Fähigkeiten zusammenbringen

Was zeigt seine Forschung? Der Erfolg eines Teams beruht grob gesagt auf zwei Komponenten: den Fähigkeiten der Teammitglieder und ihrer Zusammenarbeit. Die individuellen Fähigkeiten seien wichtig. Doch entscheidend für den Erfolg sei die Zusammenarbeit, hält Schmutz fest. Es gilt der Grundsatz: «A team of experts is not an expert team» (ein Team von Experten ist noch kein Expertenteam). Das bedeutet: Die grosse Herausforderung ist, die verschiedenen Fähigkeiten der Teammitglieder zusammenzubringen und optimal einzusetzen. Gelingt das nicht, läuft das Teamwork nicht rund. Das kann fatale Folgen haben. «Untersuchungen in der Medizin zeigen, dass bis zu 80 Prozent der Fehler auf mangelhafte Zusammenarbeit und schlechte Kommunikation zurückzuführen sind», sagt Schmutz. Umgekehrt erbringen Teams, die gut zusammenarbeiten, 20 bis 30 Prozent mehr Leistung.

Jan Schmutz

Reflexion hilft dem Team, sich weiterzuentwickeln.

Jan B. Schmutz
Professor für Psychologie, angewandte Teamforschung

Psychologische Sicherheit

Der UZH-Psychologe hat drei Faktoren herausgearbeitet, die Teams erfolgreich machen: Teamreflexion, psychologische Sicherheit und ein gemeinsames Verständnis der Arbeit. Die Basis für die erfolgreiche Arbeit im Team ist die psychologische Sicherheit. Das bedeute nicht, dass alles in Watte gepackt werden müsse, betont Schmutz, sondern dass sich alle getrauen, sich einzubringen und (konstruktiv) Kritik und Ideen zu äussern. Wie wichtig es ist, sich im Team sicher zu fühlen, belegt eine gross angelegte Studie von Google. Diese zeigt: Erfolgreiche Google-Teams zeichnen sich dadurch aus, dass die Teammitglieder einander zuhören und sensibel sind gegenüber den Gefühlen und Bedürfnissen der anderen.

Diese positive emotionale Grundstimmung wirkt sich auf alles andere aus. «Psychologische Sicherheit bedeutet mehr Leistung, weniger Fehler, effektivere Prozesse und innovativere Produkte», sagt Jan Schmutz. Mitarbeitende, die sich wohlfühlen, sind motivierter und in einem harmonischen, positiv gestimmten Team werden mehr Informationen geteilt. So können Fehler vermieden und Prozesse verbessert werden. Eine wichtige Rolle spielen die Führungspersonen, die idealerweise partizipativ führen und die Meinungen und Ideen der Mitarbeitenden einholen. Wie eine ETH-Studie zeigt, trägt inklusive Sprache, die sich etwa durch die Verwendung von inklusiven Pronomen wie «wir» auszeichnet, dazu bei, dass sich die Teammitglieder öfter einbringen.

Reflektieren, was man tut

Sich offen und konstruktiv auszutauschen, ist die Voraussetzung für die beiden anderen Erfolgsfaktoren: die Reflexion der eigenen Arbeit im Team und das gemeinsame Verständnis. «Reflexion hilft dem Team, sich weiterzuentwickeln», erklärt Jan Schmutz. Reflektiert werden kann vor, während oder nach dem Einsatz. Bei medizinischen Notfall-Teams beispielsweise hilft die Besprechung vor dem Einsatz, sich optimal auf die Patientin oder den Patienten vorzubereiten, der von der Ambulanz angekündigt wird und dessen wichtigste Symptome bereits bekannt sind. Während des Einsatzes helfen regelmässige kurze (10 bis 20 Sekunden) Denkpausen sicherzustellen, dass sich das Team auf dem richtigen Weg befindet und sich anpassen kann, wenn es die Situation erfordert.

Die Nachbesprechung hilft dem Team, sich weiterzuentwickeln und beim nächsten Fall noch besser zusammenzuarbeiten. Systematische Nachbesprechungen verbessern nicht nur die Qualität der Arbeit, sie erhöhen auch die psychologische Sicherheit der Teammitglieder. «Debriefings können schwierig sein, gerade wenn ein Einsatz nicht optimal verlaufen ist», sagt Schmutz, «doch sie sind enorm wertvoll.» Allerdings, fügt er hinzu, wird dieses effektive Instrument viel zu wenig eingesetzt. Dabei ist die Wirkung phänomenal: «Regelmässige Nachbesprechungen verbessern nicht nur die Leistung, die Mitarbeitenden fühlen sich auch wohler, sind emotional weniger ausgelaugt und es gibt weniger Burnouts.» Wenn Schmutz mit Teams wie in Graz zusammenarbeitet, versucht er, solche Prozesse zu erklären und zu etablieren.

Geteilte mentale Modelle

Die dritte wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Teamarbeit ist das gemeinsame Verständnis der Arbeit. Dieses sollte gemeinsam erarbeitet und immer wieder abgeglichen werden, sagt Schmutz. In der Literatur spricht man von «geteilten mentalen Modellen» in Teams. Das bedeutet ein gemeinsames Verständnis der Mitglieder über Aufgaben, Ziele, Prozesse und Rollen im Team. Die Mitglieder teilen eine kollektive Vorstellung und Wissensstruktur, was ihnen ermöglicht, effektiv zusammenzuarbeiten und Aufgaben zu bewältigen. Geteilte mentale Modelle ermöglichen den Teammitgliedern, sich aufeinander abzustimmen, effizient zu kommunizieren und gemeinsam zu entscheiden, da sie über ähnliche Annahmen, Erwartungen und Vorstellungen verfügen. Teams sind leistungsfähiger und arbeiten besser zusammen, wenn sie die geteilten mentalen Modelle entwickeln und pflegen.

Offener Austausch

Die Forschung von Jan Schmutz zur Teamarbeit unter extremen Bedingungen zeigt: Für den Erfolg eines Teams sind nicht in erster Linie die fachlichen Fähigkeiten der Teammitglieder verantwortlich, sondern ihre Soft Skills und eine gute Organisation, die Raum schafft für den offenen Austausch. Für den Psychologen ist klar: Diese Erkenntnisse lassen sich auch auf Teams übertragen, die nicht im All, in der Arktis oder auf einer Notfallstation arbeiten: «Was unter extremen Bedingungen funktioniert, funktioniert normalerweise auch in einem eher traditionelleren Arbeitsumfeld.»

Dieser Text ist Teil des Dossiers zum Thema Teamwork aus dem UZH Magazin 2/2023.

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