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Chemie

Elektronen-Dynamik in Echtzeit

Die Dynamik eines angeregten Moleküls sichtbar zu machen, gelingt nur mittels rechenintensiver Simulationen. Das Forscherteam um Sandra Luber von der UZH hat nun ein Verfahren entwickelt, das diese aufwendigen Simulationen beschleunigt.
Simone Ulmer
Visuelle Darstellung von ähnlichen Filterprozessen, wie sie der Algorithmus der Forschenden vornimmt. (Bild adobe stock)

Die Chemikerin Sandra Luber will genau wissen, was passiert: Was verändert sich in einem Molekül, wenn es mit einem Laserpuls angeregt und in Schwingung gebracht wird? Experimentalforscher:innen messen bei derartigen Versuchsanordnungen mit einem Detektor die Energie-Spektren der angeregten Elektronen und erhalten so beispielsweise ein Absorptionsspektrum. Doch die für die Forschenden wertvolle Information, was genau mit den Elektronen in der Zeit zwischen Laserimpuls und dem daraus resultierenden Spektrogramm passiert, bleibt verborgen – das können nur Supercomputer wie «Piz Daint» sichtbar machen.

Doch derartige dynamische Prozesse in der Spektroskopie zu berechnen, ist zeit- und kostenintensiv und deshalb oft nur für kleine Systeme möglich. Nun jedoch stellt Sandra Luber, Professorin für theoretische Chemie an der Universität Zürich, in Nature Communications zusammen mit ihrem Doktoranden Ruocheng Han und Postdoktoranden Johann Mattiat einen Algorithmus vor, der bis zu zehn Mal schneller zum Ziel kommt, ohne dass die Genauigkeit darunter leidet.

Sandra Luber

Wir erhalten sehr viele Zusatzinformationen über die Chemie des Moleküls.

Sandra Luber
Chemikerin

Supercomputer «Piz Daint»

Luber und ihr Team nutzen «Piz Daint», um die Dynamik des angeregten Moleküls inklusive der quantenmechanischen Zustände zu simulieren. Hierfür verwenden sie Softwarepakete wie CP2K, die Verfahren zur Berechnung der quantenmechanischen Zustände im Atom oder Molekül in Echtzeit enthalten. Damit können sie während der Simulation vom Zeitpunkt des Laserpulses an verfolgen, wie sich die Wellenfunktion der Elektronen im Anschluss an den Impuls über die Zeit verändert. Vor allem aber können sie sehen, wie die Elektronen, angeregt durch den Laserpuls, höhere Energieniveaus besetzen und zu jedem Zeitpunkt des Experiments eine «Detailaufnahme» des Moleküls machen. «Das hilft uns die Struktur und Dynamik eines Moleküls zu analysieren», sagt Luber.

Um «Trial and Error» zu vermeiden, wollten die Forscher idealerweise eine automatisierte Methode entwickeln, um die Simulationen zu beschleunigen. Konkret optimiert der Algorithmus, den das Team nun entwickelte, automatisch die sogenannten Basissätze an Funktionen, die beispielsweise CP2K zur Berechnung nutzt. Das gelang dem Team, indem es zwei Indikatoren identifizierte: einen Indikator, mit dem die Bedeutung jeder Basisfunktion für die Berechnung des Spektrums erfasst werden kann, und einen weiteren Indikator, der Aufschluss darüber gibt, wie wichtig sie für die korrekte Verfolgung der quantenmechanischen Zustände über die Zeit sind.

Mit Hilfe von «Piz Daint» testeten die Forscher ihren neuen Algorithmus an verschiedenen Molekülen, die von molekularem Wasserstoff und Wasser bis hin zu einem Silbercluster und Zinkphthalocyanin und anderen, für die Industrie wichtigen, Molekülen reichen. Mit dem neuen Algorithmus erreichten die Forscher ihr Ziel schneller – und zwar mit der gleichen Präzision, wie Vergleiche mit konventionell simulierten Absorptionsspektren zeigten. Alle anderen quantenmechanischen Programme neben CP2K, die ebenfalls atomzentrierte Basissätze verwenden, könnten das neue Verfahren nutzen, so Luber.

Simulationen mit Silber

Für die Berechnungen von Molekülen, die sich überwiegend im Grundzustand befinden, gibt es bereits optimierte Basissätze. «Solche speziellen Basissätze für die Simulation der angeregten Molekül-Zustände gab es bis anhin jedoch nicht», betont Luber. «Mehr noch, unsere neu generierten Basissätze sind sogar system- und umgebungsspezifisch.» Diese überraschende Entdeckung machten die Forscher während Testsimulationen mit Silberatomen in Silberclustern, die abhängig von ihrer Symmetrie unterschiedliche chemische Eigenschaften besitzen. «Wir konnten beobachten, dass unser Algorithmus sogar für diese unterschiedlichen Silberatome unterschiedliche Basissätze findet», sagt Luber.

Das heisst, der Algorithmus unterscheidet die Umgebungen im Molekül: Dort wo beispielsweise die Polarisierung der Elektronendichte im Atom wichtig ist, werden sogenannte Polarisationsfunktionen herangezogen, in grösserem Abstand zum Atom sogenannte diffuse Funktionen, erklärt die Forscherin. «Wir können sehen, welche Art von Funktion in welchem Bereich des Atoms beziehungsweise Moleküls wichtig ist. Das gibt uns sehr viele Zusatzinformationen über die Chemie des Moleküls.» Luber und ihr Team sind damit ihrem Ziel, genau zu wissen, was in den angeregten Molekülen vor sich geht, ein grosses Stück nähergekommen.

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