Nachhaltige Anlagen

Grün investieren

Anleger können einen Beitrag an die nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft leisten, sagt UZH-Ökonom Falko Paetzold. Am wirksamsten ist, Geld in innovative Startups zu investieren.
Stefan Stöcklin
Bilder einer Pflanze, die aus einem Geldhaufen spriesst.
Eine Anlage in Island, mit der CO2 im Boden gespeichert werden kann. (Bild: Keystone)

 

Nachhaltige Anlagen liegen im Trend. Allein in der Schweiz beläuft sich ihr Wert auf rund zwei Billionen Franken, zehn Jahre zuvor waren es noch 41 Milliarden, gerade mal ein Fünfzigstel. Doch obwohl in der Schweiz mittlerweile gut die Hälfte der Investitionen in solche Anlagen fliesst, sind wir noch weit von einer grünen Kreislaufwirtschaft oder der CO2-Neutralität entfernt.

Offenbar haben grüne Investitionen nicht den Effekt, den sie haben sollten. Ein Teil des Problems liegt bei der Beurteilung der Nachhaltigkeitskriterien für Firmen, den sogenannten ESG-Ratings. ESG (Environement, Social, Governance) steht für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Firmen werden danach beurteilt, wie gut sie in diesen Nachaltigkeitskategorien abschneiden.

Das Problem dabei: Die führenden Agenturen kommen zu unterschiedlichen Schlüssen, welche Unternehmen hinsichtlich ESG als nachhaltig zu betrachten sind und welche nicht. So ist zum Beispiel der Elektroautohersteller Tesla Anfang Jahr aus einem Nachhaltigkeitsindex rausgefallen. Massgebend waren dabei nicht ökologische Erwägungen, sondern Probleme in der Unternehmensführung. Solche Entscheide verwirren Investorinnen und Investoren, die ihr Geld in ökologische Projekte anlegen möchten, und öffnen dem Greenwashing, dem Grün-Einfärben der eigenen Ökobilanz, Tür und Tor.

Wegweiser für nachhaltige Investitionen

Ein weiteres Problem liegt bei den Erwartungen an die Wirkung ökologischer Investitionen. «Es ist grossartig, dass nachhaltige Anlagen im Mainstream angekommen sind, doch viele Investoren verwechseln ein nachhaltiges Rating mit ökologischer Wirkung», sagt Falko Paetzold, Managing Director des Center for Sustainable Finance and Private Wealth (CSP) der UZH. Denn die Zusammenhänge sind komplizierter: Anteile einer nachhaltigen Firma zu kaufen, sei nicht dasselbe, wie eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, so Paetzold.

Um das Wissen über diese Zusammenhänge zu verbessern, hat der Ökonom zusammen mit Florian Heeb und Julian Kölbel einen Wegweiser für nachhaltige Investitionen verfasst: «The Investor’s Guide to Impact». Manche ihrer Empfehlungen flossen auch in die kürzlich veröffentlichten «Swiss Climate Scores» ein, ein Set von Kriterien für nachhaltige Finanzanlagen und -produkte des Bundes.

Meerwasser entsalzen

Wie Paetzold im Gespräch ausführt, gilt es zuallererst, die Wirkung einer Firma von der eines Investors zu unterscheiden. Wer an der Börse Aktien eines gutgehenden Unternehmens kauft, das beispielsweise Windräder oder Solarpanels herstellt, erzielt als Investor keine zusätzliche Wirkung, denn die Firma erhält dadurch kein neues Kapital.

Der Investor-Impact ist deshalb praktisch gleich null oder sehr gering, denn es werden nicht mehr Solarpanels oder Windräder aufgrund der Investition gebaut. Anders liegt der Fall bei einer jungen Firma beispielsweise in einem Entwicklungsland, die ein energiesparendes Verfahren zur Entsalzung von Meerwasser entwickelt hat und Investoren sucht. Hier hat das Invest­ment eine unmittelbare Wirkung – auch wenn solche Unterstützungen natürlich Risiken für den Geldgeber bergen.

Man sollte sich also zuallererst überlegen, was man mit einer Investition bei der Firma auslöst, und nicht, was die Firma bereits tut. Aus diesen Gründen sei es ökologisch sinnvoll, sagt Falko Paetzold, in junge und wirkungsvolle Firmen in ineffizienten Finanzmärkten zu investieren – unter Berücksichtigung des Risikos, das man einzugehen bereit sei. Die Broschüre erwähnt in dieser Kategorie die amerikanische Firma «Impossible Food», die seit gut zehn Jahren vegetarische Alternativen zu Fleisch entwickelt und von Bill Gates mit hohen Millionenbeträgen gefördert wurde. Ohne diese Investition wäre die Firma heute wohl kaum profitabel.

In Palmöl investieren

Auf den ersten Blick befremdend wirkt ein weiterer Rat, auch in unökologische «braune» Firmen, beispielsweise die Zement- oder die Palmölindustrie zu investieren. Dank des finanziellen Engagements wird es möglich, direkten Einfluss auf die Geschäftspraktiken zu nehmen und Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Eine solche Investition kann der Umwelt mehr bringen als der Kauf von Aktien einer grünen und etablierten Firma, die sich problemlos Geld beschaffen kann.

Entscheidend sei, dass die Investoren ihren Einfluss auf die Firma via Stimmrechte geltend machen und realistische Reformen anstossen, sagt Paetzold. Das können saubere Produktionsprozesse oder der Ersatz problematischer Rohstoffe sein. Wenn dadurch schädliche Emissionen reduziert werden können, kann die Investorenwirkung um ein Vielfaches grösser sein als bei einer Ökobude.

Ungedeckte Umweltkosten

Entsprechend rät Paetzold auch davon ab, ganze Branchen von einer Investition auszuschliessen. «Nur weil man aus einer Kohleunternehmung aussteigt, verändert dies die Firma nicht – es kann sogar kontraproduktiv sein», sagt der Experte. Denn wenn grüne Investoren aussteigen, besteht die Gefahr, dass neue Geldgeber einsteigen, die sich weniger um das Klima kümmern. Ein solcher Ausschluss kann dazu führen, dass die Firmen in intransparente Märkte abtauchen oder die dreckigsten Bereiche ausgliedern, um besser dazustehen.

Die Kohleförderung dürfte so lange weiterlaufen, wie sie rentiert. Das ökonomische Problem liegt in diesem Fall bei den ungedeckten Umweltkosten des fossilen Energieträgers. Erst wenn durch CO2-Steuern der Preis so hoch wird, dass die Kohle unrentabel wird, wird sie nicht mehr gefördert. Hier sei der Gesetzgeber gefragt und weniger die Finanzindustrie, betont Paetzold: Der Staat hat es in der Hand, ökologische Vorgaben zu machen und korrekte Preissignale zu setzen. Gleichzeitig ist es aber hilfreich, wenn mächtige Grossinvestoren öffentlich darüber sprechen, etwa wenn sie Aktien von Kohle- und anderen Rohstofffirmen abstossen. Das erzeugt gesellschaftlichen Druck auf die Firmen, sich ökologischer zu verhalten.

So hat beispielsweise die Stanford University 2014 Kohleunternehmen aus ihren Kapitalanlagen ausgeschlossen, die insgesamt über 20 Milliarden Dollar betrugen. Während die Massnahme die Firmen und ihren Aktienkurs zunächst nicht ins Wanken brachte, bewegten die anhaltenden Diskussionen und Medienberichte weitere Firmen und kapitalträchtige Fonds zum Ausstieg aus dem Kohlegeschäft.

Mehr als gute Gefühle

Nachhaltige Investitionen, die einen Impact haben, setzen ein gewisses Fachwissen oder eine gute Beratung voraus. Leider hapere es in dieser Hinsicht noch, kritisiert Paetzold. In dieses Bild passt eine aktuelle Studie zur Motivation von nachhaltig orientierten Privatanlegern. Die von Paetzold mit drei Forscherkollegen publizierte Studie («Do Investors Care About Impact?») kommt zum ernüchternden Schluss, dass zwar viele Investoren bereit sind, für Geldanlagen mit ökologischer Wirkung mehr zu bezahlen – jedoch weitgehend unabhängig davon, ob sie damit einen hohen oder einen niedrigen Impact erzielen. Stattdessen geht es ihnen vor allem um das gute Gefühl – den «warm glow» –, das die Investitionen auslösen.

Wenn gute Gefühle reichen, um Investoren nachhaltige Produkte zu verkaufen, besteht die Gefahr, dass ihnen gewiefte Verkäufer pseudogrüne Produkte andrehen und die nachhaltige Wirkung auf der Strecke bleibt. Angesichts des weltweiten Billionenmarktes für nachhaltige Anlagen keine erfreuliche Perspektive.

Die Wegleitung der Nachhaltigkeitsexperten vom CSP soll das Investorenwissen über die Wirkungen nachhaltiger Investitionen stärken. In der Finanzindustrie bewegten sich unterschiedliche Menschen, manche hätten sich mit Leib und Seele der Nachhaltigkeit verschrieben, andere weniger, sagt Falko Paetzold dazu. «Doch es werden immer mehr. Wir haben einen Wendepunkt erreicht.»

Für die Zukunft ist der Ökonom durchaus optimistisch: «Nachhaltige Anlagen können die Welt verbessern. Wir leben im Kapitalismus und Kapital ist nun mal der entscheidende Hebel, um etwas zu verändern.»

 

 

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