Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

UZH Center for Crisis Competence

Krisenstimmung

Diesen Dienstag stellt sich das neu gegründete UZH Center for Crisis Competence (CCC) im Rahmen eines Launch Events vor. Alexander Wagner, Professor für Finance und Co-Leiter des CCC erklärt im Interview, welchen Beitrag die UZH zur Krisenkompetenz leisten kann.
Alice Werner
Krisen
Aktuell häufen sich die Krisen. Da kommt die Gründung des UZH Center for Crisis Competence (CCC) zum richtigen Zeitpunkt.


Covid-19, Klimawandel, Hitzewellen, Waldbrände, Demokratiekrise, Krieg, Inflation, drohende Energiemangellage und Lebensmittelknappheit – in letzter Zeit häufen sich die Krisen…
Alexander Wagner: Stimmt, es herrscht eine globale Krisenstimmung. Wir haben aktuell genug gleichzeitige Krisen, um Gesellschaften und politische Systeme ins Wanken zu bringen. Der Umgang mit diesen verschiedenen Krisen erfordert ein unerschütterliches Engagement der Politik sowie Investitionen in Nachhaltigkeit, um die Resilienz unserer Gesellschaft zu stärken. Dringender denn je stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, was Universitäten zur Krisenkompetenz beitragen können.
 

Welchen Beitrag kann die UZH leisten?
Die Covid-19-Pandemie hat zuletzt deutlich gemacht, wie wichtig bei komplexen Bedrohungen die Zusammenarbeit von Expert*innen verschiedener Disziplinen ist, um Probleme in ihrer ganzen Vernetzheit verstehen zu können. Darüber hinaus ist der Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in Politik und Praxis zentral. Ich bin der Meinung, dass die Universität Zürich als führende Schweizer Volluniversität prädestiniert ist, bestehende und neue Erkenntnisse zu einem so vielfältigen Thema wie «Krisen» zusammenzutragen und zu vermitteln. Aus dieser Motivation heraus haben Frank Rühli, Direktor des Instituts für Evolutionäre Medizin und Dekan der Medizinischen Fakultät, und ich im vergangenen Jahr das UZH Center for Crisis Competence (CCC) gegründet.
 

Es ist das erste Zentrum dieser Art in der Schweiz…
Tatsächlich wurden die grossen Zusammenhänge, die bei komplexen Krisen immer bestehen, in der Vergangenheit nicht genügend ernst genommen. Die Finanzkrise, vor allem aber erst die Coronapandemie hat uns gelehrt, dass uns disziplinübergreifende Zusammenarbeiten widerstandsfähiger gegenüber Risiken aller Art machen und zur effizienten und koordinierten Bewältigung realer, aber auch antizipierter Krisen führen.
 

Wie ist das Krisen-Kompetenzzentrum organisiert, und was sind seine primären Aufgaben?
Wir sind interdisziplinär aufgestellt. Die Co-Leitung teile ich mir mit Frank Rühli und Christiane Tietz vom Institut für Hermeneutik und Religionsphilosophie. Momentan sind knapp 30 Wissenschaftler*innen aus allen sieben Fakultäten Mitglied. Je nach Thema werden weitere Expert*innen angefragt. Das Center soll als Anlaufstelle für externe sowie interne Anfragen zum Thema Krisen dienen, indem es Wissenschaftler*innen, die auf diesem Gebiet forschen, miteinander vernetzt sowie Wissen zum Thema Krisenmanagement und Krisenbewältigung zusammenträgt.
 

Die Gründung des Centers fällt zeitlich mit der Coronapandemie zusammen. Soll es vor allem medizinische und pandemische Krisen in den Fokus nehmen?
Nein. Wir wollen uns Krisen aller Art stellen, im Kleinen wie im Grossen sowie auf ganz verschiedenen Ebenen: individuell, zwischenmenschlich und gesellschaftlich, regional, national, international und global, vorhersehbar und unvorhersehbar, erwartet und unerwartet. Die Palette an möglichen Krisen ist sehr breit. Gemein ist ihnen, dass ein Schaden entsteht, der – in einer Situation der Unsicherheit – Handlungsbedarf erfordert.
 

Sie sind Professor für Finance und forschen unter anderem zur Frage, welche Auswirkungen Krisen auf die Wirtschaft und den Finanzmarkt haben – beispielsweise mit welchen Strategien Unternehmen Krisen durchstehen. Können Sie Ihre Forschung näher erläutern?
Der Finanzmarkt ist eine Art Kristallkugel, mit der man in eine mögliche Zukunft blicken kann. Aktienkurse zum Beispiel entstehen dadurch, dass Investor*innen die bestmöglichen Schätzungen für die Entwicklungen unterschiedlicher Branchen und Unternehmen vornehmen und dann Aktien entsprechend handeln. Durch den Vergleich von Kursentwicklungen gibt es daher eine Art Frühwarnsystem. In der Coronakrise beispielsweise konnten wir sehr früh nachweisen, dass nicht nur die offensichtlich betroffenen Unternehmen wie Restaurants oder Hotels leiden würden, sondern dass der Markt antizipierte, dass schlecht finanzierte Unternehmen auch in Branchen, die gar nicht so stark von Corona betroffen waren, Schwierigkeiten haben würden. Das heisst, der Finanzmarkt warnte früh, dass die Gesundheitskrise sich in eine Wirtschafts- und Finanzkrise verwandeln könnte. Auf Basis solcher Erkenntnisse kann die Wirtschaftspolitik eingreifen.
 

Hat das Center seine Aufgaben bereits aufgenommen, und wie machen Sie es bekannt?
Ja. Wir haben in diesem Jahr bereits fünf Online-Events durchgeführt, sogenannte «Crisis Conference Calls», 45-minütige Gesprächsformate mit UZH-Expert*innen, die auf grosses öffentliches Interesse in der Schweiz, teilweise sogar bei internationalen Stakeholdern gestossen sind. Zum Beispiel haben wir Anfang Februar einen Anlass zum Thema Russland und Ukraine organisiert. Unsere erste Veranstaltung in Präsenz findet am kommenden Dienstag 22. November statt, ein interfakultärer Launch Event, der zur regen Diskussion mit UZH-Forscher*innen einlädt. (Anmeldung)
 

Für den kommenden Winter befürchtet man eine Energiekrise. Inwieweit kann das Center der UZH Unterstützung bieten?
Das Center fungiert als Ansprechpartner und wissenschaftliches Begleitgremium für die Mitglieder des Energiemangellagenmanagement der UZH. Auch bei diesem Thema gibt es komplexe Zusammenhänge zu beachten. Das Center kann als Sounding Board und auch als Ideenquelle für mögliche Initiativen auf Seiten der Universität dienen. Wir werden unser Engagement diesbezüglich in den nächsten Wochen und Monaten weiterentwickeln.
 

Welche längerfristigen Ziele verfolgt das Center?
Als akademischer Think Tank strebt das Center eine führende Rolle bei der Förderung interdisziplinärer Krisenforschung an. In diesem Zusammenhang prüfen wir aktuell auch potenzielle Zusammenarbeiten mit Unternehmen und Stiftungen. Zudem wollen wir verstärkt dazu beitragen, wissenschaftliches Know-How durch Lehre, Fort- und Weiterbildungen sowie den Einbezug der Öffentlichkeit durch Workshops, Webinare und Vortragsreihen zu verbreiten.

 

Weiterführende Informationen