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UZH News

Neues Kompetenzzentrum

Worte mit Wirkung

Das neue Kompetenzzentrum «Language & Medicine Zurich» schlägt eine Brücke zwischen Disziplinen und verbindet Grundlagenforschung mit klinischer Anwendung. Wir geben anhand zweier Beispiele Einblick in die innovative Zusammenarbeit zwischen Linguistik und Medizin an der UZH.
Marita Fuchs
arztkonsultation
Wie reden wir über körperliche und psychische Beschwerden? Wie drücken wir unsere Schmerzen aus? Das neu gegründete Kompetenzzentrum «Language and Medicine Zurich» widmet sich u.a. diesem vielschichtigen Thema. (Bild:istock/peopleimages)

 

Wie beschreibe ich in der Sprechstunde meine Kopfschmerzen? Welche Wirkung hat die Verwendung diagnostischer Begriffe in der Alltagssprache? Wie verändert sich eine Therapie, wenn die Kommunikation online stattfindet? Wie hängen Hören und Verstehen mit Demenz und Depression zusammen? Und wie kann man so eine komplexe subjektive Erfahrung wie eine Depression in Worte fassen?

Reden hilft

Worte haben Wirkung. Nirgends ist das vielleicht so unmittelbar ersichtlich wie in Psychiatrie und Psychotherapie. Und doch ist keinesfalls im Detail erforscht, wie überhaupt Erfahrungen wie Depression und Psychosen kommunikativ geteilt werden können, erst recht nicht ausserhalb des klinisch-therapeutischen Kontexts wie z.B. im Gespräch mit einem Arbeitgeber oder einer Arbeitgeberin. Es gibt keine probaten Kommunikationstipps, die wissenschaftlich untermauert wären, und allzu häufig liegt der Fokus der Forschung auf sprachlichen Defiziten statt kommunikativen Ressourcen. Hier setzt das Forschungsprojekt «Drüber reden! Aber wie?» des neuen Kompetenzzentrums Sprache und Medizin an.

Die Linguistin Yvonne Ilg und die Psychiaterin Anke Maatz untersuchen gemeinsam mit einer Expertin aus Erfahrung (Henrike Wiemer), wie das Reden über eine psychische Erkrankung gelingen kann. «Dazu zeichnen wir unterschiedliche Arten von Gesprächen auf. Mittels inhalts- und gesprächsanalytischer Methoden identifizieren wir kommunikative Strategien, die zur Lösung dieser sprachlichen Aufgabe genutzt werden können», sagt Anke Maatz, die als Medizinerin auch klinisch tätig ist. Wichtig ist den beiden Nachwuchsforscherinnen dabei auch der partizipative Ansatz: «Wir forschen nicht über die Menschen, sondern mit ihnen zusammen», sagt Yvonne Ilg.

Ein Dammbruch

«Drüber reden! Aber wie?» ist nur ein Beispiel für die neue enge Zusammenarbeit im Bereich Sprache und Medizin an der UZH. Mit der Gründung des Kompetenzzentrums «Language & Medicine Zurich» seien drängende Forschungsthemen an der interdisziplinären Schnittstelle zur Sprache gebracht worden, sagt Co-Leiter Johannes Kabatek, Romanistikprofessor an der UZH. «Es war wie ein Dammbruch». Tinnitus, Suizidalität, Schizophrenie oder Kopfschmerz, alles Themen, die sowohl sprachliche als auch medizinische Aspekte aufweisen.

Dazu bergen gesellschaftliche Entwicklungen wie Digitalisierung, Migration und Mehrsprachigkeit auch in der Medizin grosse kommunikative, aber auch juristische Herausforderungen, die nur in der interdisziplinären Zusammenarbeit bewältigt werden können. «Zentral ist dabei die Verbindung von aktueller Forschung und klinischer Praxis, und zwar in beiden Richtungen», so Kabatek.

Die UZH habe beste Bedingungen für die wissenschaftliche Klärung solcher Zusammenhänge, denn sowohl die Linguistik als auch die Medizin und Rechtswissenschaft sind an der UZH stark. Zudem bietet das neue sprachlinguistische Labor (LiRILab) Forschenden eine topmoderne Infrastruktur, um neueste experimentelle sprachbezogene Forschung durchzuführen.

Das Team des neuen Kompetenzzentrums: Nathalie Giroud, Johannes Kabatek, Anke Maatz und Yvonne Ilg (v.l.n.r.)

Das Gehör verstehen

Ein zweites Projekt das hier vorgestellt werden soll, betrifft das Ohr. Dieses faszinierende Organ ist in der Lage, das Chaos unserer akustischen Umwelt so aufzubereiten, dass unser Gehirn etwas Sinnvolles damit anfangen kann. Der Verlust von Hörfähigkeit hat dagegen weitreichende Konsequenzen, denn es gibt einen Zusammenhang zwischen geistiger Fitness und Hören. «Das wichtigste Organ beim Hören ist nicht das Ohr, sondern das Gehirn», sagt Nathalie Giroud.

Mit ihrer Forschungsgruppe untersucht die UZH-Neurowissenschaftlerin und Co-Leiterin des neuen Zentrums den Zusammenhang von Demenz und Schwerhörigkeit. Fehlende akustische Reize können die Entstehung einer Demenz begünstigen oder den Verlauf beschleunigen, erklärt Giroud. «Wir hoffen, Lösungen zu finden, wie wir der Demenz vorbeugen können, und zwar über die Nutzung von Hörgeräten hinaus».

Konkret untersucht Giroud mit Hilfe von bildgebenden Verfahren die neuronalen Prozesse, die sich im Gehirn abspielen und zwar in Echtzeit. Sie arbeitet dabei mit Menschen, die eine Alzheimer-Diagnose haben oder bei denen das Risiko besteht, an Alzheimer zu erkranken. Die Ergebnisse werden wichtige Erkenntnisse zu grundlegenden wissenschaftlichen Fragen über die Neurobiologie des Alterns und die Neurobiologie der Sprache liefern.