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Onkologie

Kinder von Krebs heilen

Ana Guerreiro Stücklin behandelt am Kinderspital Zürich Kinder und Jugendliche. Sie will Hirntumoren mit neuen Therapien bekämpfen.
Thomas Gull
Ana Guerreiro Stücklin: «Die Überlebenschancen bei Hirntumoren haben sich zwar verbessert, aber nicht so markant wie bei anderen Kinderkrebserkrankungen wie Leukämie oder Nierentumoren.»

 

«Viel zu viele Kinder sterben immer noch an Hirntumoren», sagt Onkologin Ana  Guerreiro Stücklin. Für sie ist klar: «Wir haben für zahlreiche Tumoren noch nicht die optimale Therapie gefunden.»

Genau daran arbeitet die 40-Jährige jeden Tag: an der bestmöglichen Therapie für ihre jungen Patientinnen und Patienten. Sie tut dies im Universitäts-Kinderspital, wo sie als Ärztin kranke Kinder und Jugendliche mit Hirntumoren betreut. Dabei wird mit Kombinationen von chirurgischen Eingriffen, Chemo- oder Radiotherapie gearbeitet und in ausgewählten Fällen auch mit experimentellen Behandlungen. Ziel ist es, das Wachstum des Tumors zu hemmen oder gar zu stoppen.

Häufige Krebserkrankung

Das Problem dabei:  Tumoren sind biologisch sehr unterschiedlich und sprechen deshalb nicht gleich gut auf die Therapien an. Mittlerweile sterben weniger Kinder an Hirntumoren als noch vor zwanzig Jahren, aber es sind immer noch 20 bis 30 Prozent der Erkrankten.

«Die Überlebenschancen haben sich zwar verbessert», sagt Ana Guerreiro Stücklin dazu, «aber nicht so markant wie bei anderen Kinderkrebserkrankungen wie Leukämie oder Nierentumoren.» Hirntumoren sind die zweithäufigsten Krebs­erkrankungen bei Kindern nach den Leukämien, und es sterben heute mehr Kinder an Hirntumoren als an Blutkrebs.

Komplexe Biologie

Jene, die überleben, müssen oft mit Beeinträchtigungen und später auftretenden Erkrankungen leben lernen. Dazu gehören etwa kognitive Entwicklungsstörungen, Fertilitätsstörungen oder spätere Krebserkrankungen.

Die Ärztin kennt die Wirkungen, die Nebenwirkungen und auch die Grenzen der gängigen Therapien aus erster Hand. Sie sieht an ihren jungen Patientinnen und Patienten, was funktioniert und was nicht. Gleichzeitig forscht sie im Labor daran, die Grundlagen zu schaffen, um diese Therapien zu verbessern. Dazu muss sie besser verstehen, wie die Tumoren entstehen und weshalb sie wachsen.

Dank der grossen Fortschritte in der Genomik können Krebszellen immer besser charakterisiert werden. «Doch», sagt Guerreiro Stücklin, «wir sehen auch, dass Tumoren, die früher unter einem Namen klassifiziert wurden, sich sehr stark unterscheiden können in Biologie und klinischem Verlauf.» Und die Krebsforscherin fügt hinzu: «Die Biologie ist so komplex – wenn wir eine Antwort finden, öffnen wir damit eine Türe, hinter der sich wieder neue Fragen zeigen.»

Gefährliche Genfusionen

Ana Guerreiro Stücklin hat im Rahmen ihrer internationalen Zusammenarbeit eine solche Erfahrung gemacht. Ihre Kolleginnen und Kollegen und sie haben herausgefunden, dass eine Art von Hirntumoren bei Säuglingen und Kleinkindern durch Genfusionen entsteht. Diese Genfusionen führen zu einem abnormalen Protein mit einer Überfunktion. Dieses Protein treibt dann das Zellwachstum an und es entstehen Krebszellen.

«Wenn wir diesen Mechanismus verstehen», erklärt Guerreiro Stücklin, «können wir die Krebszellen gezielt bekämpfen.» Die positive Nachricht dabei ist, dass es Anzeichen gibt, dass solche Genfusionen sehr gut auf gezielte Therapie ansprechen.

Den Krebs in die Zange nehmen

Die Kinderärztin nimmt den Krebs gewissermassen in die Zange: Einerseits will sie ihn besser verstehen, andererseits mit diesem Wissen gezielter bekämpfen. Die Basis für dieses anspruchsvolle Unterfangen hat sie mit dem MD-PhD- Studium an der UZH gelegt, ein Zweitstudium, das medizinisches mit naturwissenschaftlichem Wissen verknüpft. Von dort führte der Weg ans Universitäts-Kinderspital Zürich und dann ans Hospital for Sick Children der Universität Toronto.

Seit zwei Jahren ist sie zurück am Universitäts-Kinderspital Zürich und baut hier dank einem ­Eccellenza Fellowship des SNF ihre ­eigene Forschungsgruppe auf. 2020 hat Ana Guerreiro Stücklin zudem ein Fellowship des FAN, des Fonds zur Förderung des akademischen Nachwuchses der UZH, erhalten.

Motiviert durch die Kraft der Kinder

Die Motivation für die Arbeit holt sie sich in der Klinik. «Im Alltag merke ich, wie wichtig die Forschung ist», erzählt sie, «oft fragen die Eltern: Kann man nicht noch etwas anderes machen?» Und mit den Kindern zu arbeiten, sei wunderbar.

«Bei allen Problemen und Kämpfen, die sie haben, bin ich immer wieder beeindruckt von der Kraft dieser Kinder, wie sie es schaffen, trotzdem so viel wie möglich vom Leben zu haben, ihre Neugier walten zu lassen und eine Leichtigkeit in den Alltag mitzubringen.»

Mit den Kindern und ihren Familien entstehen langfristige Beziehungen. «Wir begleiten die Kinder ein Leben lang. Das ist bewegend und bereichernd», sagt Ana Guerreiro Stücklin. Die Langzeitbetreuung dient dazu, allfällige negative Folgen der Therapie oder Rückfälle möglichst früh zu erkennen. Und oft brauchen die Kinder und Jugendlichen Unterstützung bei der Integration in die Schule oder später ins Berufsleben.

Noch keine «Zauberkugel»

Selbst wenn der Krebs besiegt wird, hinterlässt er seine Spuren – im Körper der Kinder und im späteren Leben. Das hat auch damit zu tun, dass die Chemotherapien heute noch zu wenig spezifisch sind. Die «magic bullet», die Zauberkugel, die die Krankheit gewissermassen ins Herz trifft, gibt es (noch) nicht. Von ihr träumte bereits der deutsche Arzt und Nobelpreisträger Paul Ehrlich, der den Begriff vor mehr als hundert Jahren prägte und mit der Aufforderung verband: «Wir müssen chemisch zielen lernen.»

Besser chemisch zielen und dann auch treffen will Ana Guerreiro Stücklin. Denn: «Es gibt viele Medikamente, die die unterschiedlichsten Proteine hemmen.» Welche wie wirken und wo sie am effizientesten eingesetzt werden, will die Onkologin herausfinden. Dazu wird sie Eigenschaften brauchen, die sie selber für unverzichtbar hält: Geduld, Ausdauer – «manchmal muss man gehen und manchmal rennen» ­– und vor allem: Optimismus.

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