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Verspielt und fokussiert

Der Jazzmusiker und Komponist Nik Bärtsch hat nach seiner Ausbildung als Musiker Literaturwissenschaften und Philosophie an der Universität Zürich studiert. Im Porträt blickt er auf seine Studienzeit an der UZH zurück.
Stefan Stöcklin

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Jazzpianist Nik Bärtsch hat einen eindringlichen Sound kreiert, der mal meditativ, mal funkig daherkommt. (Illustration: Markus Roost)

 

In normalen Zeiten ist Jazzmusiker Nik Bärtsch unterwegs. Sankt Petersburg, New York oder Nijmegen – dies eine kleine Auswahl klingender Konzertorte des umtriebigen Jazzpianisten aus dem Jahr 2019. Mit seinen Gruppen Ronin und Mobile absolviert der Bandleader normalerweise Auftritte weltweit und natürlich in seiner Heimatstadt Zürich und der ganzen Schweiz. «So um die 60 internationale Konzerte im Jahr dürften es sein», schätzt Bärtsch, und dabei hat er die regelmässigen Montagskonzerte im Zürcher Klub Exil, den er mitgegründet hat, noch nicht einmal mitgezählt.

Corona bringt Schreibzeit

Doch zurzeit ist nichts normal. Statt im Konzertsaal trifft man Bärtsch per Zoom hinter seinem Arbeitstisch zu Hause. Ein schwarzer Flügel dominiert den Raum, auf einem Elektropiano stapeln sich Notenblätter – hier wird offensichtlich gearbeitet. Die Corona-Pandemie zwingt den Musiker und Komponisten ins Homeoffice, wobei der Vater dreier Töchter der Situation auch eine positive Seite abgewinnen kann. So kann er sich mehr als üblich der Familie widmen, komponieren – und schreiben: «Ich komme endlich dazu, meine Unterlagen der letzten Jahre zu ordnen», sagt Bärtsch. Genau gesagt schreibt der erfolgreiche Musiker an einem Buch über seine Ästhetik, das im Frühling publiziert werden soll. «Ich werde dieses Jahr 50 Jahre alt und denke, es ist der richtige Moment, durchzuatmen, meinen Werdegang bewusst auszuwerten und die Ergebnisse für nächste Projekte zu nutzen», sagt er.

Dass der Profimusiker gerne schreibt, hat mit seinem Studium an der UZH tun. 1998 begann Nik Bärtsch als diplomierter Pianist nach seinem Musikstudium an der Hochschule der Künste zusätzlich an der Universität Zürich Literaturwissenschaften, Philosophie und Musikwissenschaften zu studieren. Musikwissenschaften habe er vor allem der Stipendien wegen belegt, die zurückbezahlt seien, betont er. Was ihn wirklich interessiert habe, seien Sprachen und die Philosophie der Ästhetik gewesen. Bärtsch suchte an der Universität die intellektuelle Auseinandersetzung als Künstler: «Musik ist wie Sprache eine Form der Kommunikation und ich wollte mehr darüber aus der Linguistik und der Philosophie lernen.» In den Aufsätzen Adornos über Musik und Sprache, vor allem aber beim Sprachphilosophen Ludwig Wittgenstein fand der Musiker das Gesuchte.

Die Auseinandersetzung mit Wörtern, Phrasen und Sätzen und deren Bedeutung für die Kommunikation hat Bärtsch fasziniert und seine Musik bereichert. «Sprache und Musik sind sich strukturell sehr nahe», stellt der Komponist fest. Wie in der Musik lässt sich mit Wörtern und ihren Bedeutungen spielen; die theoretischen Analysen zur Sprache erleichtern die Umsetzung seiner ästhetischen Ideen in musikalische Noten. Nicht zuletzt habe er an der Universität auch gelernt, logisch(er) zu denken und genau zu argumentieren, was ihm in der Gruppe helfe: «Dank dem Wissen kann ich meine musikalischen Vorstellungen besser verbalisieren und mit meinen Bandmitgliedern teilen.»

Theorie und Praxis

Im Rückblick bezeichnet Bärtsch die drei Studienjahre an der UZH als «ungeheuer wichtig und bereichernd». Doch nach den Zwischenprüfungen musste er sich entscheiden, wie er seine Energie und Zeit weiter einsetzen wollte. Das bedeutete den Abschied von der Universität und somit die Fokussierung auf die Musik. «Man kann sich nicht gleichzeitig in der Musikwelt durchsetzen und den Doktor machen», sagt er lakonisch. Und treu seiner Devise, die Dinge zusammenzubringen, konzipierte er im Anschluss an die Unijahre einen Kurs zur «Praktischen Ästhetik» an der damaligen Musikhochschule Winterthur Zürich. Wiederum ging es wie schon an der Universität darum, musikalische Praxis und theoretische Auseinandersetzung zu verbinden.

Parallel dazu arbeitete er an seinem eigenen Stil und gründete 2001 zusammen mit Musikerkollegen das Zen-Funk-Quartett Ronin. Darin verschmelzen Elemente aus Funk, Jazz, Klassik und Ritualmusik zu einer eigenen Klangwelt, die den Geschmack vieler Musikliebhaber und -liebhaberinnen trifft. Bärtsch ist dank dieser Formation, die er als Bandleader führt, zu einem der erfolgreichsten Jazzmusiker der Schweiz avanciert und hat 2019 den Kunstpreis der Stadt Zürich erhalten. Das letzte Album «Awase» ist 2018 beim renommierten Label ECM erschienen, für das er seit 2005 exklusiv aufnimmt.

Leidenschaft für Zenbuddhismus

Ronin, Awase – die Begriffe stammen aus dem japanischen Kampfsport und verweisen auf ein weiteres Herzensanliegen des Musikers und Linguisten: den japanischen Zenbuddhismus. Auch diese Leidenschaft reicht Jahrzehnte zurück: Vor gut 30 Jahren begann er zu meditieren und konnte die Technik dank einem Werkjahr der Stadt Zürich in Japan 2003/04 vertiefen. Dort beschäftigte er sich mit Koans, japanischen Zentexten, die oft widersprüchlich und verspielt daherkommen, ähnlich wie Wittgensteins Sätze. Seit vielen Jahren trainiert Nik Bärtsch auch die Kampfkunst Aikido und hat dank jahrelangem Üben den 3. Grad (3. Dan) erreicht.

Der Umstand, dass er sich meist in weit geschnittenen schwarzen Hosen und Pullovern kleidet, verstärkt zusammen mit dem kahlen Kopf den Eindruck eines Zenmeisters. Als solchen sieht er sich allerdings nicht, die Kleider stammen von der (verstorbenen) Modedesignerin Christa de Carouge. Vielmehr rückt die Vorliebe für Schwarz sein Motto der Fokussierung ins Zentrum. So, wie die buddhistische Glücksfarbe den Blick zentriert und von Äusserlichkeiten ablenkt, will sich Nik Bärtsch auf die wesentlichen Dinge im Leben konzentrieren: die Musik, seine Familie – und immer offen bleiben für Neues.

Das Porträt von Nik Bärtsch ist im Journal 1/2021 erschienen.