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Alterumswissenschaften

Migration bewegt

Mit der Podiumsdiskussion «Was alle bewegt – Zur heutigen Debatte über Migration», schloss das ZAZH – Zentrum Altertumswissenschaften Zürich diese Woche seine erste öffentliche Ringvorlesung ab: Mit einem Brückenschlag von der Antike zur Gegenwart.
Maja Schaffner
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion (v.l.n.r.): Andreas Victor Walser, Professor am Historischen Seminar der UZH, Doris Fiala, Nationalrätin, Susan Thieme, Professorin am Geographischen Institut der Universität Bern, Christian Wenaweser, Botschafter des Fürstentums Liechtenstein bei der UNO, New York, Daniel Binswanger, Journalist bei der Republik, Sitta von Reden, Professorin am Seminar für Alte Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.


Menschen waren schon immer unterwegs. Schriftliche Quellen, archäologische Funde und auch genetische Analysen belegen das. Doch gewöhnt hat sich die Menschheit offenbar bis heute nicht daran: Wanderbewegungen fremder Menschen lösen Angst und Abwehr aus. Bei der Podiumsdiskussion «Was alle bewegt – Zur heutigen Debatte über Migration» überwogen allerdings Interesse und Neugier: Trotz des überaus verregneten Tages war die Veranstaltung gut besucht.

Zur interdisziplinären Diskussion trafen sich Vertreter aus Medien, Politik und Wissenschaft: Es diskutierten Daniel Binswanger, Journalist bei der Republik, Doris Fiala, Nationalrätin und Präsidentin der Kommission für Migration, Flüchtlingswesen und Vertriebene im Europarat, Sitta von Reden, Professorin am Seminar für Alte Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Susan Thieme, Professorin am Geographischen Institut der Universität Bern und Christian Wenaweser, Botschafter des Fürstentums Liechtenstein bei der UNO, New York. Moderiert wurde der Anlass von Andreas Victor Walser, Professor am Historischen Seminar der Universität Zürich. Der interdisziplinär zusammengesetzten Runde entsprechend trafen auf dem Podium ganz unterschiedliche Sichtweisen zur Migration aufeinander.

Vielfältige Blickwinkel

Die Teilnehmenden, die sich beruflich alle mit Migrationsfragen auseinandersetzen, gaben einen Einblick in ihre Tätigkeit und die Perspektive, aus der sie Migration betrachten. Spannend war beispielsweise, was Sitta von Reden, einzige mitdiskutierende Historikerin in der Runde, aus ihrem Fachgebiet zu berichten hatte. So sei im Altertum die Kluft zwischen fremd und eigen weniger gross gewesen als heute. Andere Grenzen, wie die zwischen Mann und Frau, Freien und Unfreien, hätten anscheinend mehr Bedeutung gehabt. Auch habe sich der Polytheismus eher positiv auf das Zusammenleben verschiedener Kulturen ausgewirkt: Bräuche, Rituale und auch Götter seien, sofern das sinnvoll erschien, einfach übernommen und integriert worden – etwas, das bei monotheistischen Religionen offenbar weniger gut funktioniert.

Susan Thieme, die über Bildungs- und Arbeitsmigration forscht, brachte das Thema Mobilitätsungerechtigkeit ein. Sie zeigte auf, wie ungleich viel Bewegungsfreiheit Menschen verschiedener Kulturen heute haben: Bewohner und Bewohnerinnen westlicher Länder können heute unkompliziert und rasch an fast jeden Ort der Erde gelangen. Gerade Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Ambitionen auf eine akademische Karriere sind sogar fast zur Migration gezwungen. Bewohner weniger privilegierter Erdteile dagegen sind in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt oder werden sogar aktiv daran gehindert, ihre Heimat zu verlassen.

Faktor Mensch

Thieme betonte, dass es bei der Migration um Menschen gehe: Oft um Menschen mit Beruf und Familie; Menschen, die teilweise ihre Familien zurücklassen, vor allem Alte und Kinder; Menschen, die ihr Glück in der Fremde suchen und von dort Geld nach Hause schicken.  

Doris Fiala, Nationalrätin, betrachtet Migration aus einer etwas andere Perspektive. Für sie als Politikerin ist stets auch das Befinden der Bürgerinnen und Bürger relevant – vor allem auch derer, die sich von Migrantinnen und Migranten bedroht fühlen. Fiala ist es wichtig, auch Ängste, die mit Einwanderung verbunden sind, ernst zu nehmen – selbst wenn diese teilweise irrational sind. Sie warnte in diesem Zusammenhang vor intellektueller Arroganz.

Stimmungsmachende Medien

Auch die Rolle der Medien kam zur Sprache: Kritisiert wurde, dass diese im Allgemeinen eher negativ über Migration berichten und positive Effekte ausblenden und damit auch die Stimmung der Bevölkerung negativ beeinflussen. Dem stimmte Daniel Binswanger, Redakteur bei der Republik, zu. Er sprach von Skandalisierung und ortete durchaus Verbesserungspotential.

Wiederholt wurde der Wunsch geäussert, die öffentliche Debatte über Migration sollte rational und faktenbasiert geführt werden. Das betonte insbesondere Christian Wenaweser mehrmals. Der Botschafter des Fürstentums Lichtenstein bei der UNO in New York war an den Verhandlungen am Migrationspakt der UNO beteiligt. Für ihn ist Mobilität ganz einfach Teil des Lebens und wichtig für die Wirtschaft. Die Herausforderung besteht für ihn darin, Mobilität und Migration so zu gestalten, dass alle gewinnen.

Alles in allem machte die Podiumsdiskussion sichtbar, wie vielschichtig, kontrovers, aber auch äusserst spannend die Auseinandersetzung mit Migration sich heute gestaltet. Klar wurde aber auch, dass Migration wie schon in der Antike auch in der Gegenwart eine grosse Herausforderung für die Menschheit darstellt.