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Horten-Zentrum

Wenn der Rücken schmerzt

Ein verengter Rückenwirbelkanal verursacht Schmerzen und kann nur operativ behandelt werden. Doch lange nicht alle Operationen sind erfolgreich. In einer aktuellen Studie des Horten-Zentrums der UZH wurde untersucht, in welchen Fällen ein Eingriff Linderung bringt.
Mit dem Leiter des Horten-Zentrums, Johann Steurer, sprach Roger Nickl
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«Patienten, die depressiv veranlagt und übergewichtig sind, haben deutlich geringere Aussichten auf eine erfolgreiche Operation», sagt der Leiter des Horten-Zentrums Johann Steurer.

 

Herr Steurer, Sie haben sich mit der Problematik von verengten Wirbelkanälen beschäftigt. Wie entstehen solche Verengungen?

Johann Steurer: Zum einen kann eine angeborene Störung die Ursache sein – das kommt aber sehr selten vor. Zum anderen handelt es sich um Abnützungserscheinungen, die dazu führen, dass die Bänder im Bereich des Rückenwirbelkanals dicker werden und sich an den Facettengelenken, die sich zwischen den Wirbelkörpern befinden, Wucherungen bilden – etwa Knochen, Knorpel. Dies führt zu einem verengten Wirbelkanal im unteren Teil des Rückens, dort wo die Belastung am grössten ist.

Was sind die Folgen eines verengten Wirbelkanals?

Die verdickten Bänder und die wuchernden Gelenkknorpel drücken auf das Rückenmark. Das hat zur Folge, dass Betroffene beim Gehen nach kürzerer oder längerer Zeit Schmerzen verspüren – typischer Weise zuerst im Gesäss, dann in den Oberschenkeln, ganz selten in den Unterschenkeln. Bleiben die Leute stehen, gehen die Schmerzen nach einer bestimmten Zeit wieder weg. In unserer Studie, die wir unter anderem mit der Universitätsklinik Balgrist und der Schulthess Klinik durchgeführt haben, haben wir rund 860 Patientinnen und Patienten untersucht. Einige Betroffene waren zwischen 50 und 55 – das Gros der Patienten ist aber zwischen 70 und 80 Jahre alt.

Die einzige, langfristig wirkungsvolle Behandlung von verengten Wirbelkanälen ist eine Operation, die die Verengungen wieder öffnet. Nun haben Sie in einer Studie untersucht, ob und wann ein Eingriff erfolgversprechend ist. Was war die Ausgangslage für die Studie?

Es war bekannt, dass eine Operation bei rund einem Drittel der Patienten keine Verbesserung bringt. Das ist natürlich unbefriedigend. Deshalb war es uns wichtig, Faktoren zu bestimmen, die man vor der Operation erheben kann. Sie sollen Anhaltspunkte dafür geben, ob eine Operation erfolgversprechend ist und zur Beschwerdefreiheit führen kann oder eben nicht. Wenn jemand nur noch 20 Meter gehen kann und eine einzige Einengung hat, liegt der Entscheid für eine Operation auf der Hand. Bei vielen Patienten ist die Ausgangslage aber nicht so klar. Oft leiden ältere Menschen an mehreren Verengungen des Wirbelkanals gleichzeitig. Leider wissen wir noch zu wenig darüber, welche dieser Verengungen für die Beschwerden zuständig sind. In dieser Beziehung Licht ins Dunkel zu bringen, ist eines der Ziele unserer künftigen Forschung.

Zu welcher Erkenntnis sind Sie nun in Ihrer Studie gekommen?

Klar gesehen haben wir, dass eine Operation bei Patienten mit nur einer Einengung und typischen Symptomen in den allermeisten Fällen erfolgreich ist. Deutlich wurde auch, dass Patienten mit mittelschweren Beschwerden, die depressiv veranlagt und übergewichtig sind, deutlich geringere Aussichten auf eine erfolgreiche Operation haben.

Weshalb ist das so?

Depressive nehmen wohl auch kleinere Beschwerden gravierender wahr als Nicht-Depressive. Die subjektive Wahrnehmung ist für den Erfolg einer Operation oft ein wichtiger Faktor.

Ziel des Horten-Zentrums, das Sie leiten, ist der Wissenstransfer von der Akademie in die Praxis. Wie können Ärzte und Patienten von Ihrer Studie profitieren?

Die Idee ist, dass wir, basierend auf dieser Studie, eine App oder etwas Ähnliches entwickeln. Das geplante Tool soll den Ärzten aufgrund von individuellen Patientendaten ermöglichen, die wahrscheinlichen Erfolgschancen einer Operation zu bestimmen. Diese Erfolgswahrscheinlichkeit muss der Arzt dann für den Patienten übersetzen und erklären und mit ihm diskutieren. Der gute und transparente Austausch zwischen Arzt und Patient ist essentiell für eine gute Medizin.

Das Horten-Zentrum wurde im Jahr 2000 gegründet: Wenn Sie auf die letzten 17 Jahre zurückblicken – was waren die grossen Themen, an denen Sie gearbeitet haben?

Der Hauptkanal des Wissenstransfers ist unsere Website, auf der wir wöchentlich zwei wissenschaftliche Publikationen kurz strukturiert zusammenfassen. Praktiker sollen so in zwei Minuten die essentiellen Informationen einer Studie aufnehmen können. Auf diesem Weg transportieren wir praxistaugliches Wissen in die Öffentlichkeit. Über 3000 Abonnenten erhalten regelmässig unseren Newsletter und unsere Zusammenfassungen.

Das Horten-Zentrum wird von der Helmut Horten Stiftung finanziell unterstützt. Wie wichtig sind solche Geldgeber für Wissenschaft und Forschung?

Sie sind sehr wichtig, weil sie die Entwicklung eines Forschungsgebiets über Jahre hinweg garantieren. Ein wichtiger Punkt ist dabei, dass die Ziele und Themen nicht zu strikte von der Stiftung vorgegeben werden und die Unabhängigkeit der Forschenden gegeben ist. Das ist bei uns zu hundert Prozent der Fall.

 

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