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Was sollen Germanistinnen und Germanisten lesen? Die Antwort ist: möglichst viel. Der Kern des Germanistikstudiums besteht aus Lesen. Doch das Lesen selbst will gelernt sein: Lesen im Studium ist ja weit mehr als blosser Genuss. Doch was, wenn die schiere Menge des Lesestoffs das Aufnahmevermögen zu übersteigen droht? Um diese Frage dreht sich eine Podiumsdiskussion am 4. November. Es ist eine von vielen Veranstaltungen zum Thema Motivation am Tag der Lehre. (siehe Box unten).
An der Podiumsdiskussion zum Thema «Lesemotivation und Studium» werden Vertreterinnen und Vertreter des Deutschen Seminars, Dozierende und Studierende, sowie eine Erziehungswissenschaftlerin teilnehmen. Ziel ist es, Probleme aufzuzeigen, Lösungsvorschläge zu entwerfen und im Hinblick auf Bologna 2020 die Richtlinien für das Studium zu verfeinern. Die Veranstaltung wird von Maximilian Benz, Oberassistent in der Abteilung für Ältere deutsche Literaturwissenschaft, moderiert.
Benz weiss aus eigener Lehrerfahrung, dass Studierende häufig an Lese-Grenzen stossen. Das liege in der Regel nicht an mangelnder Motivation, sondern eher an den durch das Bolognasystem vorgegeben Strukturen. So würden Leselisten für Seminare nicht mehr vor den Semesterferien verteilt, weil die Studierenden zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, ob sie tatsächlich das Seminar im kommenden Semester buchen können. «Die langen Semesterferien können dadurch nicht mehr für die ausgiebige und vertiefte Lektüre genutzt werden», bedauert Benz.
Vermehrter Prüfungsstress und das Lesen von Primär- und Sekundärliteratur für Seminare und Vorlesungen führe schnell einmal zu Überlastungen, vor allem dann, wenn im Bachelorstudium zusätzlich so genannte Leselisten bewältigt werden müssten. Anhand dieser Listen, die im Bereich der Neueren deutschen Literatur 52 Werke umfassen, erhalten die Studierenden einen Überblick über die Literaturgeschichte. Am Ende steht eine mündliche Prüfung. Hinzu kommt die Lektüreliste der Älteren deutschen Literatur. «Das Lesen eines mittelhochdeutschen Textes ist anspruchsvoll, es ist nicht nur Übersetzungsarbeit zu leisten, auch das Klanggebilde sollte erfasst werden», sagt Benz. Das bedeute, den Text auch einmal zu Hause laut zu lesen.
Leseleistungen zu bepunkten und abprüfbar zu machen sei die Quadratur des Kreises, stellt Benz fest, denn es schliesse die für ein Literauturstudium notwendige Kontemplation nicht mit ein. Deshalb müsse man sich überlegen, wie man die Zeit für die vertiefende Lektüre zurückgewinnen könne.
Dazu gibt es bereits Vorschläge: Im Zuge der anstehenden Studienreform Bologna 2020 könne man zum Beispiel zweisemestrige Module einführen, um den Spielraum zum Lesen zu vergrössern. Auch studentische Lesezirkel wirken motivierend, das Gelesene kann so in der Gruppe diskutiert werden. Eine weitere Idee wären so genannte Lesewochen: Die Idee dabei ist, eine Woche pro Semester exklusiv für die Lektüre zur Verfügung zu stellen.
Zusätzlich solle den Studierenden auch Zeit zur Verfügung gestellt werden, sich am literarischen Leben zu beteiligen, schlägt Benz vor. Ein guter Ansatz wäre die von Studierenden herausgegebene, halbjährlich erscheinende Literaturzeitschrift des Deutschen Seminars mit dem Titel «Denkbilder». Dass Interesse an der Zeitschrift besteht, habe eine gut besuchte Lesung in einem Café gezeigt.
Benz hofft, dass bei der kommenden Podiumsdiskussion weitere Anregungen, auch seitens der Studierenden, formuliert werden. Alle Vorschläge werden gesammelt und verschriftlicht, die Ergebnisse sollen der Seminarleitung vorgestellt werden.