Navigation auf uzh.ch
«Fussball war noch nie so populär wie heute», stellte Franck eingangs fest. So hätten schätzungsweise 50 Prozent der Weltbevölkerung das WM-Finalspiel von Spanien und den Niederlanden am 11. Juli 2010 gesehen. Und das Finale der Champions League 2013 in Wembley zwischen Bayern und Dortmund sei auf über 360 Millionen Zuschauer weltweit gekommen.
Entsprechend seien auch die Erlöse der europäischen Fussballclubs gestiegen, hielt Franck fest, der am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Universität Zürich den Lehrstuhl für Unternehmensführung und -politik leitet und ausserdem Mitglied des Club Financial Control Body der Uefa ist. Allein Erstligaclubs hätten in Europa im Jahr 2011 13,2 Milliarden Euro eingenommen.
«Trotz des Geldregens waren die professionellen Fussballclubs aber noch nie in einer schwierigeren finanziellen Situation», analysierte der Ökonom. Sechs von zehn professionellen Fussballclubs in Europa schlossen 2011 mit einem operativen Verlust ab. Bei vier von zehn überstiegen die Schulden sogar den Wert des Vermögens, das heisst, sie waren faktisch bankrott oder «Zombie-Clubs», wie Franck sie nannte.
Die Vortragsreihe zum ASVZ-Jubiläum will Verbindungen zwischen Sport und Wissenschaft aufzeigen, und so ging Franck auf die ökonomischen Mechanismen ein, die zu dieser paradoxen Situation führen. Der Grund für die steigenden Verluste im strömenden Geldregen sei schnell gefunden, sagte Franck: Während die Cluberlöse zwischen 2007 und 2011 um 24 Prozent anstiegen, seien die Kosten noch schneller hochgeschnellt, so hätten die Spielersaläre und Transferkosten um 43 Prozent zugenommen.
Angesichts der Finanzkrisen der Clubs implementiere die Uefa derzeit das Reglement «Financial Fairplay». Im Kern besteht es aus zwei Vorschriften. Die eine zwingt die Clubs dazu, offene Rechnungen gegenüber anderen Vereinen, Spielern, Sozialversicherungen und Steuerbehörden pünktlich zu begleichen. Die zweite verpflichtet dazu, die Einnahmen und Ausgaben auszubalancieren. Das heisst, die Clubs müssen die Spieler- und Transferkosten weitgehend aus ihren fussballbezogenen Erlösen finanzieren, also aus Zuschauer-, TV- und Werbeeinnahmen. Als Übergangsbestimmung darf ein Mäzen noch zwei Jahre lang eine Geldspritze von jeweils maximal 45 Millionen einschiessen, nachher ist Schluss.
Das Reglement wolle Anreize setzen, um das Verschwendungsproblem zu lösen, erklärte Franck. In der ökonomischen Lehre sind solche Überinvestitionen in Turniersituationen eine altbekannte Sache. Denn die Zahl der besten Spieler ist begrenzt, und wer diese Talente hat, vergrössert seine Chancen auf einen Sieg massiv – ergo steigen die Saläre und Transfersummen ins Unermessliche. Erfolg lässt sich weitgehend kaufen. «Natürlich liegt die Korrelation nicht bei 100 Prozent», so der Referent, doch Erstligauntersuchungen in Europa zeigten, dass die Clubs mit dem jeweils grössten Budget in 72 Prozent Meister oder mindestens Vizemeister wurden.
Weil sie sich nicht in «harte» Budgets zwingen müssen, geben die Clubs verschwenderisch Geld aus – schliesslich springt am Schluss immer irgendwer ein, sei es der Staat, der Steuern oder vereinbarte Stadionmieten nicht eintreibt, oder ein sogenannter «Sugar Daddy», der das Defizit ausgleicht, um sich damit öffentliche Anerkennung oder eine höhere Legitimität seiner Person zu sichern oder schlicht ein prestigeträchtiges «Spielzeug» zu leisten.
So schoss der russische Oligarch Roman Abramovich von 2003 bis 2012 bei Chelsea rund eine Milliarde Pfund ein, Scheich Mansour aus Abu Dhabi zwischen 2009 und 2012 etwa gleich viel bei Manchester City, während der italienische Öl-Tycoon Massimo Moratti bis 2012 Inter Mailand mit etwa einer halben Milliarde Euro unter die Arme griff. Franck: «Im Kern ist die Problematik vergleichbar mit der Too-big-to-fail-Frage in der Finanzindustrie.»
Das neue Uefa-Reglement zielt laut dem Referenten klar darauf ab, die bislang weichen Budgetbeschränkungen der Clubs «härter zu gestalten, um jene Fehlanreize zu beseitigen, die den europäischen Clubfussball in ein Zombierennen verwandelt haben». Die Zuschüsse von «Sugar Daddies» für Saläre und Transfers werden gedeckelt, doch Abramovich & Co. dürfen weiterhin unbegrenzt in Stadien, Nachwuchsförderung oder Fanprojekte investieren, um nachhaltige Einnahmen in der Zukunft zu generieren. «Gutes Management gewinnt damit für den sportlichen Erfolg der Teams an Bedeutung, was der Spannung im europäischen Fussball sicher nicht abträglich sein kann», schloss Franck seine Ausführungen.