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ERC Consolidator Grants

Global vernetzt dank EU-Förderung

Die Sprachforscherin Sabine Stoll ist eine von drei UZH-Forschenden, die mit einem ERC Consolidator Grant der Europäischen Union unterstützt wird. Sie hatte Glück, denn nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative können sich Schweizer Forschende zur Zeit nicht mehr um ERC Grants bewerben. An Stolls Forschungsprojekt wird deutlich, wie hoch die Reputation ist, die mit einem ERC Grant einhergeht. 
Marita Fuchs
Von Yukatekisch bis Chintang: Psycholinguistin Sabine Stoll erforscht anhand von zehn ganz unterschiedlichen Sprachen, wie Kinder reden lernen.

Kinder kommen mit einem offenen Ohr für alle Sprachen auf die Welt. Jeder von uns hatte als Kind die Fähigkeit, eine oder auch mehrere der etwa 7 000 Sprachen, die derzeit noch gesprochen werden, zu erlernen. Und selbst die verzweigtesten Strukturen und die ausgefeilteste Grammatik sind für die Kleinen kein unlösbares Problem. Leider verlieren wir diese Fähigkeit im Erwachsenenalter.

Doch wie genau eignen sich Kleinkinder Sprache an? Darüber weiss man bis heute wenig. Bisher galt die Annahme, dass ein angeborenes Sprachvermögen dafür verantwortlich ist. Inwiefern Kleinkinder von Beginn an Regeln bilden oder durch auswendig gelernte Muster generalisieren, wird derzeit unter Linguisten heftig diskutiert und ist nach wie vor nicht bekannt. Neuere Forschung legt nahe, dass allgemeine kognitive Fähigkeiten wie beispielsweise Mustererkennung, Imitation und Generalisierung den Spracherwerb erklären könnten.

Um das Zusammenspiel dieser Fähigkeiten zu ergründen, muss erforscht werden, wie Kinder möglichst unterschiedlicher Sprachen ihre Muttersprache erlernen. Genau daran arbeitet Sabine Stoll, Psycholinguistin an der Universität Zürich. «Ziel meines Projektes ist es, die universalen Prozesse nachzuzeichnen, die den Spracherwerb ermöglichen», sagt sie.

Hohes Renommee garantiert

Sabine Stoll hat Anfang dieses Jahres einen der begehrten ERC Consolidator Grants für ihre Sprachforschung erhalten. Mit den ihr zugesprochenen 2,5 Millionen Franken kann sie ihr Projekt vorantreiben. «Durch das hohe Renommee des ERC Consolidator Grant, sind alle meine Mitarbeitenden sehr motiviert», sagt Stoll. Das strenge Auswahlverfahren bei der Bewerbung für einen ERC Grant sei ein Garant für die Qualität eines Forschungsprojekts und werde in der Forschergemeinde allgemein anerkannt und geschätzt. Denn internationale Spitzenforscher bewerten die eingereichten Projekte und entscheiden über die Vergabe eines Grant. Stoll bedauert es sehr, dass die Schweiz vom europäischen Forschungsprogramm Horizon 2020 zumindest vorläufig ausgeschlossen ist, denn exzellente Forschung müsse sich an internationalen Standards messen.

Erforschung von Sprachen, die unterschiedlicher kaum sein könnten

Stoll ist als Forscherin auf hochspezialisierte Mitarbeiter angewiesen, die in ihren Kompetenzen einzigartig sind, da sowohl linguistische, mathematische, statistische und computerlinguistische Fähigkeiten Voraussetzung für die Spracherwerbsforschung sind. Konkret führen Sabine Stoll und ihr Team Langzeitstudien durch, die den Spracherwerb von Kindern vom zweiten bis zum vierten Lebensjahr dokumentieren. Und das anhand von zehn Sprachen, die in ihrer Grammatik maximal voneinander abweichen: Russisch, Japanisch, Türkisch, Yukatekisch (eine Mayasprache) und Inuktitut (eine Inuitsprache), Chintang (Nepal), Indonesisch, Sesotho (eine Bantusprache) und zwei indigene nordamerikanische Sprachen Kanadas. Sprachen, die unterschiedlicher kaum sein könnten.

International vernetzt

Die Kinder werden in verschiedenen Lebenssituationen und im Abstand von etwa einem Monat per Video aufgenommen. Sprache und Gestik des Kindes, aber auch der Personen, die mit ihm interagieren wie Eltern, Grosseltern, Geschwister, werden von den Forschern gefilmt. Anschliessend wird das Gesagte transkribiert, übersetzt und analysiert.

Mittels komplexer statistischer Methoden untersuchen die Forscher die Entwicklung der Kinder im Vergleich zu ihren Interaktionspartnern. In einer Metaanalyse werden dann die Ergebnisse der zehn Sprachstudien verglichen. Stoll ist bereits ziemlich weit mit der Datensammlung. Die Linguistin hat dazu ein grosses internationales Netzwerk von Spracherwerbsforschenden aufgebaut, die auf diese Sprachen spezialisiert sind. Nur für eine Sprache – eine bedrohte athabaskische Sprache in Kanada, die zu den komplexesten Sprachen der Welt zählt – muss noch ein Korpus aufgebaut werden.

Die Herkulesaufgabe des Aufbaus solch eines Korpus und die Analysen der zehn Sprachen, die auf die Linguistin und ihr Team noch wartet, sei nur mit einem längerfristig angelegten Forschungsprojekt möglich, bilanziert Stoll. Der ERC Grant biete dazu die beste Voraussetzung.

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