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Lange Zeit kümmerten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kaum um die Vermarktung ihrer Forschungsergebnisse. Die Arbeit im Labor und die Publikation neuer Ergebnisse genügten dem wissenschaftlichen Selbstverständnis. Diese Zeiten sind vorbei, wie der Brainbox-Event im Lichthof der Universität Zürich auf dem Irchel-Campus gezeigt hat. Auf Einladung von «Unitectra» fanden sich vor kurzem etliche Forscherinnen und Forscher ein, um sich über Möglichkeiten von Patenten und Lizenzen beraten zu lassen.
Die Technologietransfer-Organisation Unitectra (siehe Box) unterstützt die Forschenden der Universitäten Zürich, Bern und Basel bei der Umsetzung von Forschungsergebnissen in Produkte und Dienstleistungen. Guter Rat ist meistens nötig, denn der Weg von einer interessanten Entdeckung im Labor bis zum Patent ist eine juristisch komplizierte Aufgabe.
Die Gelegenheit für eine erste, unverbindliche Beratung auf dem Campus ergriff am Brainbox-Anlass auch die Molekularbiologin Anne Müller vom Institut für Molekulare Krebsforschung der UZH. Die Professorin hat zusammen mit ihrer Doktorandin Corina Schmid ein molekulares Kennzeichen bei Lymphomen entdeckt, eine Krebserkrankung, die von weissen Blutkörperchen ausgeht. Aus dem Befund könnte sich ein neuer Angriffspunkt für Therapien ergeben, hoffen die Forscherinnen.
«Wir klären gerade ab, ob sich die Entdeckung patentieren lässt», sagt Anne Müller, die sich zusammen mit ihrer Doktorandin in ein Gespräch mit Patrick Sticher vertieft hat. Der Technologietransfer-Manager klärt erste Punkte ab, dazu gehört, ob die Entdeckung wirklich neu und ob sie patentierbar ist. Gerade in der Molekularbiologie, wo es um lebende Moleküle und Zellen geht, ist diese Frage gar nicht so einfach zu beantworten.
Als Grundsatz gilt, dass die reine Entdeckung eines Moleküls nicht patentierbar ist, sondern eine erfinderische Tätigkeit damit verbunden sein muss. Wenn also ein Forscher ein Gen oder ein Protein entdeckt und daraus ein Diagnoseverfahren entwickelt, kann er diese Technik patentrechtlich schützen. Aber das isolierte Protein oder Gen an sich kann er nicht patentieren.
Anne Müller hat bereits mehrere Patentanträge eingereicht und Erfahrung auf dem Gebiet des Technologie-Transfers. «Mir geht es darum, aus unserer Forschung Nutzen zu generieren», sagt sie. Dabei spiele Geld keine Rolle. An erster Stelle steht der gesellschaftliche Nutzen ihrer Forschung, die mit öffentlichem Geld finanziert wird. Dank dem Patent lässt sich einfacher ein Investor finden, der bereit ist, daraus ein Produkt zu entwickeln. In einem günstigen Szenario könnte diese Erfindung die Behandlung von Lymphomen in Zukunft verbessern.
Eine der wichtigsten Botschaften von Unitectra an die Forschenden lautet Diskretion. Patentierbar sind nur neue, noch nicht publizierte Erfindungen. Wer vor einer Patentanmeldung an einem Meeting über seine Entdeckung spricht oder eine Zusammenfassung in einer Forschungsdatenbank speichert, kann später kein Patent mehr erhalten, weil der Befund bekannt ist.
Als Forscherin findet es Anne Müller besonders schwierig, diese Regel einzuhalten, denn «wir sprechen gerne über unsere neusten Daten.» Ist der Patentschutz einmal erteilt, lässt sich frisch und frei darüber reden, denn die Entdeckung ist nun für alle einsehbar. «Das Patent schützt die Rechte des Erfinders, dafür muss er seine Erfindung offenlegen», sagt Patrick Sticher.
Patente und Lizenzen sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Der Patentinhaber kann anderen Personen Lizenzen zur Nutzung seiner Erfindung geben oder das Patent verkaufen. Mehrere Forschende erkundigten sich bei den Experten von Unitectra über Lizenzrechte.
Jelena Curcic zum Beispiel vom Institut für Biomedizinische Technik der UZH und ETH Zürich beschäftigt sich mit Magen-Darm-Untersuchungen. Sie arbeitet an neuer Software und braucht für eine Spin-off-Firma Lizenzen einer Technologie der UZH. Ähnlich ist das Anliegen des Technologie-Beauftragten Vinko Tosevski. Im Zusammenhang mit automatisierten Zelluntersuchungen klärt er ebenfalls Lizenzvereinbarungen mit der UZH ab. Gemeinsam ist den Ratsuchenden, dass sie nur sehr allgemein über ihre Projekte sprechen. Wie gesagt: Diskretion das A und O und hat zur Folge, dass man in der Öffentlichkeit gerade nicht über die näheren Details eines Patentes spricht.
Für die Universität Zürich ist der Technologietransfer ein wichtiger Pfeiler geworden. Die Hochschule hat 2013 beim Europäischen Patentamt 44 Patente angemeldet und hunderte von Forschungskooperationen mit der Industrie abgeschlossen. Keine Schweizer Hochschule ist diesbezüglich so erfolgreich. Für Unitectra-Leiter Herbert Reutimann liegen die Gründe einerseits in der erfolgreichen Forschung, andrerseits in der Forschungskultur der UZH.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sozusagen immer die Frage im Hinterkopf, was sich mit den Ergebnissen anstellen liesse. «Beides ist für einen erfolgreichen Technologie-Transfer nötig», sagt Reutimann. Durchschnittlich alle zehn Tage schliesst Unitectra für die UZH einen neuen Lizenzvertrag mit einer Firma ab. Und im Schnitt alle zwei Monate gründen Forschende eine Spin-off Firma und kommerzialisieren Forschungsergebnisse aus der UZH.
Zum erfolgreichen Entrepreneur ist so der UZH-Forscher Dominik Escher geworden, der 1998 die Firma «Esbatech» mitgegründet hat. Basierend auf Antikörper-Fragmenten entwickelte die Biotech-Firma erfolgreiche Anwendungen zur Entwicklung neuer Therapeutika. 2009 wurde Esbatech von der Opthalmologie-Firma Alcon gekauft, die später selbst von Novartis übernommen wurde. Dominik Escher leitet die Firma Esbatech noch immer und arbeitet am Firmensitz am UZH-Standort in Schlieren. Für seinen langen Atem, der mit der Firmengründung vor 16 Jahren begann und bis heute andauert, erntete er im Lichthof viel Applaus.