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Science Slam

Ameisen als politische Vorbilder

Junge Forschende präsentierten am «Falling Walls Lab» ihre innovativen Arbeiten einer Jury. Der Knackpunkt: Sie hatten für ihre Präsentation nur drei Minuten Zeit. Der Sieger darf seine Idee nun Anfang November in Berlin vorstellen.
Claudio Zemp

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Humorvoller Dreiminuten-Auftritt am Falling Walls Lab: Die Biologin Adria LeBoeuf erklärt, was Ameisen den Menschen voraus haben. (Bild: Claudio Zemp)

Man kennt den «Pitch» aus der Werbebranche: Du hast im Lift genau zehn Sekunden Zeit, um den Big Boss von deiner weltbewegenden Idee zu überzeugen. Aber was hat das mit Wissenschaft zu tun? Das Format Falling Walls Lab schlägt die Brücke zwischen Forschung und Marketing. Am Science Slam erhalten Wissenschaftler Gelegenheit, eine interdisziplinäre Jury vom Potenzial ihrer Arbeit zu überzeugen.

Die dreizehn jungen Forschenden, die auf die Bühne des Miller’s Studio traten, hatten dazu genau drei Minuten Zeit. Das ist nicht viel, wenn es darum geht, Lösungen vorzustellen, die die Welt verändern sollen. Das Motto des englischsprachigen Abends war: «Breaking the walls.» Welches Forschungsprojekt verspricht eine bahnbrechende Innovation? Ein gutes Training für kluge Köpfe, um pointiert zu erklären, woran sie forschen.

Mit dem Kopf durch die Wand

Die Teilnehmenden unterschiedlichster Nationalität reisten aus der ganzen Schweiz an und gingen die Herausforderung mutig an. Mit dem Kopf voran ist nicht die schlechteste Strategie, wenn man eine Wand zum Einstürzen bringen will.

Das Timing ist die erste Challenge. Der letzte Teilnehmer der Österreicher Richard Ettl wurde just vom Gong gestoppt, als er zur Schlussfolgerung ansetzte. Ettls Idee ist aber schon ausgereift: Er arbeitet daran, einen globalen Direktvertrieb à la Amazon für Medikamente aufzubauen. Der Betriebswirtschaftler Ettl hat den Schritt zum CEO seines Startups SkyCell hinter sich. Ein Weg, von dem einige der unternehmerischen Forschenden träumen.

Manche entschlossen sich auch ganz spontan zur Teilnahme und nutzen die Veranstaltung als Übungsplattform. Torben Halbe zum Beispiel, Biologe am Universitäts-Spital Zürich, präsentierte eine ausgefuchste Software, die beim Lesen mit einer «Google-Brille» Zusatzinfos einblenden soll, welche der Leser selber steuern kann. «Und was bringen mir diese Pop-ups beim Lesen?», fragte ein Jurymitglied skeptisch. Halbe räumte ein, dass seine Präsentation mehr Spielerei war, um das Anwendungspotenzial der Idee zu testen. Ein Prototyp, auf dem die Software läuft, müsste erst noch gebaut werden.

Wenn Ameisen küssen

Die Amerikanerin Adria LeBoeuf präsentierte eine Idee von gesellschaftlicher Sprengkraft. Die promovierte Biologin lebt in der Romandie und reisst systematisch Grenzen ein. So betreibt LeBoeuf etwa ein Wissenschaftstheater, in dem sie zwei ihrer  Leidenschaften vereint. Und sie erforscht die Partikel, die Menschen beim Küssen austauschen.

Auch Ameisen pflegen den Austausch von Körperflüssigkeiten. «Was können wir von den Ameisen in politischer Organisation lernen?», fragte LeBoeuf, und gab gleich eine Antwort. Das demokratische Prinzip der Ameisen würde die Migrationsfrage anders als bei den Menschen handhaben: «Im Ameisenstaat hätten die Stimmen jener Ameisen mehr Gewicht, die am meisten mit Migranten zu tun hätten.»

Bestechende Ideen

Die Aufgabe war nicht für alle Forschenden gleich schwierig. Küssende Ameisen funktionieren als Metaphern für Laien besser als komplexe Grafiken von multiplen Ebenen. Einfache Ideen sind oft bestechend. Erfrischend etwa das Konzept des Ingenieurs Krish Sankaran, der einen Algorithmus zur unabhängigen Bewertung der Information präsentierte. Wenn diese Mauer einstürzen würde, könnten wir der Infoflut des Werbe-Monopolisten Google entkommen. Die Jury fragte nach, ob ein weiterer Algorithmus wirklich ein probates Mittel gegen die Beliebigkeit der Information im Internet sei.

Sieger des Abends

Grosser Gewinner des Abends war Mattias Ivarsson. Er überzeugte das Publikum ebenso wie die Jury und gewann gleich beide Preise. Ivarsson forscht an einem Schrecken aller Spitäler: Der «Superbug» C. difficile tritt dort auf, wo Antibiotika eingesetzt werden. Bisher wird das Bakterium vor allem mit noch mehr Antibiotika bekämpft.

Ivarsson hat nun ein Molekül entwickelt (und patentiert), das bereits an Mäusen getestet wird. Es schafft, woran Armeen von Antibiotika scheiterten: Den «schwierigen Käfer» zu bändigen. Ivarsson startet nächstens die Pioneer Fellowship an der ETH. Im November darf er nach Berlin fliegen und seine Idee dort nochmals vorstellen. Der Schweiz-Schwedische Doppelbürger freut sich auf den Austausch mit anderen Mauerstürmern aus der ganzen Welt.