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Antrittsvorlesung

Das Gehirn im Spiegel

Die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich nutzt Magnetresonanztomographie, um Patienten live ihren Therapiefortschritt aufzuzeigen. Die Psychiaterin Annette Brühl hat in ihrer Antrittsvorlesung gezeigt, wie solche Neurofeedbacks Psychotherapien positiv unterstützen können.
Melanie Keim
Oberärztin Annette Brühl: «Das wissenschaftliche, objektive Feedback kann motivierend wirken, die Psychotherapie weiterzuführen.»

Erinnern Sie sich an Mr. Spock aus der TV-Serie «Star Trek»? Der wissenschaftliche Offizier an Bord des Raumschiffs Enterprise strebt das Ideal eines rein rationalen Subjekts an und versucht seine «unnützen» Gefühle zu unterdrücken. Diese Zweiteilung bildet sich auch in unserem Gehirn ab: Das ventrale System ist für die Produktion affektiver Zustände wie Emotionen zuständig, während das dorsale System als sein Gegenspieler diese Zustände reguliert.

Zeichen zur Flucht

Anders als Mr. Spock betonte Annette Brühl am Montag an ihrer Antrittsvorlesung allerdings: «Gefühle sind das Salz des Lebens.» Für die Oberärztin an der Klinik für Soziale Psychiatrie und Allgemeinpsychiatrie an der der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK) machen Emotionen unser Leben nicht nur interessanter, farbiger und lebenswerter – sie sind auch lebensnotwendig. So kann ein angstverzerrtes Gesicht des Gegenübers etwa unser Leben retten, indem es auf eine Gefahr hinweist, vor der es zu flüchten gilt.

Ungefährliches Raubtier

Ebenso wichtig wie Emotionen ist aber auch unsere Fähigkeit, sie den Umständen entsprechend zu regulieren. Betrachtet man beispielsweise ein gefährliches Raubtier in einem Käfig, verhindert das dorsale System in der Regel Angstgefühle. Die Emotionen werden den sicheren Umständen entsprechend – das Raubtier ist in einem Käfig – reguliert.

Bei manchen psychischen Erkrankungen funktioniert dieser Regulierungsmechanismus allerdings nur beschränkt. So können beispielsweise bei Patientinnen und Patienten mit sozialen Angststörungen oder Depressionen unbegründete Angstgefühle vom dorsalen System nicht mehr ausreichend reguliert werden.

Im Rahmen einer Psychotherapie gilt es folglich, dieses Gleichgewicht wieder herzustellen, indem Strategien zur Emotionsregulation eingeübt werden. Allerdings ist es oft nicht einfach, die individuell passende Strategie zu finden. Zudem zeigen sich Fortschritte oft erst mit der Zeit.

Therapieerfolg sehen

Die Arbeitsgruppe Psychiatrische Bildgebung der PUK, der Annette Brühl angehört, ging deshalb der Frage nach, ob Neurofeedbacks den Erfolg einer Strategie messen, direkt ersichtlich machen und dadurch den Therapieerfolg erhöhen könnten.

In ersten Studien begann die Arbeitsgruppe, die funktionelle Magnetresonanztherapie (fMRT) im therapeutischen Rahmen einzusetzen. So erhält der Patient beim Versuch, seine Emotionen zu regulieren, ein direktes Abbild seiner Hirnaktivität und kann live sehen, ob er mit der angewandten Strategie erfolgreich ist. Eine verminderte Aktivität im ventralen System der Testperson würde bedeuten, dass die angewandte Strategie erfolgreich war. Das bildgebende Verfahren wird gewissermassen zu einem Spiegel, der Auskunft darüber gibt, ob die angewandte Therapieform fruchtet.

Diese neuartige Methode könnte einerseits bei der Suche nach geeigneten Strategien zur Emotionsregulation hilfreich sein. Andererseits könnte das wissenschaftliche, objektive Feedback gemäss Brühl auch motivierend wirken, die Therapie weiterzuführen.

Ergänzende Methode

Erste Untersuchungen zeigten, dass das Neurofeedback tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Emotionsregulierung der Testpersonen hatte. Brühl betonte jedoch, dass sich das Forschungsprojekt noch in einer relativ frühen Phase befinde.

Wen die Kombination von Emotionsregulation und Magnetresonanztherapie nach wie vor an Mr. Spock und Science Fiction erinnert, sei beruhigt: Die neue Methode ist gemäss der Referentin weder als Ersatz bisheriger Therapien noch als Vermessung des Menschen im Sinne der «Quantified Self»-Bewegung zu betrachten. Vielmehr soll sie eine Ergänzung zu bestehenden Therapieformen bieten – wie etwa das Einüben von Achtsamkeit, eine aktuell oft angewandte Strategie, die auf jahrhundertealten buddhistischen Traditionen fusst.