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Rechtswissenschaftliches Institut

Giacomettis Privatbibliothek öffentlich zugänglich gemacht

Der grosse Staatsrechtler und ehemalige UZH-Rektor Zaccaria Giacometti (1893-1970) hat eine bedeutende Bibliothek hinterlassen. Am Rechtswissenschaftlichen Institut der UZH hat sie nun ein dauerhaftes Zuhause gefunden und kann nach Vereinbarung besichtigt werden.  
Natalie Grob
Am Rechtswissenschaftliche Institut neu zugänglich gemacht: Zaccaria Giacomettis Privatbibliothek.

Ein aufgeschlagenes Buch, ein benutzter Bleistift, ein zurückgeschobener roter Sessel: Es ist, als habe Zaccaria Giacometti eben erst noch am Tisch gesessen und als sei er nur schnell aufgestanden, um sich einen Tee zu kochen. Mit diesem Eindruck empfängt einen das Arbeitszimmer des ehemaligen UZH-Rektors und grossen Staatsrechtslehrers, der im 20. Jahrhundert an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der UZH gewirkt hat.

Verfechter der Demokratie

Giacometti war ein bedeutender Vertreter des liberal-demokratischen Staatsdenkens. Er galt als kompromissloser Verteidiger der Freiheitsrechte und warnte unermüdlich vor der Missachtung der Verfassung. Als praktisch einziger Professor rügte er die Missbräuche und Verfassungsverletzungen seitens der Bundesbehörden in den Jahren 1930 bis 1950. Er verfasste einige Standardwerke, 1940 zum Beispiel das «Staatsrecht der Kantone». Die Staatsrechtslehre und die Entwicklung des demokratischen Staatsgefüges in der Schweiz prägte er wesentlich mit.

Zaccaria Giacometti stammte aus dem Bergell. Nach dem Internatsgymnasium in Schiers studierte er erst in Basel und dann an der UZH Rechtwissenschaften, wo er 1927 zum ausserordentlichen Professor für öffentliches Recht und Kirchenrecht ernannt wurde. Eine ordentliche Professur bekleidete er als Nachfolger Fritz Fleiners ab 1936. Von 1954 bis 1956 amtierte er für zwei Jahre als Rektor der UZH.

1961 erkrankte Zaccaria Giacometti und musste von seiner Professur zurücktreten. Neun Jahre später starb er in Zürich. Die Erben seiner 1973 verstorbenen Frau schenkten dem Rechtwissenschaftlichen Institut (RWI) 1976 unter Vermittlung seines Schülers Werner Kägi das Arbeitszimmer mit der Bibliothek.

Zahlreiche Sonderdrucke mit Widmungen

  Danach befanden sich die Bestände während vieler Jahre an der Cäcilienstrasse 5, der damaligen Aussenstation der rechtwissenschaftlichen Fakultät. Sie dienten dort Professoren und Assistierenden als Handbibliothek.

Mitarbeitende der RWI-Bibliothek haben nun die Bücher und Schriften aus Giacomettis Nachlass neu zugänglich gemacht. Sie erfassten die Bestände im Nebis-Katalog und richteten die Bibliothek samt Arbeitszimmer-Ausstattung in einem Raum des Rechtswissenschaftlichen Instituts neu ein.

Wer bestimmte Titel aus der Giacometti-Bibliothek konsultieren will, kann das nach Absprache mit der RWI-Bibliothek tun. Ein Besuch im Arbeitszimmer lohnt sich, um die spezielle Atmosphäre mit dem typischen Geruch alter Bücher zu erleben.

Verwandt mit der Künstlerfamilie

Die Giacometti-Bibliothek umfasst rund 1500 Titel. Viele der Bücher sind signiert oder mit einer persönlichen Widmung versehen. Auch finden sich immer wieder Exemplare mit Bleistiftnotizen Giacomettis – so etwa die Ausgabe des Schweizerischen Bundesstaatsrechts, das auf seinem Arbeitstisch liegt. Fritz Fleiner, Autor des Standardwerks, war Professor für Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht an der UZH und Giacomettis Mentor. Von Giacometti stammt die 1949 erschienene Neubearbeitung des Werkes.

In der Bibliothek finden sich aber auch zahlreiche Sonderdrucke mit Widmungen und Dutzende von Gutachten mitsamt dem dazugehörenden Briefverkehr. Auf einem der Buchregale prangt eine Büste Giacomettis, die Otto Charles Bänninger 1945 schuf.

Vis-à-vis hängen verschiedene Fotos und Bilder an der Wand – zusammengetragen von Staatsrechtsprofessor Andreas Kley, der im nächsten Frühjahr eine Biografie über Zaccaria Giacometti herausbringen wird. Die Fotos zeigen Giacometti etwa am Uniball 1953 mit seiner Frau Gertrude und dem Professorenehepaar Oftinger, oder wie er in einer Vorlesung mit viel Gestik sein Wissen vermittelt. Ferner ist eine Tuschezeichnung von Giacomettis Lehrer und Freund Fritz Fleiner zu sehen.

Sehenswert ist die Zeichnung von Alberto Giacometti, die den Rechtsprofessor als Studenten in ein Buch vertieft zeigt. Giovanni Giacometti und seine Söhne Alberto und Diego sowie Augusto Giacometti gehörten zur weitläufigen Familie Zaccaria Giacomettis. Für sie sass er immer wieder Modell – in der Pose des Denkers und Intellektuellen.

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