Sie
haben im zweiten Teil Ihrer Studie festgestellt, dass Gemeindeparlamente ganz
anders abstimmen als direktdemokratische Gemeindeversammlungen.
Dominik Hangartner: Wenn ein Gemeinderat
oder Gemeindeparlament über die Einbürgerungen bestimmt, werden Anträge genau
derjenigen Gruppen vermehrt akzeptiert, die zuvor am stärksten abgelehnt
wurden. Sprich: Antragsteller aus Ex-Jugoslawien oder der Türkei haben unter
diesen Bedingungen gute Chancen, angenommen zu werden.
Wie
erklären Sie sich diesen Unterschied?
Dominik Hangartner: Wir haben dazu über
200 Gemeindeschreiber befragt, deren Gemeinden von der Gemeindeversammlung zum
Gemeindeparlament gewechselt haben. Kaum einer hat gesagt, dass die gewählten
Politiker offener oder linker wären als ihre Wähler. Das ist nicht der Grund
für das unterschiedliche Abstimmungsverhalten.
Was
steckt dann dahinter?
Dominik Hangartner: Wenn ein
Einbürgerungsantrag vorliegt, kann ich als Bürger an der Urne mit Ja oder Nein
stimmen, ohne das rechtfertigen zu müssen. Dies liegt quasi in der Natur der
direkten Demokratie. Anders bei den gewählten Vertretern: Sie müssen bei
Ablehnung eines Einbürgerungsantrages eine schriftliche, stichhaltige und eventuell
rekursfähige Begründung abgeben. Diese Begründungspflicht macht unserer Ansicht
nach den Unterschied aus.
Konsistent mit dieser Erklärung haben
wir zeigen können, dass auch in eher konservativen Gemeinden nach der
Umstellung der Anstieg der Einbürgerungsraten, besonders von Ex-Jugoslawen und
Türken, aussergewöhnlich hoch war.
Wie
wirken sich gescheiterte Einbürgerungsbegehren auf die Menschen aus?
Dominik Hangartner: In einem Folgeprojekt
unserer Untersuchungen, das wir gerade abschliessen, sind wir dieser Frage
nachgegangen. Dazu haben wir die Lebensläufe von 700 Antragstellern über
mehrere Jahre hinweg nachverfolgt. Darunter Antragsteller, die knapp angenommen
wurden und solche, die wegen ein paar fehlenden Stimmen knapp abgelehnt wurden.
Wir analysieren nun, ob die nur knapp
Angenommenen ökonomisch und sozial besser gestellt sowie politisch besser
integriert sind, als die Nichteingebürgerten. Falls dem so wäre, würde sich die
Einbürgerung letztlich auch für die Gemeinden wieder positiv auswirken.
Welche
Schlüsse ziehen Sie insgesamt aus den Resultaten Ihrer Studie?
Dominik Hangartner: Noch 1990 setzten
80 Prozent der Gemeinden bei der Einbürgerung auf die direkte Demokratie, heute
sind es noch 30 Prozent. Um das Risiko diskriminierender
Entscheide zu vermindern, sollten alle Gemeinden die Entscheide an gewählte
Politiker und Politikerinnen oder spezialisierte Kommissionen delegieren.