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Helen Leonard (Ashley Judd), eine erfolgreiche Hochschuldozentin, sinkt aus scheinbar heiterem Himmel in eine schwere Depression. Mehrmals versucht sie, sich umzubringen. Ihr attraktiver Mann (Goran Visnjic) kommt nicht mehr an sie heran. Nur Mathilda, eine ihrer früheren Studentinnen und ebenfalls psychisch leidend, findet noch Kontakt zu ihr. Die beiden Frauen flüchten ans Meer, Helen gibt sich auf. Erst als ihre verzweifelte 13-jährige Tochter sie aufsucht, sieht sie sich gezwungen, ihr Leben zu ändern. Sie macht eine Elektrokrampftherapie, die sich als unerwartet wirksam erweist. Nach überstandener Depression wächst in Helen dennoch das Bewusstsein, dass sie «nie mehr dieselbe sein werde wie vorher».
«Helen» ist ein leiser, emphatischer Film und lebt stark von der Mimik der Hauptdarstellerin. Die deutsche Regisseurin Sandra Nettelbeck drehte «Helen» 2009 zum Gedenken an eine depressive Freundin, welche ihr Leben mit 30 gewaltsam beendet hatte. Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie nahm den Film zum Anlass, im Zürcher Kino «Le Paris» eine öffentliche Diskussion zum Thema psychische Krankheiten und ihre Darstellung im Film anzustossen. Unter der Leitung von Michael Rufer, stellvertretender Klinikdirektor, diskutierten Klinikdirektor Ulrich Schnyder, Elisabeth Bronfen, Professorin für englische und amerikanische Literatur, sowie Pablo Hagemeyer, Psychiater und Berater von Drehbuchautoren.
Für Ulrich Schnyder lautete die Hauptfrage: Gelingt es dem Medium Film, Depression darzustellen, ohne dabei in Klischees, Stigmatisierung oder Voyeurismus abzugleiten? In «Helen», fand Schnyder, sei vor allem die Darstellung der schweren Symptomatik – Konzentrationsstörungen, Sprachlosigkeit, Verzweiflung – recht gut gelungen. Die Regisseurin habe auch der Versuchung widerstanden, die Psychiatrie zu verteufeln. Mühe bekundete Schnyder mit dem «schlagartigen Beginn der Krankheit», den lückenhaften biografischen Aspekten und dem fast ganz fehlenden psychotherapeutischen Gespräch.
Der Funken sprang rasch auf das zahlreich erschienene Publikum über. Die Familie, kritisierte jemand, sei viel zu wenig in die Behandlung einbezogen worden – wohl ein weiterer Tribut an die Filmdramaturgie, wie Elisabeth Bronfen bemerkte. «Helen» sei nicht ihr Lieblingsfilm, wiewohl ihr der wunderschöne Hauptdarsteller sehr gefalle, sagte Bronfen augenzwinkernd.
Überhaupt hätte sie sich «mehr Hollywood» gewünscht, mehr visuelles Erzählen, mehr Verrücktes, mehr von Hitchcocks Psychothriller «Marnie».
Das Publikum indes interessierte sich mehr für medizinische Aspekte. Zu kritischen Nachfragen führte die fast wundersame «Heilung» Helens durch die Elektrokrampftherapie. Bei wie vielen Betroffenen, wollte jemand wissen, bessert sich dadurch die Krankheit tatsächlich – falls denn der Elektroschock in der Schweiz überhaupt noch durchgeführt werde? Die Antwort des Psychiaters erstaunte viele: Spätestens seit dem Film «Einer flog über das Kuckucksnest», sagte Ulrich Schnyder, habe die EKT zwar ein nachhaltig schlechtes Image. Da es in letzter Zeit jedoch keine Durchbrüche bei der medikamentösen Behandlung gegeben habe, erlebe die EKT eine weltweite Renaissance. Rund 70 Prozent der Behandelten könne man so aus einer schwer depressiven Phase heraus holen. «Und dies mit sehr wenig Nebenwirkungen», fügte Schnyder bei.
Am Ende Films sieht man, allmählich aus der lastenden Schwere des zweistündigen Films auftauchend und noch etwas ungläubig, Helen mit Mann und Tochter am Strand entlang spazieren, im Hintergrund die Skyline von Vancouver. Die Protagonistin hat ihre Heldenreise beendet. Und wir mit ihr. Von daher, sagte Psychiater und Drehbuchberater Pablo Hagemeyer, sei jeder gute Film auch eine Mini-Psychotherapie – Veränderung, Katharsis.