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Right Livelihood Award 2012

Afghanistan – zwischen Zuversicht und Angst

Die afghanische Ärztin Sima Samar ist eine der Preisträgerinnen des «Right Livelihood Award 2012». Der «Alternative Nobelpreis» ehrt ihren Einsatz für die Menschenrechte in Afghanistan. In ihrer Rede an der Universität Zürich zeigte Samar den Zustand des Landes auf – und warum Frauen für die Zukunft des Landes eine Schlüsselrolle spielen.
Adrian Ritter
Gründete das erste Ministerium für Frauenangelegenheiten: Right Livelihood Award-Preisträgerin  Sima Samar.

An die permanente Begleitung durch Sicherheitspersonal wie auch die Todesdrohungen hat sich Sima Samar längst gewöhnt. Seit sich die 55-jährige Ärztin in Afghanistan dafür einsetzt, dass Menschen vermehrt ein Leben in Sicherheit führen können, ist ihre persönliche Sicherheit in Gefahr.

Nach dem Medizinstudium in Kabul arbeitete Samar in abgelegenen Gegenden Afghanistan als Ärztin, bevor sie für die Ausbildung ihres Sohnes nach Pakistan zog. Dort behandelte sie afghanische Flüchtlingsfrauen und gründete eine Klinik für deren Behandlung. 2001 kehrte sie nach Afghanistan zurück – zu einer Zeit, als das Taliban-Regime nach fünf Jahren endete.

«Zur Zeit der Taliban war es sogar verboten, das Wort Menschenrecht überhaupt auszusprechen», sagte Sima Samar am Dienstag anlässlich der «Right Livelihood Award Lecture» an der UZH.

Seither sei vieles besser geworden, betonte sie, um gleichzeitig auf die noch gravierenden Missstände hinzuweisen: Die Menschen- und Frauenrechte in Afghanistan seien in den letzten zehn Jahren gestärkt worden – und trotzdem sei der Einsatz dafür nicht einfach in einem Land, in dem Frauen für viele immer noch als Bürger zweiter Klasse gelten.

Frauen dürfen zwar an Wahlen teilnehmen – aber insbesondere in ländlichen Gebieten füllen noch immer meist die Männer den Wahlzettel für sie aus. Frauen haben einen besseren Zugang zum Gesundheitswesen – allerdings nicht zu Geburtenkontrolle.

Dass Frauen ihre Rechte nur schlecht kennen und somit einfordern können, hat auch mit der hohen Analphabetenrate zu tun. Aber nicht nur das Bildungswesen ist schlecht ausgebaut. Zu den noch grösseren Problemen Afghanistans gehört nach Samar der fragile Rechtsstaat und der Mangel an Sicherheit.

Über hundert Schulen

Wenn bei allem Mangel doch auch Fortschritte zu verzeichnen sind, ist sie nicht zuletzt Sima Samar selber zu verdanken. Die von ihr gegründete Shuhada-Organisation zählt heute über hundert Schulen sowie 15 Krankenhäuser und Ambulanzen, wo insbesondere Frauen und Mädchen Bildung und Gesundheitsfürsorge finden.

Als Mitglied der Übergangsregierung von Afghanistan gründete sie das erste Ministerium für Frauenangelegenheiten. Seit 2004 ist sie Vorsitzende der Unabhängigen Menschenrechtskommission von Afghanistan. Dass es eine solche überhaupt gebe, sei schon ein Erfolg, so Samar.

Der Right Livelihood Award zeichnet sie denn auch «für ihren Mut und ihre Entschlossenheit im Kampf für Menschenrechte und die Rechte von Frauen in einer der instabilsten Regionen der Welt» aus.

Mädchen in Afghanistan: «Das Empowerment von Frauen ist ein Schlüssel für Frieden und Entwicklung in jedem Land», sagt Sima Samar.

Mehr als eine Exit-Strategie

Sie sei zuversichtlich für die Zukunft, so die Preisträgerin. Sie hoffe, der internationalen Gemeinschaft sei nicht nur an einer «würdevollen Exit-Strategie» der Truppen gelegen, sondern sie werde das Land auch nach 2014 unterstützen: «Der Auftrag der internationalen Gemeinschaft ist noch nicht erledigt.» 

Sima Samar wünscht sich etwa, dass die afghanischen Sicherheitskräfte in Fragen der Menschenrechte ausgebildet werden. Es brauche eine langfristige Strategie für Afghanistan und die ganze Region, appelliert sie an die internationale Staatengemeinschaft. Dabei plädierte sie dafür, im Gegenzug zu finanzieller Unterstützung für Afghanistan die Menschenrechte zu fördern.

Mit Bildung zu Sicherheit

Die Angst, dass die Taliban nach 2014 wieder die Macht übernehmen könnten, teilt sie nicht: «Die Menschen haben das wahre Gesicht der Taliban gesehen und werden das nicht mehr zulassen.» Zu gross sei der Wunsch nach Freiheit, zu unwiederbringlich die inzwischen etablierte Medienfreiheit: «Das werden sich die Menschen nicht mehr nehmen lassen.»

Um die Sicherheit und Freiheit der Menschen in Afghanistan weiter zu stärken, müsse insbesondere ins Bildungswesen investiert werden, ist Samar überzeugt. Gerade für Frauen sei Bildung zentral, um ihre Situation verbessern zu können. Ein Anliegen, das für Afghanistan zentral sei, denn: «Das Empowerment von Frauen ist ein Schlüssel für Frieden und Entwicklung in jedem Land.»