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Internationale Drogenpolitik

Willkommene Scheinlösungen

Der Politologe Christian Schneider hat in seiner Dissertation die UNO-Drogenpolitik untersucht. Sein Fazit: Das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) erfüllt seine Aufgabe nicht. Die Staatengemeinschaft hat aber kein Interesse daran, das zu ändern. Aus guten Gründen.
Adrian Ritter

Christian Schneider: «Das UNODC ignoriert den Erfolg einer Drogenpolitik der Schadensbegrenzung.»

UZH News: Sie beschreiben das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) als dysfunktionale Organisation. Was macht sie falsch?

Christian Schneider: Das UNODC unterstützt fast ausschliesslich politische Massnahmen, die für die Erfüllung seiner Aufgabe, das weltweite Drogenproblem zu lindern, kontraproduktiv sind. Die Menge der angebauten pflanzlichen Drogen hat in den letzten 20 Jahren nicht abgenommen, und die Preise für Heroin und Kokain sind nicht gestiegen. Massiv zugenommen hat dafür die Gewalt der Drogenclans in den Ländern Süd- und Mittelamerikas.

Welche Drogenpolitik verfolgt denn das UNODC?

Das Büro ist Fürsprecher einer mehrheitlich repressiven Drogenpolitik – also einer Politik, die auf das Verbot des Anbaus, des Handels und des Konsums von Drogen fokussiert. Das UNODC will die Kriminalisierung von Drogen aufrechterhalten. Es lässt zum Beispiel Anbaufelder zerstören und verbreitet einseitig Erfolgsmeldungen über repressive Massnahmen. Dieser Weg hat sich in den letzten Jahrzehnten aber als unwirksam erwiesen.

Gleichzeitig ignoriert das UNODC den Erfolg einer Drogenpolitik der Schadensbegrenzung. Es herrscht in der Wissenschaft ein breiter Konsens, dass etwa die kontrollierte Drogen- und Spritzenabgabe oder Methadonprogramme positive Wirkungen haben. Das wird vom UNODC kaum zur Kenntnis genommen und kommuniziert.

Das UNODC stützt sich in seiner Arbeit auf drei UNO-Konventionen zum Thema Drogen. Ist die repressive Ausrichtung darin nicht vorgegeben?

Die UNODC und die Staaten mit einer repressiven Politik, allen voran die USA, legen die Konventionen in der Tat so aus, dass damit nur eine repressive Drogenpolitik möglich sei. Natürlich sind die Konventionen auch von den politisch gewichtigen Staaten mit einer repressiven Drogenpolitik geprägt.

Aber in den Konventionen ist durchaus auch von Prävention die Rede. Entsprechend argumentieren auch Staaten mit einer liberaleren Drogenpolitik, die Konventionen stützten ihren Weg.

Das UNODC fokussiert dagegen ganz auf die Illegalität von Drogen. Man kann das ziemlich genau datieren. Der Weltdrogenbericht 1997 der Organisation war noch relativ ausgewogen, im Bericht von 2002 war fast nur noch vom Erfolg der Prohibition die Rede.

Wie konnte es soweit kommen?

Das liegt einerseits an der jeweiligen Person, die die Organisation führt. Wobei deren Wahl von den Machtverhältnissen abhängig ist und die globale Drogenpolitik wie gesagt von repressiven Staaten dominiert wird.

Andererseits ist das UNODC auch anfällig für Dysfunktionalität. Dies, weil die Organisation mit der Drogenpolitik ein Thema bearbeitet, das von der Mehrheit der Staatengemeinschaft nicht als zentrales Problem wahrgenommen wird. Die Finanzkrise etwa erscheint als wichtiger als die Drogentoten in Mexiko.

Im UNODC können Staaten Probleme abladen, die sie nicht sonderlich interessieren. Das ist insbesondere dann hilfreich, wenn kein Konsens herrscht darüber, was in einem bestimmten Politikfeld getan werden soll.

Repressive Drogenpolitik: Die Präsidenten von Honduras und Kolumbien sind nicht mehr bereit, die Prohibition und ihre Kosten zu tragen.

Die schwache internationale Organisation ermöglicht also, dass jeder Staat machen kann, was er will?

Ja, die einzelnen Staaten haben kein wirkliches Interesse, auf internationaler Ebene zu kooperieren. Sie versuchen, ihre nationalen Drogenpolitiken eigenständig zu gestalten. Entsprechend besteht derzeit eine Koexistenz verschiedener Modelle, keine eigentliche internationale Kooperation. Gerade die westeuropäischen Staaten mit einer liberaleren Drogenpolitik sind nicht interessiert an einer starken internationalen Organisation, die eine repressive Drogenpolitik durchzusetzen vermag.

Sie erwähnen in Ihrer Dissertation als Beispiel einer verfehlten Aktion des UNODC in Guinea-Bissau. Das Büro versuchte dort eine neue Drogentransitroute zu verhindern. Was geschah?

In dem westafrikanischen Land sollte eine Drogenpolizei-Einheit aufgebaut werden. Aber die Initiative war mit so wenig Mitteln ausgestattet, dass das nicht funktionieren konnte. Eine Studie zeigte denn auch, dass das Ziel verfehlt wurde. Die Aktion hatte kaum Einfluss auf den Drogenhandel.

Warum erfolgen solche Aktionen überhaupt?

Die UNODC wurde hingeschickt, um den Schein zu wahren. Die Staaten brauchen die Organisation, um mit solch pragmatischen, technischen Massnahmen ihre Einzelgänge zu verschleiern. Ein weiterer Vorteil: Wenn die Organisation bei der Problemlösung scheitert, liegt die Schuld nicht bei den einzelnen Staaten.

Sie schreiben in Ihrer Dissertation, mehr Transparenz und Demokratie könnten internationale Organisationen funktionsfähiger machen. Gilt das auch im Falle des UNODC?

Falls sich das UNODC entschliessen sollte, seine ungelösten Wertkonflikte diskutieren zu wollen, würde das die Organisation in der jetzigen Situation vermutlich nur lähmen. Eine solche Debatte würde die Koexistenz verschiedener nationaler Drogenpolitiken beenden, weil die Staaten plötzlich Zugeständnisse in Richtung mehr oder weniger Repression machen müssten. Ich vermute, es würde in Richtung vermehrter Repression laufen. Gerade aus Sicht der liberaleren Staaten wie der Schweiz ist das nicht wünschenswert.

Also wird alles beim Alten bleiben?

Nicht unbedingt. Im Vorfeld des Amerika-Gipfels im April haben insbesondere die Präsidenten von Honduras und Kolumbien verlauten lassen, sie seien nicht mehr bereit, die Prohibition und ihre Kosten zu tragen, man müsse über Alternativen nachdenken. Das gab es noch nie, dass amtierende Präsidenten einen solchen Kurswechsel verlangen.

Wird es Folgen haben?

Ich denke zwar nicht, dass die globale Drogenpolitik in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren auf eine Politik der Entkriminalisierung umschwenken wird. Es ist aber durchaus möglich, dass einige süd- und mittelamerikanische Staaten lokal begrenzte Modelle eines kontrollierten Drogenmarktes erproben werden.

Die USA haben am Amerika-Gipfel zwar klar gemacht, dass sie eine Legalisierung nicht akzeptieren würden. Aber zwischen Prohibition und Legalisierung gibt es viele Abstufungen. Eine Zwischenlösung könnte längerfirstig auch für die USA akzeptabel sein.

Was würde das für das UNODC bedeuten, wenn plötzlich so verschiedene Modelle wie kontrollierter Drogenmarkt und Illegalität nebeneinander existierten?

Für das UNODC könnte ein Dialog darüber die Chance sein, endlich jene Vermittlerrolle einzunehmen, die der Organisation heute fehlt. Dies wäre der Ausweg aus der Dysfunktionalität. Sollte das UNODC es nicht schaffen, sich in dieser Rolle zu etablieren, droht wie gesagt die Lähmung der internationalen Debatte über den Umgang mit Drogen.