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Schweizer Kunstmarkt

Versteckte Grösse

Die UZH bietet seit letztem Herbst als europaweit einzige Universität einen Studiengang an, der in den Kunstmarkt führt: den «Executive Master of Art Market Studies». Dafür gibt es gute Gründe: Die Schweiz ist ein bedeutender Kunsthandelsplatz. Doch wie gross und international ist der Schweizer Kunstmarkt tatsächlich? Nicolas Galley, wissenschaftlicher Abteilungsleiter des Studiengangs, ging dieser Frage kürzlich in einem Referat nach.
Sascha Renner
Nicolas Galley: «Der Kunstmarkt entwickelte sich in den Nachkriegsjahren zehnmal schneller als die restliche Schweizer Wirtschaft.»  

Gleich zu Beginn wies Referent Nicolas Galley auf die grundsätzliche Problematik seines Untersuchungsgegenstands hin: Daten fehlen oder sind nur sehr schwer zu beschaffen. Der Kunstmarkt ist ein diskreter, und er ist einer der intransparentesten Märkte überhaupt. Galerien (der sogenannte Primärmarkt, da Galerien Kunstwerke als Erste in den Verkauf bringen) legen ihre Archive nicht offen. Und so bleiben bloss die Ergebnisse der Auktionshäuser, des sogenannten Sekundärmarktes, um sich ein Bild des Handels, seiner Strukturen und Entwicklungen zu machen.

Immerhin: Seit dem Internetzeitalter erlauben es Datenbanken wie Artprice und Artnet, mit ein paar Clicks an diese Daten zu gelangen: Sie bilden sämtliche Auktionsresultate weltweit ab, so dass die Marktentwicklung eines Künstlers genau mitverfolgt werden kann.

Namen statt Themen

Das hat den Markt selbst dramatisch verändert, wie Nicolas Galley erläuterte: Es wird seither mehr nach Namen als nach Themen oder Schulen gesammelt. Und die Praxis, ein Werk zu ersteigern und es anderswo unter Ausnutzung räumlicher Preisdifferenzen teurer zu verkaufen, gehört seither der Vergangenheit an.

Statistiken seien zwar wie Badehosen – in alle Richtungen dehnbar –, meinte Galley, doch fördern sie interessante Entwicklungen zutage: Die Volksrepublik China steht heute mit einem Marktvolumen von 41,4 Prozent unangefochten an der Spitze der länderspezifischen Auktionsrangliste. Darauf folgen die USA mit 23,6 und England mit 19,4 Prozent. Die Schweiz steht mit 1,4 Prozent Weltanteil abgeschlagen da – eine unbedeutende Kunsthandelsnation. Aber eben nur scheinbar. Denn die Statistik erfasst nur Verkäufe auf Auktionen, die auf Schweizer Territorium stattfinden.

Art Basel als Trumpf

Die Schweiz beheimatet jedoch neben vielen Galerien auch weit überdurchschnittlich viele nationale und internationale Sammler, und diese sind beste Kunden der Auktionshäuser im Ausland. Sie liefern ihre Sammlungsstücke nach London oder New York zum Verkauf ein, und sie bieten dort mit, um Werke zu erstehen. Auch an anderer Stelle zeigt sich, dass der Schweizer Kunstmarkt kein lokaler, sondern ein stark internationaler ist: Der Schweizer Galerieriese Hauser & Wirth vertritt weltweit 45 Künstler, von denen nur gerade 5 Schweizer sind.

Die Schweiz verfügt über einen weiteren Trumpf: Die Art Basel, die vom 14. bis 17. Juni wieder ihre Tore öffnet. Diese Schweizer Kunstmesse hat seit ihrer Gründung 1970 internationales Profil und gilt als die Nummer eins unter den Kunstmessen: Nur 12 Prozent der vertretenen Galerien sind Schweizer Galerien. Dieses internationale Profil hat die Messe mit der Gründung der Art Basel Miami Beach 2002 weiter gestärkt, und mit dem Einkauf bei der Hong Kong Art Fair weitet sie ihren Aktionsradius nun auch auf die östliche Welt aus.

Vom Import zum Export

Da stellt sich die Frage: Warum ist der Schweizer Kunstmarkt ein derart globaler? Kunstmarktexperte Nicolas Galley erklärt dies mit Blick auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts: Handelszahlen zeigen, dass Schweizer in den Zehner- und Dreissigerjahren bedeutend mehr Kunst kauften als verkauften. Sie profitierten von der Unversehrtheit durch den Weltkrieg und den Nationalsozialismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einem Exportüberschuss. Internationale Kunsthandelsbeziehungen etablierten sich so früh – und halten bis heute.

Der Kunstmarkt entwickelte sich in den Nachkriegsjahren zehnmal schneller als die restliche Schweizer Wirtschaft. Ein Beleg für die These des Referenten, dass der Kunstmarkt schon vor anderen Märkten eine zentrale Triebkraft der Globalisierung war.

Über die ökonomische Bedeutung hinaus werden auch kulturelle, symbolische Werte gehandelt, die die Globalisierung weiter befeuern. Die Globalisierung wiederum löst lokale personale Beziehungen wie die zwischen Galerist und Sammler auf – zugunsten der global tätigen Auktionshäuser, die an jeden per Handerheben verkaufen.

Nicht als Schweizer erkennbar

Aber wie steht es um die Künstler selbst – lassen sich Schweizer Künstler international vermarkten? Ja, nur sind sie dann nicht mehr als Schweizer erkennbar. Ein Star des internationalen Kunstbetriebs wie Urs Fischer würde niemals in der Schweizer Auktion von Sotheby‘s in Zürich angeboten, sondern in New York, wo er mehr Geld bringt.

Anderseits stossen ein Cuno Amiet oder ein Giovanni Giacometti im Ausland auf wenig Interesse, während sie in der Schweiz sichere Werte sind.  – Fazit: Die Schweiz ist also doch eine grosse Kunsthandelsnation. Nur sieht man es nicht immer von blossem Auge.

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