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Forum for Economic Dialog

Im Auge des Sturms

Das UBS International Centre of Economics in Society lud am 19. November zum Eröffnungsforum für wirtschaftlichen Dialog. Hauptreferent Jean-Paul Trichet, ehemaliger Präsident der Europäischen Zentralbank, plädierte für eine globale Überwachung des Finanzsystems. 
Regula Pfeifer
«Davon ausgehen, dass es keine risikofreien Anlagen mehr gibt»: Jean-Paul Trichet, ehemaliger Präsident der Europäischen Zentralbank.

Der Raum ist dunkel, Wände und Balustraden aus schwarzbraunem Holz. Ein roter Vorhang umrahmt die Bühne, rote Vorhänge die Balustraden. Nein, das ist kein Theater, auch wenn gut dreihundert Zuhörer und Zuhörerinnen im Saal sitzen. Wobei: Von einem Drama ist doch die Rede, von der internationalen Finanzkrise nämlich, unter der die Weltwirtschaft seit gut fünf Jahren leidet.

Jean-Paul Trichtet amtete von 2003 bis 2011 als Präsident der Europäischen Zentralbank und stand damit sozusagen im Auges des Sturms. «Wir befinden uns aktuell in der schlimmsten aller Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg, vielleicht sogar des gesamten 20. Jahrhunderts», befand er in seiner Opening Lecture am ersten Forum for Economic Dialog im Kaufleuten Zürich.

Diese Krise betrifft laut Trichet die entwickelten Länder. Sie brach im August 2007 in den USA aus, wo bis 2009 das Krisen-Epizentrum blieb. «2009 überquerte das Epizentrum den Atlantik», fuhr Trichet mit seiner Erdbeben-Metapher weiter. Europa bildete bis 2010 dessen neues Epizentrum. Die Schweiz sei davon natürlich ausgeschlossen, fügte der ehemalige Präsident der europäischen Zentralbank charmant lächelnd bei.

Der Wirtschaftsspezialist reist liebend gern in die sichere Schweiz. Seinen Vortrag hatte er mit einem Bonmot begonnen. «Einstein wurde gefragt: Was würde er tun, wenn ein Nuklearkrieg ausbräche. Dieser antwortete: In die Schweiz zurückkehren, da ist es sicher.»

Globale Überwachung nötig

Wirklich dramatisieren wollte Trichet die Lage allerdings nicht. Einen kurzen Überblick über die Entwicklungen der Währungen der entwickelten Länder vom Beginn des Euro 1999 bis 2012 kommentierte er mit der beruhigenden Bemerkung, da sei eine Menge Stabilität festzustellen.

Auch sonst fand er, das internationale Währungssystem habe flexibel auf die Krise reagiert. Der Dollar war zwar betroffen von der Krise, erwies sich jedoch als stark und stabilisierte sich fast automatisch wieder. Den Hauptgrund für den – bis anhin – glimpflichen Verlauf der Krise sieht Trichet aber anderswo.

Der Privatsektor – die Banken – hättenn es verpasst, angemessen zu agieren. Sie froren aus Angst ihre gegenseitigen Kreditvergaben ein. Dadurch entstand ein Liquiditätsproblem. Die Zentralbanken sprangen ein und stellten Liquidität zur Verfügung. Sie hätten richtig reagiert und ihre Fähigkeit bewiesen, ist Trichet überzeugt. «Ohne sie wären wir heute in einer anderen Welt.»

Für die angesagte Zukunftsvision war die Zeit zu knapp. Trichet packte sie in die Schlussfolgerungen. Man müsse davon ausgehen, dass es keine risikofreien Anlagen mehr gebe, befand er und forderte: «Es braucht eine globale Überwachung zur Verhinderung künftiger Krisen, das Finanzsystem muss gestärkt werden und die Zentralbanken haben eine wichtige Rolle zu spielen.»