Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Forum Aussenpolitik – «foraus»

Ehrenamtliche Forschung

Politisch unabhängige, wissenschaftlich fundierte Studien: Mit diesem Rezept mischt sich der Think-Tank «foraus» in die politische Debatte um die schweizerische Aussenpolitik ein. Die Studien der jungen Forscherinnen und Forscher haben in nur drei Jahren einen beachtlichen Einfluss erreicht. UZH News hat Nicola Forster, «foraus»-Präsident und UZH-Alumnus, zum Gespräch getroffen.
Adrian Ritter

Kategorien

Nicola Forster, Gründer und Präsident von «foraus»: «Einen vergleichbaren Think-Tank gab und gibt es nicht.»

Vergangene Woche sorgte «foraus» mit der Studie «Verhindert wirtschaftliche Entwicklung Migration?» für Diskussionen. Erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit führe nicht – wie oft gehört – zu weniger, sondern zu mehr Migration in Richtung Schweiz. Wirtschaftswachstum führe erst dazu, dass zahlreiche Menschen sich überhaupt leisten können, in ein anderes Land aufzubrechen. Die Entwicklungszusammenarbeit sollte deshalb auf die Verhinderung von Armut fokussieren, statt Migration aus bestimmten Ländern verhindern zu wollen.

Die Studie sorgte in Medien, Politik und Verwaltung für Diskussionen – so sah sich etwa das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten zu Stellungnahmen gezwungen.

Wissenschaft mit Wirkung

Verfasst hatten die Studie drei Doktorierende, darunter Vera Eichenauer von der Universität Zürich. Das Beispiel zeigt: «foraus» hat es seit seiner Gründung 2009 innerhalb kurzer Zeit geschafft, sich mit nunmehr zwölf Studien erstaunlich viel Gehör und Einfluss zu verschaffen. Die Studien werden auf höchster politischer Ebene zur Kenntnis genommen.

«foraus» durfte seine Arbeit schon bei Bundesrat Didier Burkhalter und bei der EU in Brüssel präsentieren. Als «foraus»-Autoren 2011 empfahlen, in der Sicherheitspolitik enger mit der EU zu kooperieren, löste dies im Parlament gar eine einstimmig unterstützte Motion an den Bundesrat aus.

Das freut Nicola Forster (27), den Präsidenten von «foraus». Er war gerade dabei, sein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Zürich abzuschliessen, als er den Think-Tank gründete. Innerhalb kurzer Zeit gelang es ihm, eine Gruppe junger Akademiker der Universität Zürich und des Genfer «Graduate Institute» um sich zu scharen. Ihr Ziel: Fundierte wissenschaftliche Analysen zu aussenpolitischen Themen in die Diskussion einbringen.

Heute zählt «foraus» rund 500 Mitglieder, rund 50 davon schreiben an «foraus»-Studien – und zwar ehrenamtlich. Es sind zumeist junge Forscherinnen und Forscher, die sich etwa im Rahmen ihrer Dissertation mit einem aussenpolitisch relevanten Thema befassen. Sie verfügen über das nötige Fachwissen und wollen dies stärker als es mit einer Dissertation möglich ist auch politisch nutzbar machen.

Gut für den Lebenslauf

Der Erfolg des Think-Tanks basiert vor allem darauf, dass «foraus» sich rasch als attraktiv für junge Forscherinnen und Forscher erwies. Sie schätzen es unter anderem, dass Studien immer in interdisziplinären Teams entstehen. Die Autorinnen und Autoren kommen aus unterschiedlichen Fachbereichen wie Rechtswissenschaft, Politikwissenschaft, Ökonomie und Geschichte.

Für den akademischen Nachwuchs ist es aber auch interessant, ein «foraus»-Engagement im Lebenslauf anführen zu können: Die Mitarbeit an wissenschaftlich fundierten, praktisch relevanten Analysen macht sich gut im Hinblick auf eine Karriere in der Wissenschaft oder etwa in der Diplomatie.

Weder links noch rechts

Zentral ist dabei die politische Unabhängigkeit der Gruppierung. «Dass wir von den einen Medien als linker, von anderen als rechter Think-Tank bezeichnet werden, fasse ich als Qualitätsmerkmal auf», erzählt Forster lachend. Die meisten Mitglieder seien parteipolitisch ungebunden. Trotz des im Leitbild formulierten Bekenntnisses zu einer «offenen, konstruktiven Aussenpolitik» vertreten die Mitglieder keine einhellige Linie, ist Forster überzeugt: «Wenn wir bei foraus über die Frage eines EU-Beitritts der Schweiz abstimmen würden, wären wohl je ein Drittel dafür, dagegen und unentschieden.»

Grossandrang: «foraus»-Veranstaltung zur Ausschaffungsinitiative im Oktober 2010 an der UZH.

Sinnvolle Ergänzung

Wäre es aber nicht die Aufgabe der Politik, Verwaltung und Universitäten, entsprechende Analysen zu erstellen? Dass dies geschieht, stellt Forster nicht in Abrede – allerdings zu wenig oft. Die Politiker verfügten nicht über die Ressourcen dazu und die Bundesverwaltung sei bisweilen von den Bundesräten politisch geprägt und im Tagesgeschäft gefangen – es fehle der Freiraum für kreative und langfristige Lösungsansätze.

In der Wissenschaft fehle es demgegenüber am Interesse und Knowhow, um politisch aktuell und relevant zu forschen und kommunizieren. «Es ist nicht das primäre Ziel der Universitäten, politisch Einfluss zu nehmen – muss es auch nicht sein. «foraus» versteht sich als sinnvolle Ergänzung, die den Bogen schlägt zwischen Wissenschaft und Politik», so Forster.

Qualitätssicherung zentral

So nimmt sich der Think-Tank die Freiheit, sowohl aktuelle Abstimmungsdebatten wie auch langfristig als wichtig erachtete Themen aufzugreifen. Laufende «foraus»-Studien beschäftigen sich etwa mit den Themen Cleantech, Menschenrechte und Aussenwirtschaftspolitik sowie Migrationspartnerschaften.

Die wissenschaftliche Qualitätssicherung ist dabei zentral. Deshalb legen die Autorinnen und Autoren ihre Werke jeweils Professorinnen und Professoren sowie Fachpersonen aus Verwaltung und Politik zur Begutachtung vor. Eine letzte Qualitätssicherung erfolgt durch den ebenfalls aus Akademikern zusammengesetzten Vorstand von «foraus», der die Studien absegnet.

Vorbilder fehlten

Mit dieser Form praxisrelevanter Forschung betrat «foraus» Neuland. «Die Herausforderung bestand darin, dass wir keine Vorbilder hatten. Einen vergleichbaren unabhängigen Think-Tank, der Studien erstellt, gab und gibt es nicht. Nach und nach eigneten wir uns das Wissen an, wie man politisch relevante Studien schreibt», so Forster. 

Die Nachwuchsforschenden lernten aber schnell, wie der Erfolg zeigt. Inzwischen ist der Think-Tank an allen Schweizer Universitäten mit Regionalgruppen präsent. «Wir wollen für junge Akademikerinnen und Akademiker erste Ansprechstelle zum Thema Aussenpolitik werden», so Forster.

Er erlebt dabei viel Unterstützung seitens der Universitäten. Das Forum ist an fast allen Universitäten als studentische Gruppierung akkreditiert und kann unter anderem kostenlos Räume für Veranstaltungen mieten. Die Hochschulen schätzen den Think-Tank, der ihrem Nachwuchs und dessen Forschung zu mehr Sichtbarkeit verhilft.

Gewisse Fächer an der Universität Luzern anerkennen die Mitarbeit an einer foraus-Studie inzwischen als Praktikum. Forster könnte sich auch vorstellen, dass die Autorinnen und Autoren irgendwann für das ehrenamtliche Engagement ECTS-Punkte erhalten.

Ein Modell mit Potenzial

Das Erfolgsmodell «foraus» regt zur Nachahmung an. Studierende in Deutschland zeigen Interesse, im Nachbarland ein ähnliches Forum zu schaffen. Gemäss Forster gibt es auch in der Schweiz weiteres Potenzial für die Idee des Think-Tanks: «In der Innenpolitik gibt es ebenfalls ideologisch aufgeladene Themen, bei deren Diskussion eine unabhängige, wissenschaftliche Aussensicht hilfreich sein könnte – etwa in der Umwelt- oder Gesundheitspolitik.» 

Forster schätzt, dass «foraus» auch in Zukunft vier bis sechs Studien pro Jahr veröffentlichen wird. Wichtiger als mehr Studien zu produzieren ist ihm, das hohe Niveau der Arbeiten zu halten und dafür zu sorgen, dass diese auch an die relevanten Stellen gelangen.

Der Gründer und Präsident selber hat es bisher vor lauter Managementaufgaben nicht geschafft, selber an einer Studie mitzuschreiben. Das will er im Sommer nachholen, wenn «foraus» Analysen und Vorschläge erarbeitet, wie die Schweiz ihr aussenpolitisches Krisenmanagement verbessern könnte. Dass dies nötig ist, wenn die Schweiz ihre Interessen besser wahrnehmen will, zeigten ihm in den letzten Jahren etwa die Libyenaffäre und die Angriffe auf das Bankgeheimnis.