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Vetsuisse-Fakultät Zürich/Bern

«Mittlerweile ist das Vertrauen gewachsen»

Der Mediziner Viktor E. Meyer leitete bis Anfang 2011 als Dekan die Vetsuisse-Fakultät. Im Gespräch mit UZH News hält er Rückschau auf vier turbulente Jahre, in denen er eine Herkulesaufgabe anging – und erfolgreich zu Ende führte: die Zusammenführung zweier veterinärmedizinischer Fakultäten über Kantons- und Mentalitätsgrenzen hinweg.
Interview: Marita Fuchs

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Der Humanmediziner Viktor E. Meyer, emeritierter Ordinarius für Chirurgie und ehemaliger ärztlicher Direktor des Universitätsspitals Zürich, übernahm Anfang 2007 die Aufgabe, im Rahmen der neuen Vetsuisse-Fakultät die beiden veterinärmedizinischen Fakultäten der Universitäten Bern und Zürich zur einer Fakultät mit zwei Standorten zusammenzuführen. Grundlage für den Zusammenschluss war ein Konkordat der Kantone Bern und Zürich vom September 2006. Kürzlich trat Meyer altershalber von seinem Posten zurück. Zeit für einen Rückblick.

Vetsuisse-Fakultät Universität Zürich: Gemeinsamer Verhaltenskodex und gemeinsames Leitbild mit dem Standort Bern.

UZH News: Herr Meyer, was hat Sie an der Aufgabe gereizt?

Viktor E. Meyer: Ich habe mich früher in der Spitzenmedizin engagiert und vertrat schon immer die Überzeugung, dass es unwirtschaftlich ist, wenn ein Land mit sieben Millionen Menschen fünf Universitäten betreibt. Für den Forschungsplatz Schweiz wäre es sinnvoller, Kooperationen zu schaffen und im Interesse exzellenter Lehre und Forschung Kräfte zu bündeln. Insofern war ich von der Idee überzeugt, zwei Fakultäten zusammenzuführen.

Mussten Sie bei null anfangen?

Nein, der Bund hatte für die erste Phase 14 Millionen Franken gesprochen. Professor Wolfgang Langhans von der ETH Zürich leitete das Projekt während der ersten vier Jahre vor Inkrafttreten des Konkordates 2006. Mit diesem Geld konnte er ein gemeinsames Curriculum etablieren, die klinische Forschung fördern und die Infrastruktur für Teleteaching an beiden Standorten errichten. Ferner erarbeiteten die beiden Standorte unter seiner Leitung ein umfangreiches Strategiepapier, in dem die komplementäre Schwerpunktsausscheidung an beiden Standorten geregelt wurde. 

Von welcher Ausganglage sind Sie gestartet?

Viele Fakultätsmitglieder waren misstrauisch oder ablehnend gegenüber der von beiden Kantonen geplanten Fusion. Es war eine meiner Aufgaben, diese Vorbehalte abzubauen.

Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Ich führte mit allen Fakultätsmitgliedern Einzelgespräche, um ein emotionales Profil zu erstellen. Dies war für mich ein wichtiger Kompass für die strategische Führung.

Viktor E. Meyer: «Es ist unwirtschaftlich, wenn ein Land mit sieben Millionen Menschen fünf Universitäten betreibt.»

Und von Anfang an arbeitete ich mit beiden Standortdekanen als meinen wichtigsten Partnern eng zusammen. Dieses Dreiergremium wurde später zur Geschäftsleitung der Vetsuisse-Fakultät. Zunächst erarbeiteten wir ein Fakultätsreglement und einen Verhaltenskodex mit Leitbild. Dazu wurden sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beider Standorte mit einbezogen. Der Kodex enthält einen Aufruf zu Respekt und Fairness. Dieses Leitbild galt und gilt für alle – vom Stallpfleger bis zum Professor.

Gab es trotzdem noch Probleme?

Vorgabe war, eine Fakultät an zwei Standorten zu schaffen. Dem entgegen standen unterschiedliche universitäre Gesetzgebungen, und auch die Finanzhoheit der Kantone durfte nicht tangiert werden. Die 14 Millionen Franken Bundesgelder waren bereits vor meinem Amtsantritt aufgebraucht, und weitere Mittel stellte der Bund nicht zur Verfügung. Ohne entsprechende Ressourcen war der Aufbau einer starken, zentralen Vetsuisse-Führung nicht machbar. Heute weiss ich: Unter diesen Voraussetzungen ist eine Fusion im eigentlichen Sinne unmöglich.

Wir wollten zum Beispiel die Pferdeklinik in Bern schliessen, um das Pendant in Zürich zu stärken. Im Gegenzug wollten wir etwas später die Nutztierklinik in Zürich schliessen und so die Nutztierklinik in Bern stärken. Zeitlich sollten diese Änderungen mit neuen Berufungen getaktet werden. Das führte zu grossem Aufruhr, Protest und Verunsicherung, so dass wir diese Projekte sistieren mussten.

Welche Schlüsse zogen Sie aus dieser negativen Erfahrung?

Die Universitäten sind Teil der kantonalen Autonomie. Wenn diese vollumfänglich respektiert werden soll, schliesst dies eine starke zentrale Führung von zwei oder mehreren zusammengeführten Fakultäten verschiedener Universitäten aus. Es sei denn, dass sich wegen eines erheblichen gesamtschweizerischen Interesses der Bund massgeblich daran beteiligt.

Aufgrund dieser Erkenntnis haben wir uns voll auf den Aufbau von Kooperationen zwischen den beiden Standorten, anderen Universitäten des In-und Auslandes sowie mit nicht-universitären Institutionen konzentriert. Dabei ist Vetsuisse sehr erfolgreich. (siehe Kasten)

Wo steht die Vetsuisse-Fakultät heute?

Wir konnten innerhalb der vergangenen vier Jahre die Lehre und Forschung messbar verbessern. Das führte dazu, dass wir zusammen mit der Universität Helsinki die einzige europäisch akkreditierte Veterinärfakultät sind.

Im Hinblick auf die Zusammenführung ist die Pilotphase abgeschlossen. Als nächster Schritt sollte eine Vereinfachung des operativen Regelwerks in Angriff genommen werden. Das Ausmass des anfänglich erheblichen Misstrauens zwischen den Standorten hat das teilweise aufwendige Regelwerk erforderlich gemacht. Mittlerweile ist das Vertrauen gewachsen, entsprechend können die operativen Abläufe vereinfacht werden.

Der erreichte Grad von gut funktionierenden, einvernehmlich gewachsenen Kooperationen beider Standorte ist in der schweizerischen Universitätslandschaft einmalig. Eine konsultative Abstimmung in Bern und Zürich ergab einhellig, dass Vetsuisse erhalten bleiben soll. Die Fakultät ist damit auf einem guten Weg.