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Berufsbilder Romanistik

«Früher war die Stellensuche einfacher»

Romanistik-Studierende sind häufig mit der Frage konfrontiert, wie «wirtschaftstauglich» ihr Studium sei. An einem Podium an der Universität Zürich über «Berufsbilder in der Romanistik» erfuhren sie, dass man es mit romanischen Sprachen bis an die Spitze des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz schaffen kann. 
Roland Gysin

Französisch, Italienisch, Spanisch und Rätoromanisch sind Sprachen, «die zergehen auf der Zunge, wie Panna cotta», sagt Bernd Roeck, Historiker und Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich.

Jakob Kellenberger, IKRK-Präsident: Sich durch die vielen Bewerber nicht entmutigen lassen.

Roeck sparte in seiner Begrüssung zur Veranstaltung «Berufsbilder Romanistik» nicht mit Komplimenten. Romanisten würden die Kunst der «Komplexitätsreduktion» beherrschen, sie verständen es, aus «Bruchstücken ein grosses Ganzes» zu machen und würden über eine «universell einsetzbare Software» verfügen.

Für die über hundert Studierenden – zu neunzig Prozent Frauen –, die der Einladung des «Doktoratsprogramms Romanistik» gefolgt waren, waren diese Worte Balsam. Sind sie doch gewohnt, vor allem mit kritischen Aussagen konfrontiert zu werden: ob das Studium «wirtschaftstauglich» sei, und wie sich mit Romanistik Geld verdienen lasse.

«Zwischendurch ans Uebersetzerdiplom gedacht»

Auf dem Podium unter der Leitung von Annina Clerici, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Romanischen Seminar, diskutierten zwei Romanistinnen und ein Romanist, die es gemäss Roeck «zu etwas gebracht haben»: Susanna Bliggenstorfer, Titularprofessorin für Romanische Philologie und Direktorin der Zentralbibliothek Zürich, Barbara Villiger Heilig, Feuilleton-Redaktorin der «Neuen Zürcher Zeitung», und Jakob Kellenberger, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK).

Am Anfang stand die Neugierde, die Leidenschaft oder die Erkenntnis, es als Cello-Spielerin nicht bis nach ganz oben zu bringen. «Für eine Künstlerin ist die Mittelklasse kein glamouröses Ziel», sagte Barbara Villiger Heilig und erzählte, wie sie stattdessen auf Umwegen über das Verlagswesen, im Schulbetrieb in Zürich und am Istituto Svizzero in Rom als Journalistin bei der «Neuen Zürcher Zeitung» gelandet sei.

Zwischendurch habe sie auch ans Übersetzerdiplom gedacht, es wegen des grossen Aufwands aber sein lassen. Und weshalb gerade Italienisch und Französisch? «Einfach weil es schöne Sprachen sind und man dabei nichts mit Mathematik zu tun hatte.»

Susanna Bliggenstorfer, Direktorin Zentralbibliothek Zürich: «Zeigen Sie, dass Sie die Stelle wollen.»

Stabstelle als Sackgasse

Bei Susanna Bliggenstorfer war der Auslöser eine Flasche Süssmost. «Jus de pomme, succo di mele – ich wollte schon als Kind immer alles verstehen, was ich gelesen habe.»

Die erste Stellenbewerbung schrieb Bliggenstorfer mit 52 Jahren. Hinter ihr lagen eine Assistenz an Romanischen Seminar und 16 Jahre als Stabsstellenleiterin im Prorektorat Lehre an der Universität Zürich, inklusive einer Habilitation. «Stabsstellen sind Sackgassen», sagte sie. Und als sie dann auch noch bemerkt hatte, dass der Einstieg in den Wissenschaftsbetrieb für Fast-50-Jährige unmöglich ist, bewarb sie sich mit Erfolg auf den Chefposten der Universitätsbibliothek Bern und wechselte im September 2008 als Direktorin an die Zentralbibliothek Zürich.

Gute Vorbereitung fürs Leben

Bei Jakob Kellenberger war es die Freude und Lust am Denken und auch etwas Zufall, der ihn in die Romanistik geführt hat. «Mathematik wäre auch eine Option gewesen.» Die Dissertation über «Calderón de la Barca und das Komische, unter besonderer Berücksichtigung der ernsten Schauspiele» hat Kellenberger als «eine gute Vorbereitung fürs Leben» in Erinnerung. Genauso wie die Aufnahmeprüfung für den diplomatischen Dienst. Danach folgte eine steile, 18-jährige Karriere über Botschaftsstellen bis hinauf zum Staatssekretär. «Höher geht nicht», meinte Kellenberger. Also Zeit für den Wechsel an die Spitze des IKRK.

Zwingend war die Romanistik für die Berufswahl bei keinem der drei Podiumsteilnehmer. Im Lehrbetrieb, immer noch für viele Studierende eine naheliegende Option, ist niemand. Und aus den Fragen des Publikums wurde rasch einmal klar. «Früher war die Stellensuche einfacher als heute.» Auf eine Praktikumsstelle bei der Uno meldeten sich früher nicht wie heute 300 Interessenten. Und es bewarben sich auch nicht jedes Jahr 6000 Stellensuchende beim IKRK – bei 300 Anstellungen.

Schauen, was jenseits der Universität passiert

Dennoch: Kellenberger plädierte dafür, es trotzdem zu versuchen, «vorausgesetzt man ist diszipliniert, willensstark und gut gerüstet».

Ähnlich Susanna Bliggenstorfer, die ihren Mutmacher-Aufruf mit praktischen Tipps verband: «Schliessen Sie das Studium zügig ab. Knüpfen Sie möglichst viele Kontakte. Und wenn Sie sich bewerben, zeigen Sie, dass Sie die Stelle wollen.»

Dissertationen sind zwar für Romanisten kein Muss, aber «schaden kann es nicht», sagte Bliggensdorfer und erntete zustimmendes Kopfnicken auf dem Podium. Auch wenn, wie Barbara Villiger Heilig sagte, der Doktortitel nicht einmal mehr im Feuilleton der NZZ Pflicht ist.

Die Perspektiven im Journalismus schätzte sie als düster ein. Dann doch eher die Schule, obwohl das Unterrichten anspruchsvoller geworden sei und auch an Gymnasien die Stellen rarer werden. Immerhin sei die Bezahlung im Vergleich zu Medienjobs nicht schlecht. «Ich habe einige Kollegen, die glücklich sind im Schulbetrieb.»

Was bleibt hängen? Berufliche Karrieren mit Romanistik sind möglich, auch ausserhalb des Fachbereichs. Doch gilt diese Erkenntnis auch für andere Fächer der Philosophischen Fakultät. Ebenso zentral sind methodische Kompetenzen oder die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen.

Für Dekan Bernd Roeck war klar, es braucht mehr solche Veranstaltungen in der philosophischen Fakultät. «Wir müssen uns Gedanken darüber machen, was jenseits der Universität passiert.»

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