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Expertise für die WHO

Die Weltgesundheitsorganisation ist auf das Fachwissen von Forscherinnen und Forschern angewiesen und unterhält deshalb ein weltweites Netzwerk von 800 Kollaborationszentren. Drei Zentren sind an der Universität Zürich zu finden - zu den Themen Bioethik, Reisemedizin und Suchtforschung.
Adrian Ritter
Biobanken werfen ethische Fragen auf, mit denen sich das Institut für Biomedizinische Ethik der Universität Zürich auseinandersetzt.

Schweinegrippe, SARS und Vogelgrippe - die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kann sich nicht über einen Mangel an aktuellen Herausforderungen beklagen. Dabei wäre die Uno-Organisation schon mit klassischen Krankheiten wie Malaria oder AIDS genug beschäftigt.

Um den Herausforderungen gerecht zu werden, ist die WHO auf die Expertise von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern angewiesen. Da die WHO keine eigenen Forschungsinstitute besitzt, hat sie ab 1948 ein Netzwerk von inzwischen 800 Kollaborationszentren aufgebaut. Sie organisieren sich in thematischen Gruppen, von Nahrungssicherheit über Arbeitsgesundheit bis Bioethik.

In der Schweiz kann die WHO auf die Mitarbeit von 18 Zentren zählen. Allein an der Universität Zürich (UZH) sind es deren drei: das Institut für Biomedizinische Ethik, die Abteilung «Epidemiologie und Prävention übertragbarer Krankheiten» des Institutes für Sozial- und Präventivmedizin und das Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung Zürich, ein assoziiertes Institut der UZH.

Selten mehr als Flugspesen vergütet

Jüngstes UZH-Mitglied im Netzwerk der Kollaborationszentren ist seit April 2009 das Institut für Biomedizinische Ethik (IBME). Institutsleiterin Nikola Biller-Andorno hatte dank ihrer früheren Tätigkeit bei der WHO bereits seit Jahren enge Kontakte zur Organisation.

Eine Forschungseinrichtung muss mindestens zwei Jahre mit der WHO zusammen gearbeitet haben, um Kollaborationszentrum zu werden. Das IBME hatte unter anderem seine Forschungsergebnisse zu ethischen Aspekten rund um Biobanken, Gewebe- und Organspenden in die WHO einfliessen lassen, ein internationales Symposium organisiert und an WHO-Konsultationen teilgenommen.

Die Weltgesundheitsorganisation hat mit einem beschränkten Budget zu kämpfen. Der Status als Kollaborationszentrum bringt daher ausser einer gelegentlichen Flugspesen-Entschädigung kaum finanzielle Vorteile. Eine Ausnahme können gemäss BIller-Andorno konkrete Aufträge sein, etwa zu einer Aufarbeitung forschungsethischer Fragen bei Pandemien: «Ein solches Projekt können wir nur verwirklichen, wenn sich die WHO an den Kosten beteiligt.»

Auf eine lange Zusammenarbeit mit der WHO kann die Abteilung «Epidemiologie und Prävention übertragbarer Krankheiten» des Institutes für Sozial- und Präventivmedizin zurückblicken.

WHO-Agenda mitbestimmen

Die Zusammenarbeit mit der WHO zahlt sich für die Kollaborationszentren vorab auf der nicht-monetären Ebene aus. «Wir nehmen nicht nur die Fragestellungen der WHO auf, sondern können auch Anregungen einbringen», so Biller-Andorno. Ein von der WHO bisher vernachlässigtes Thema seien ethische Fragen rund um Patientenverfügungen. Das IBME erforscht dieses Thema seit längerem auch international vergleichend - möglicherweise wird es nun auch bei der WHO auf die Agenda kommen.

Vor allem profitiere das Institut von der globalen Perspektive und Vernetzung, sagt Biller-Andorno: «Die globale Sichtweise der WHO ist besonders wertvoll, weil sie an eine zentrale Fragestellung am Institut anschliesst: Ist eine universelle Bioethik möglich?»

Die Vernetzung wird in Zukunft noch verstärkt werden, denn das WHO-Netzwerk «Bioethik» soll von derzeit vier auf 15 Kollaborationszentren ausgebaut werden. Davon wird wiederum das neue PhD-Programm «Biomedical Ethics and Law» des IBME profitieren, denn die Doktorierenden werden in den internationalen Austausch mit einbezogen.

WHO ohne eigene Fachleute

Auf eine noch längere Zusammenarbeit mit der WHO kann die Abteilung «Epidemiologie und Prävention übertragbarer Krankheiten» des Institutes für Sozial- und Präventivmedizin zurückblicken. Sie ist seit 1995 Kollaborationszentrum im Netzwerk «Reisen und Gesundheit», das bisher zwei Zentren umfasst und ebenfalls ausgebaut werden soll.

Robert Steffen, bis Ende 2008 Leiter der Abteilung, hatte an der Universität Zürich ab 1988 weltweit die erste Professur für Reisemedizin inne. Entsprechend interessiert war die WHO an einer Zusammenarbeit, zumal sie erst vor einigen Monaten eine eigene Fachperson zum Thema Reisemedizin angestellt hat.

Steffen hat die WHO in den vergangenen Jahren regelmässig beraten, etwa bezüglich der Übertragung von Krankheiten wie Malaria und Tuberkulose durch Flugpassagiere oder der Nebenwirkungen der Malariaprophylaxe, worüber an der Abteilung viel Forschung geleistet wurde. Als Mitglied einer Kommission prägte er zudem massgeblich die revidierte internationale Gesundheitsverordnung der WHO zum Umgang mit Epidemien und Pandemien mit.

Impfstoffe testen

Auch hinsichtlich der Schweinegrippe sind die Sozial- und Präventivmediziner der UZH in die Pandemieplanung der Schweiz wie auch der WHO involviert. «Wir sind zudem mit verschiedenen pharmazeutischen Unternehmen im Gespräch und werden voraussichtlich die neu entwickelten Impfstoffe testen», sagt Professor Christoph Hatz, seit Anfang 2009 neuer Leiter der Abteilung «Epidemiologie und Prävention übertragbarer Krankheiten».

Hatz will die von Steffen aufgebaute Zusammenarbeit mit der WHO weiterführen. Er ist überzeugt, dass diese auch in Zukunft für beide Seiten attraktiv sein wird. Hatz ist in einer Doppelfunktion auch Leiter der medizinischen Abteilung des Schweizerischen Tropeninstitutes in Basel. Gemeinsam können die beiden Reisezentren mit jährlich 25'000 ratsuchenden Reisenden der WHO eine «unschlagbare Datenbasis» offerieren. Aus der Beratung und Behandlung ergeben sich neue Erkenntnisse, die ebenfalls auf die Agenda der WHO gehören, erläutert Hatz am Beispiel von psychischen Problemen oder Verkehrsunfällen von Reisenden.

Forschung mit Nutzen

Biller-Andorno, Steffen und Hatz sind sich einig: Die WHO könnte ohne das Fachwissen der Kollaborationszentren nicht funktionieren. Gleichzeitig sei für die Zentren die Zusammenarbeit mit der Uno-Organisation ein Prestigegewinn und eine Möglichkeit, mit Wissenschaftlern weltweit Forschung zu betreiben, die nicht in der Schublade verschwindet, sondern von hohem praktischen Nutzen ist.