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Wenn der Imam Deutsch spricht

Sollen Imame und islamische Religionslehrer künftig in der Schweiz ausgebildet werden können? Ja, sagen viele Muslime und Schweizer Institutionen in einer neuen Studie der Universität Zürich. Sie erhoffen sich dadurch nicht zuletzt eine bessere Integration des Islams im Schweizer Alltag.
Roger Nickl
Betende Muslime: Eine neue Studie zeigt, dass in breiten Kreisen eine Ausbildung der Imame in der Schweiz erwünscht wäre.

Mit den Einwanderern aus dem Balkan, der Türkei und dem arabischen Raum wurde in den letzten Jahrzehnten auch der Islam in der Schweiz angesiedelt. Richtig heimisch geworden ist er aber bislang noch nicht. Seit geraumer Zeit wird nun darüber diskutiert, Imame – muslimische Vorbeter also – und islamische Religionslehrerinnen und -lehrer in der Schweiz auszubilden und dadurch auch die öffentliche Anerkennung des Islams und die Integration von Muslimen zu fördern.

Übersicht fehlte

Oft wurden diese Diskussionen allerdings lokal und von einzelnen Gruppen geführt – eine schweizweite Verständigung fehlte bislang. In einer Studie im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 58 «Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft», die heute in Bern den Medien präsentiert wurde, haben nun Forscherinnen und Forscher der Universität Zürich die Grundlage für eine breitere und qualifiziertere Auseinandersetzung mit dem Thema geschaffen.

In Interviews mit 117 Musliminnen und Muslimen – darunter Imame und Präsidenten von islamischen Verbänden – wollten der Islamwissenschaftler Ulrich Rudolph und die beiden Religionswissenschaftler Dorothea Lüddeckens und Christoph Uehlinger die Frage klären, ob Imame und islamische Religionslehrerinnen und –lehrer in der Schweiz ausgebildet werden sollen und – falls ja – wie dies geschehen soll.

Zudem wurden 41 schriftliche Stellungnahmen, etwa von politischen Parteien, Hochschulen und den Landeskirchen zur gleichen Frage ausgewertet. Resultat: Ein Grossteil der Befragten spricht sich für die Ausbildung von Imamen und islamischen Religionslehrkräften aus. Zudem scheint ein breiter Konsens darüber zu bestehen, was diese zu leisten hätte.

Die Autoren und die Autorin der Studie (von links): Ulrich Rudolph, Dorothea Lüddeckens und Christoph Uehlinger.

Importierte Imame

Mehr als die Hälfte der über 300'000 Musliminnen und Muslime in der Schweiz stammen aus Bosnien und Albanien. Der Rest kommt vor allem aus der Türkei – arabische Muslime machen dagegen nur einen kleinen Teil aus.

«Diese Situation wird von den jetzigen Imamen nicht immer genügend repräsentiert», sagt Ulrich Rudolph. Denn sie stammen häufig aus der Türkei oder aus dem arabischen Raum und sprechen oft weder die Sprache der religiösen Gemeinschaft noch eine Landessprache. Verständigungsprobleme sind deshalb in vielen islamischen Gemeinden in der Schweiz vorprogrammiert.

Zudem sind die aus dem Nahen Osten importierten Imame meist nicht mit der Schweizer Kultur und den hiesigen Lebensverhältnissen vertraut, so dass sich Kontakte mit Schweizer Behörden und Institutionen schwierig gestalten. Zudem finden die Imame aus dem Ausland oft nur schwer den Draht zu Jugendlichen, die hier aufgewachsen sind.

Unbefriedigende Situation

Für viele in der Schweiz lebende Muslime ist dies eine unbefriedigende Situation. Entsprechend decken sich die Wünsche, Bedürfnisse und Ansprüche, die viele der Befragten in der Studie der Zürcher Forscher äusserten.

Religionslehrerinnen und –lehrer – bis dato oft Autodidakten –, aber vor allem Imame sollten ihrer Meinung nach ein Scharnier zwischen den religiösen Gemeinschaften und der Gesellschaft bilden. Sie müssen über ein solides religiöses Wissen verfügen, genauso aber die Schweizer Verhältnisse kennen, hiesige Werte vermitteln können und dadurch integrativ wirken.

Ein Schweizer Ausbildungsangebot könnte gerade diese Fähigkeiten aufbauen. «In den Gesprächen wurde deutlich, dass Muslime die Ausbildung für Imame und Religionslehrer dazu nutzen wollen, Teil der Schweizer Gesellschaft zu werden und nicht, um sich abzugrenzen», betont Dorothea Lüddeckens.

Von einer zukünftigen Ausbildung, auch dies wurde in der Erhebung immer wieder deutlich, erhoffen sich die Muslime in der Schweiz insbesondere einen Bildungsschub. «Denn auch in Sachen Bildung möchte man nicht mehr zum Hinterhof gehören», sagt die Religionswissenschaftlerin.  

Diskussion versachlichen

Wie eine zukünftige Ausbildung für Imame und islamische Religionslehrer in der Schweiz aussehen könnte, ist derzeit noch völlig offen. Aktuell gibt es an verschiedenen Orten bereits ein rudimentäres Kursangebot, zudem existieren einige noch nicht realisierte Projekte.

«Der Status und die Anerkennung dieser Einzelinitiativen ist jedoch unklar und eine breitere gesellschaftliche Diskussion deshalb notwendig», gibt Ulrich Rudolph zu bedenken. Die aktuelle Studie zeigt auf, dass sich viele der Befragten künftig eine komplette Ausbildung für Imame und Religionslehrer in der Schweiz wünschen.

Diese würde für Imame neben dem Studium der islamischen Theologie – genauso wie bei christlichen Pfarrern – etwa auch Seelsorge, Psychologie und Didaktik umfassen. Vorstellbar wäre aber auch ein modulares System, das eine theologische Ausbildung im Ausland und eine spezifisch auf die Verhältnisse in die Schweiz zugeschnittene Zusatzausbildung vorsähe.

Wie es in der Schweiz künftig um die Ausbildung von Imamen und islamischen Religionslehrern stehen wird, ist letztlich eine Frage des politischen Willens. Gerade die politischen Debatten über den Islam – etwa im Zusammenhang mit dem Minarettstreit – werden jedoch oft von Ressentiments geleitet.

Den Wissenschaftlern der Universität Zürich ging es deshalb auch darum, mit ihrer Studie zur Versachlichung solcher Diskussionen beizutragen. «Das oft unterstellte Bild einer nicht-aufklärungskompatiblen Gemeinschaft zeigte sich in unserer Studie in keiner Weise», betont Christoph Uehlinger, «im Gegenteil, die Muslime haben grosses Vertrauen in die Institutionen der Schweiz – für Politiker sollte das ein positives Signal sein.»