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Medien-Talk

«Staatshilfe - Nein, danke!»

Medienhäuser kämpfen mit Inserateflaute und Online-Konkurrenz. Welche Zukunft der Qualitätsjournalismus haben kann, darüber diskutierten am Dienstag NZZ-Redaktor René Zeller und Frank Esser, Publizistikprofessor an der Universität Zürich.
Adrian Ritter
Online und Print: Wie sich im Internet mit Journalismus Geld verdienen lässt, ist eine offene Frage.

Wie soll es bloss mit der NZZ weitergehen? Sogar die Kinder von René Zeller, Leiter des NZZ-Inlandressorts, lesen nur Gratiszeitungen, wie dieser am Podium eingestand. Und Frank Esser, Professor für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Zürich, fragte sich, ob die «Generation 20 Minuten» jemals willens sein wird, eine zweiseitige Reportage zu lesen».

Übertriebene Schwarzmalerei am Medien-Talk zum Thema «Medien, Markt und Publikum»? Dass die Medien unter Druck sind, steht ausser Zweifel. Esser sieht angesichts von Blogs, Facebook und Bürgerjournalismus das Monopol der Journalisten auf Information schwinden: «Unser Verständnis von Nachrichten ist im Wandel, wird partizipativer.»

Ein gutes Beispiel dafür sei die Berichterstattung über die Anti-Minarett-Initiative. Dass Schweizer Medien am Tag nach wichtigen Abstimmung die Berichte ausländischer Zeitungen kommentieren, sei zwar üblich. Neuerdings würden aber auch Leserreaktionen aus dem In- und Ausland berücksichtigt, um politische Ereignisse einzuschätzen.

Neben solch inhaltlichen Veränderungen kämpfen die Medien mit der Wirtschaftskrise und einer entsprechenden Inserateflaute. Finanziell unter Druck, droht gemäss Esser der recherchierende, teure Journalismus unter die Räder zu kommen. Zudem bestehe die Gefahr einer Wissenskluft: Eine über Qualitätsmedien gut informierte Elite steht Bürgerinnen und Bürgern gegenüber, die sich aussschliesslich über Gratiszeitungen, Privatradios und Onlineportale informieren.

Die grossen Medienhäuser sind gefragt, den Qualitätsjournalismus zu erhalten (von l.): Frank Esser (Universität Zürich), Moderator Michael Baumann und René Zeller (beide NZZ).

Im Netz leidet die Qualität

Bei Online-Medien lasse die Qualität oft zu wünschen übrig, waren sich Esser und Zeller einig und wollten die NZZ natürlich davon ausgenommen wissen. Wenn der Online-Auftritt eines Mediums als «billiges Trainingscamp» für Praktikanten betrachtet werde, sei das Qualitätsproblem nicht verwunderlich, so Esser vor allem mit Blick ins Ausland.

Derzeit kämen nur grosse Medienhäuser mit der entsprechenden Infrastruktur und Erfahrung dafür in Frage, den Qualitätsjournalismus am Leben zu erhalten, stimmten die beiden Referenten überein.

Zahlungsbereitschaft für Online- Inhalte gering

Aber sind die Leserinnen und Leser auch bereit, für Information im Internet zu bezahlen? «Ich weiss es nicht, aber ich hoffe es», so Zeller. Bisher sei es kaum jemandem gelungen, mit Journalismus im Internet Geld zu verdienen, und man sei in der Schweiz weit davon entfernt, entsprechende Konzepte zu haben. Andererseits sei eine NZZ ohne Online-Auftritt undenkbar: «Sonst ist unser Verlag in fünf bis zehn Jahren tot», so Zeller.

Diskutiert würden so genannte «pay zones», also zahlungspflichtige Online-Inhalte. Denkbar sei im Falle der NZZ beispielsweise, das digitalisierte Archiv (seit 1870) in dieser Form zugänglich zu machen. Man dürfe sich allerdings angesichts der Fülle von Gratisinformation im Internet keinen Illusionen hingeben, was die Zahlungsbereitschaft anbelange, so Zeller.

Dauerhafte Finanzierung gefordert

Esser sprach gar von einem «Witz»: Mit Beiträgen von ein bis zwei Franken pro Artikel lasse sich doch keine NZZ finanzieren. Medienhäuser bräuchten verlässliche, dauerhafte Finanzierungsquellen, wie etwa bei öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehstationen. Es sei letztlich an der Gesellschaft, zu entscheiden, ob sie sich einen Qualitätsjournalismus leisten wolle, der nicht nur einer Elite zugänglich sei.

Als gesellschaftliche Beteiligung am Qualitätsjournalismus kann sich Esser staatliche Subventionen, Mäzen oder Stiftungen vorstellen. Sogar Staatsgelder seien nicht abwegig, denn auch ein Teil der Radio- und Fernsehgebühren werde an private Medien verteilt.

«Nein, danke», meinte René Zeller zur Staatshilfe. Eher würde ein Abopreis von 1000 oder 1500 Franken pro Jahr diskutiert werden.

Auch wenn seine Kinder derzeit keine NZZ lesen, ist Zeller zuversichtlich: «Ich glaube daran, dass es einen Markt gibt für verschiedene Formen von Qualitätsjournalismus, von der NZZ bis zur WOZ.»