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500. Geburtstag von Johannes Calvin

Calvin - ein Religionsflüchtling und sein Werk

Zum 500. Geburtstag von Johannes Calvin im Jahre 2009 findet an der Universität Zürich eine interdisziplinäre Veranstaltungsreihe statt. Prof. Emidio Campi gab im ersten Referat einen Überblick über das Leben und Wirken des Reformators.
Adrian Ritter
«Calvin war ein Mann mit Ecken und Kanten»: Prof. Emidio Campi vom Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte der UZH.

«Calvin war mit Sicherheit kein angenehmer Charakter, sondern ein Mann mit Ecken und Kanten», so Emidio Campi, Leiter des Institutes für Schweizerische Reformationsgeschichte an der UZH. «Gefürchtet und geliebt: Calvin in seiner Zeit», lautete denn auch der Titel seines Referates. Calvin selber meinte in seinen Abschiedsworten an die Genfer Pfarrer, auf sein Leben zurückblickend, man habe ihn immer mehr gefürchtet als geliebt.

Es war ein bewegtes Leben, das 1509 in Nordfrankreich seinen Anfang nahm. Calvin gehörte zur zweiten Generation der Reformatoren, war nicht Initiator der reformatorischen Bewegung, sondern fand den Protestantismus in seiner Frühentwicklung vor. So begann er sich schon in jungen Jahren mit den Ideen Luthers zu befassen und floh aufgrund der verschärften Verfolgung der Protestanten 1535 aus Frankreich nach Basel.

Jugendlicher Publizist

Erst 25-jährig, schrieb der Religionsflüchtling sein theologisches Hauptwerk «Christianae Religionis Instiutio» (Unterricht in der christlichen Religion). Das Werk hat mit Calvins eigener Entwicklung mehrere Umarbeitungen erfahren. «Es gilt heute als die einflussreichste Gesamtdarstellung christlicher Lehre des reformierten Protestantismus», so Emidio Campi.

Nach einem ersten Aufenthalt in Genf war Calvin einige Jahre als Pfarrer der französischen Flüchtlingsgemeinde in Strassburg tätig. Diese Jahre begründeten seine Wende vom theologischen Publizisten zum Reformator. Seine bisherige Prägung durch Luther fand in dieser Zeit eine Veränderung und Erweiterung. 1541 kehrte er nach Genf zurück, wo er bis zu seinem Lebensende 1564 tätig war.

Die Schweizerische Post gedenkt des 500. Geburtstags von Johannes Calvin mit einer Briefmarke. (Bild: Die Post)

Kirche und Gesellschaft verändern

Schon nach kurzer Zeit legte Calgin in Genf eine neue Kirchenordnung vor, die dem Reformationswerk Konturen verlieh. So führte Calvin etwa die «epochemachende Vier-Ämter-Ordnung der Gemeinde» (Pfarrer, Lehrer, Älteste, Diakone) ein und hob die Bedeutung der Laien hervor.

Aber nicht nur das kirchliche, sondern das ganze private und öffentliche Leben wollte Calvin umgestalten. «Ein neues Volk in Glaubenstreue, sozialem Pflichtbewusstsein und emsiger Arbeit sollte heranwachsen», so Campi. So war beispielsweise das in calvinistischen Gemeinden neu geschaffene Gremium des «Konsistorium» unter anderem dafür zuständig, gegen unzüchtiges Verhalten und öffentliche Trunkenheit vorzugehen.

Nicht immer ging der Reformator bei der Umsetzung seiner Ideen zimperlich vor. So gab es gemäss Campi auch in Calvins Genf Hexenverbrennungen, Folterungen und Verbannungen. Kein Wunder also, war Calvin mehr gefürchtet als geliebt. «Andererseits war er zweifellos der Baumeister, dessen unermüdliches Wirken als Prediger, Bibelexeget, theologischer Lehrer und Organisator die Genfer Reformation zur Vollendung brachte», so der Referent.

Theologisch nahm Calvin dabei in gewichtigen Fragen abweichende Positionen ein. So lehnte er etwa die Unterordnung der Kirche unter den Staat ab, sei sie lutherischer oder zwinglischer Art. Calvin trat zwar für eine Staatskirche ein, der alle angehören müssen. Die Kirche dürfe sich allerdings nicht die Vorherrschaft über die weltliche Macht anmassen, und die Obrigkeit dürfte nicht die geistliche Funktion der Kirche an sich reissen.

Charakteristisch war auch Calvins Ansicht zur Prädestinationslehre. Dass der Mensch gerechtgesprochen wird, lasse sich keineswegs auf den Menschen selbst und sein Handeln zurückführen, sondern sei Ausdruck der freien Gnade Gottes.

Theologen im Gespräch (von links): Prof. Emidio Campi, Hans Heinrich Schmid, ehemaliger Rektor der UZH und Prof. Konrad Schmid, Dekan der Theologischen Fakultät der UZH.

Wirkung in ganz Europa

Calvin verstand sich nicht als «Stadtreformator», sondern hoffte auch, Genf werde die weitere Einheit der schweizerischen reformierten Kirchen fördern und als Vorbild für die Reformation in Europa dienen.

Die freundschaftliche Verbundenheit mit dem Zürcher Reformator Heinrich Bullinger half ihm dabei, ein internationales Netzwerk zu bilden. «Kaum einen ernsthaften Kampf hat Calvin ohne die mehr oder weniger intensive Beteiligung Bullingers bestanden», so Campi. Dies sei auch daran erkennbar, dass Calvin während seiner Amtszeit fünfmal die beschwerliche Reise nach Zürich unternahm, um Bullinger um Rat zu fragen.

Die Mühen sollten sich auszahlen. Während die lutherische Reformation sich auf die Achse Skandinavien-Wittenburg-Innsbruck konzentrierte, erstreckte sich die Reformation von Calvin und Bullinger über ganz Europa.

Dabei erwiesen sich Calvins Ideen auch immer wieder als kreative Quelle nicht nur in der Theologie, sondern auch in Kultur, Wirtschaft und Politik. So entwickelten sich beispielsweise die calvinistischen Akademien und Universitäten zu den bedeutendsten Ausbildungsstätten auf dem europäischen Kontinent.