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Gerry Mulligan und Chet Baker konnten es. Jack Lemmon und Walther Matthau konnten es. Und auch die Grasshoppers konnten es – früher einmal. Zusammenspielen nämlich. Können es auch Forscherinnen und Forscher?
Wissenschaft ist zu grossen Teilen Teamplay. Sichtbar wird das allerdings selten. Zwar ist allenthalben von Netzwerken die Rede, doch wenn es um die Repräsentation wissenschaftlicher Leistungen geht, stehen in der Regel Einzelpersonen im Rampenlicht. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. 1987 etwa wurden – um ein prominentes Beispiel aus dem Umkreis der UZH zu nennen – die Entdecker der Hochtemperatur-Supraleiter mit dem Nobelpreis geehrt. Auf klassische Weise ergänzten sich in diesem Zweiergespann die Schüler- und die Lehrerrolle: einerseits der erfahrene K. Alex Müller, der den Überblick und die richtige Intuition hatte, anderseits Georg Bednorz, der den jugendlichen Elan und den Durchhaltewillen mitbrachte.
Die richtige Mischung machts. Das gilt auch für das Verhältnis von Selbstständigkeit und Teamgeist. Wir stellen im Dossier Teamplayer Forschungsgruppen der Universität Zürich aus verschiedenen Bereichen vor, aus der Medizin, der Verhaltensbiologie, der Religionswissenschaft oder der Physik. In jeder dieser Gruppen kommt der Eigeninitiative, der Fantasie und der Tatkraft der einzelnen Mitglieder ein hoher Stellenwert zu. Umgekehrt entspringt der Gruppe oft die Inspiration für neuartige Fragestellungen. Und wenn ein unkonventioneller Ansatz tatsächlich weiterverfolgt werden soll, vermittelt sie den nötigen Ansporn und den Rückhalt.
In allen Gruppen war zu erfahren, dass Originalität und Teamwork kein Widerspruch sind, sondern zwei Komponenten erfolgreicher Forschung, die sich wechselseitig bedingen. Das deckt sich mit den Erkenntnissen des Göttinger Soziologen Horst Kern, der sich mit den organisatorischen Voraussetzungen von Forschungsqualität beschäftigt und kürzlich in einem Vortrag an der UZH Einblicke in seine Untersuchungen gab. Sein Fazit war: Gute Forschung entsteht, wenn Einzelne aus starken Clustern heraus ihren eigenen Weg suchen.
Die Forschungsgruppen, die hier vorgestellt werden, haben alle ihr ganz eigenes Gepräge. Eine Gemeinsamkeit besteht in organisatorischer Hinsicht darin, dass die Mitglieder jeweils räumlich nahe beieinander an zusammenhängenden oder zumindest verwandten Projekten arbeiten. Sie stehen untereinander also ständig in Kontakt. Die Gruppen sind damit weit mehr als Tauschbörsen für reines Fachwissen. Sie bieten gewissermassen Spiel- und Experimentierräume. Hier kann man neue Ideen auf ihre Tragfähigkeit testen, hier lässt sich das argumentative Rüstzeug schärfen. Insbesondere junge Forschende erwerben in der Gruppe die Fähigkeiten, die es braucht, um sich in der Wissenschaft durchzusetzen.
Was gibt in Forschungsgruppen den Ausschlag für ein gutes Teamplay? Klaus Jonas, Professor für Sozial- und Wirtschaftspsychologie an der UZH, hat sich mit dieser Frage beschäftigt – und will sich ihr zukünftig vertieft im Rahmen eines beim Nationalfonds beantragten Projekts widmen. «Ob Arbeitsgruppen motiviert und produktiv arbeiten, hängt entscheidend von der Führungsperson ab», sagt er.
Fünf Forderungen müssen Teamleiterinnen und -leiter nach Jonas’ Dafürhalten erfüllen. Sie sollten erstens auf die Gruppen intellektuell stimulierend wirken und ihnen zweitens dem individuellen Kompetenzgrad entsprechende Freiräume zugestehen. Drittens, so Jonas, sei Fairness entscheidend fürs Gruppenklima, dazu gehöre etwa eine dem jeweiligen Beitrag entsprechende Erwähnung in Publikationen. Viertens sollte Gruppenmitgliedern durch Überprüfung von Zwischenschritten ein klares Gefühl dafür gegeben werden, wo sie mit ihrer Leistung stünden. Und fünftens – ganz wichtig! – sollten Leitungspersonen für Werte und Qualitätsansprüche einstehen und eine Vision davon vermitteln, was sie zusammen mit der Gruppe erreichen wollten. «Gemeinsame Werte und Visionen», sagt Jonas, «sind die Bedingung dafür, dass sich die Teammitglieder mit ihrer Arbeit identifizieren.»
An der Universität Zürich sind die institutionalisierten Formen vernetzter Forschung inzwischen zahlreich. Zu nennen wären etwa Forschungsschwerpunkte, Kompetenzzentren, Graduate Schools und Peer-Mentoring-Projekte. Die Bedeutung der Forschung im Verbund wird weiter zunehmen. «Es ist ein wichtiges Ziel der begonnenen Erneuerung der Doktoratsstufe, Nachwuchsforschende vermehrt in Bezugsnetze einzubinden», sagt Thomas Hidber, Leiter der Fachstelle Studienreformen. Den Forschungsgruppen als gewissermassen kleinsten sozialen Einheiten im Wissenschaftssystem kommt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zu. Sie sind ein Modell mit Zukunft.