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Wie Kinder teilen

Fairness bei Kindern

Der Homo oeconomicus, der nur auf sein eigenes Wohl bedacht ist, verkommt immer mehr zur Legende. Denn bereits im Alter von 7 bis 8 Jahren ist der Mensch am Wohl der anderen interessiert. Damit ist der Homo sapiens bisher die einzige Spezies, bei der sich die Individuen bereits in der Kindheit an Ungleichheit stossen.
Brigitte Blöchlinger

Die Studie des Ökonomen Ernst Fehr, Direktor des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung der UZH, und der Erfurter Mikroökonomin Bettina Rockenbach konnte nachweisen, dass bei 3- bis 6-jährigen noch Eigennutz vorherrscht, die 7- bis 8-jährigen jedoch bereits eine Präferenz für das Wohl der anderen zeigen. Diese Präferenz äussert sich in Form der so genannten Ungleichheitsaversion: 7- bis 8-Jährige achten beim Teilen darauf, dass sowohl sie selbst als auch die anderen gerecht behandelt werden, meint: beide gleich viel erhalten.

Einmalige evolutionäre Entwicklung

Diese Entwicklung konnte bisher bei anderen Spezies nicht nachgewiesen werden. Sie ist vermutlich eine entscheidende Erklärung für die aussergewöhnliche Kooperationsfähigkeit der Menschen, folgern Fehr und Rockenbach.

Wo die evolutionären Wurzeln dafür liegen, dass sich Menschen auch für das Wohlergehen der anderen interessieren, ist bisher weitgehend unbekannt. Ein besseres Verständnis der Entwicklung von Altruismus über das Lebensalter verspricht tiefere Einsichten in die evolutionären Wurzeln des unterschiedlichen Kooperationsverhaltens der Spezies.

Fast die Hälfte 7- bis 8-jährigen Kinder teilt mit dem anderen, die deutliche Mehrheit zeigt eine Präferenz für das Wohlergehen des anderen.

Das experimentelle Setting

Die experimentelle Studie wurde an der Universität Zürich von Prof. Ernst Fehr, Helen Bernhard und Prof. Bettina Rockenbach durchgeführt. Es wurden 229 Kinder im Alter von 3 bis 8 Jahren einbezogen. Die Kinder spielten drei verschiedene Spiele, in denen sie eine wertvolle Ressource (verschiedene Süssigkeiten) zwischen sich und einem anonymen (von Spiel zu Spiel wechselndem) anderen Kind aufteilen mussten. Etwa die Hälfte der Kinder führte diese Entscheidung im Wissen durch, dass das andere Kind aus demselben Kindergarten bzw. derselben Schule ist. Die andere Hälfte der Kinder wusste, dass das andere Kind einem anderen Kindergarten bzw. einer anderen Schule angehört.

Vom Eigennutz zur Ungleichheitsaversion

Bei den 3- bis 4-jährigen Kindern ist Eigennutz die vorherrschende Verhaltensweise. Bei der Aufteilung maximieren sie die eigene «Auszahlung» und zeigen kaum eine Präferenz für das Wohlergehen der anderen. 5- bis 6-jährige Kinder zeigen zwar ein gegenüber den jüngeren gesteigertes Interesse am Wohle der anderen, dennoch ist auch hier Eigennutz das vorherrschende Verhalten.

Betrachtet man hingegen die 7- bis 8-Jährigen, so ergibt sich ein deutlich anderes Bild: fast die Hälfte der Kinder dieses Alters teilt mit dem anderen, und die deutliche Mehrheit zeigt eine Präferenz für das Wohlergehen des anderen. Dabei geht es in erster Linie um die Herstellung von Auszahlungsgleichheit: das andere Kind soll weder mehr noch weniger als das aufteilende erhalten.

Eigene Gruppe wird bevorzugt

Kinder der eigenen Gruppe (Kindergarten bzw. Schule) erhalten mehr Süssigkeiten zugeteilt als die einer fremden Gruppe. Diese Bevorzugung steigt mit dem Alter an: die 7- bis 8-Jährigen zeigen eine starke Bevorzugung der eigenen Gruppenmitglieder.

«Die simultane Entwicklung von altruistischem Verhalten und Gruppenbevorzugung gibt interessante neue Impulse für die Vermutung, dass diese beiden Prozesse durch denselben evolutionären Prozess getrieben werden», betont Ernst Fehr und weist darauf hin, dass dies keinesfalls die Bedeutung der zeitgleich stattfindenden kulturellen und sozialen Entwicklung der Kinder schmälert. «Im Gegenteil: die kulturelle Bedeutung des Teilens mag ein entscheidender Faktor für die Evolution der Ungleichheitsaversion sein», so Fehr.

Unterschiede zum Schimpansen

Bettina Rockenbach, Wirtschaftswissenschaftlerin von der Universität Erfurt weist auf die Unterschiede zum Verhalten von Schimpansen hin: «Erwachsene Schimpansen zeigen in einer Aufteitlung mit einem identifizierbaren Bekannten keine Präferenz für Teilen auf. Fast die Hälfte der 7- bis 8-jährigen Kinder hingegen teilt sogar mit einem anonymen anderen.»