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Symposium des NCCR Strukturbiologie

Den Proteinen bei der Arbeit zusehen

Seit dem Start des Nationalen Forschungsschwerpunktes (NCCR) Strukturbiologie im Jahr 2001 hat das Forschungsgebiet grosse Fortschritte gemacht. Am Montag und Dienstag gab das sechste NCCR-Symposium Anlass zu einer Standortbestimmung.
Theo von Däniken

Markus Grütter: «Zürich ist auf der Weltkarte der Forschung ein wichtiger Markstein.»

Nach sieben Jahren Laufzeit zieht Markus Grütter, Direktor des NCCR Strukturbiologie und Professor am Biochemischen Institut der Universität Zürich eine äusserst positive Zwischenbilanz: «Mit Hilfe des NCCR konnte in Zürich ein weltweit führendes Strukturbiologie Zentrum aufgebaut werden, vor allem betreffend Membranproteinen und Proteinkomplexen», erzählt Grütter voller Stolz. Denn dank des NCCR, an dem neben der Universität Zürich die ETH Zürich, das Paul Scherrer Institut und die Universität Basel beteiligt sind, ist Zürich nicht einfach ein unbedeutender Punkt, sondern ein wichtiger Markstein auf der Weltkarte der Forschung.

Das zeigen zum einen die hochkarätigen Vorträge, die an den beiden Tagen am NCCR-Symposium zu hören waren: «Das Symposium ist eine hervorragende Gelegenheit, sich international auf den aktuellsten Stand der Forschung zu bringen», meint Grütter. «Wir sehen, wo wir im internationalen Vergleich stehen und hören, womit sich andere Gruppen beschäftigen.»

Wie gelangen Signale in die Zelle?

Zeugnis für die Qualität der Forschung am NCCR legen auch die Publikationen ab, die im Rahmen des Programms entstehen. Ricarda Hilf beispielsweise konnte ihre Arbeit in diesem Frühjahr in «Nature» veröffentlichen. Der Doktorandin in der Gruppe von Raimund Dutzler am Biochemischen Institut der Universität Zürich gelang es erstmals, detailliert die Struktur eines Proteins aufzuzeigen, das als Neurotransmitter-Rezeptor die Signalübertragung zwischen Nerven- und Muskelzellen steuert. Dockt ein Neurotransmitter an dem Protein an, so öffnet es in der Zellmembran einen Kanal, durch den bestimmte Ionen in die Zelle eingeschleust werden.

Ricarda Hilf konnte erstmals die Struktur eines Neurotransmitter-Rezeptors detailliert aufzeigen.

Neurotransmitter-Rezeptoren sind im Vergleich zu anderen Proteinen nicht sehr stabil. Deshalb ist es besonders schwierig, die Proteine zu kristallisieren. Nur in der kristallisierten Form ist es jedoch möglich, die Struktur der Proteine zu analysieren. Dafür benötigte Hilf spezielle Apparaturen am Paul Scherrer Institut. Dank der detaillierten Struktur kann Hilf nun das Protein in verschiedenen Zuständen genau studieren. «Wir wissen zum Beispiel noch nicht, wie das Signal innerhalb des Proteins weitergegeben wird oder wie der Ionenkanal geöffnet wird», erklärt Hilf.

Enge Zusammenarbeit

Dass die beteiligten Forscherinnen und Forscher dank des NCCR auf eine besser ausgebaute Infrastruktur zurückgreifen können, ist für Grütter einer der Vorteile der intensiven Zusammenarbeit mit den anderen Hochschulen. «Die Kristallisation von Proteinen ist für die Strukturbiologie zentral», erklärt Grütter. «Dank der engen Zusammenarbeit mit der ETH durch das NCCR konnten wir die nötige Einrichtung gemeinsam aufbauen und dadurch leistungsstärkere Anlagen leisen.» Das wirkt sich nicht nur auf die Menge, sondern auch auf das Tempo der Forschung aus.

Wie werden Proteine zusammengebaut?

Auch Mireille Nishiyama aus der Arbeitsgruppe von Rudi Glockshuber am Institut für Molekularbiologie und Biophysik der ETH Zürich hat ihre Untersuchung zu so genannten Pili, fadenartigen Haftorganen an der Oberfläche von Bakterien, in der Online-Ausgabe der renommierten Zeitschrift «Science» publiziert. Pili spielen eine wichtige Rolle bei bakteriellen Infektionen. Nishiyama ist es gelungen, erstmals Pili im Reagenzglas nachzubauen. Dabei hat sie wichtige Erkenntnisse darüber gewonnen, wie und unter welchen Bedingungen an der Zellmembran des Bakteriums einzelne Proteine zu den langen Fäden zusammengesetzt werden.

Mireille Nishiyama baute so genannte «Pili» im Reagenzglas nach.

Mit Hilfe einer genauen Strukturanalyse von Zwischenstufen des wachsenden Pili im Komplex mit einem Katalysatorprotein will sie nun herausfinden, wie diese Prozesse im Detail ablaufen. «Wenn wir die Funktion des Katalysatorproteins besser kennen, dann können wir gezielt nach Substanzen suchen, die das Zusammensetzen der Eiweisse zu Fäden blockieren», erläutert Nishiyama. Dies könnte für eine medizinische Therapie gegen zahlreiche bakterielle Infektionen genutzt werden.

Wie sich Proteine falten

Ist ein Ziel der Strukturbiologie, Strukturen von Proteinen zu analysieren, so interessiert sich der Physiker Daniel Nettels, Postdoc in der Arbeitsgruppe von Ben Schuler am Biochemischen Institut der Universität Zürich für die Frage, wie Proteine überhaupt zu ihrer definitiven Struktur kommen. Proteine sind zunächst lange, unspezifisch geformte Ketten von Aminosäuren. Sie können sich jedoch spontan, das heisst ohne Einwirkung von Aussen zu ihrer stabilen Form falten.

Daniel Nettels bringt Proteine zum Leuchten.

Mit einer neuartigen Methode ist es Nettels möglich, quasi zuzuschauen, wenn sich die Proteine falten. Im Gegensatz zu den gefalteten Proteinen, die kristallisiert und danach mit Röntgenkristallographie analysiert werden können, entziehen sich die unbeständigen Molekülketten einer solchen Analyse.

Um die Faltung beobachten zu können, wenden Nettels und seine Kollegen deshalb einen Trick an: Sie bringen an beide Enden der Ketten bestimmte Marker-Moleküle an. Dann wird einer dieser Marker mit einem hochfokussierten Laserstrahl zum Leuchten gebracht. Je nachdem, wie weit der Marker am anderen Ende der Kette von diesem Molekül entfernt ist, beginnt er in einer anderen Farbe zu leuchten. Aufgrund der unterschiedlichen Farben kann Nettels die Distanz der beiden Moleküle und damit annähernd die Form der Kette bestimmen. Auch diese Arbeit ist nur möglich dank enger interdisziplinärer Zusammenarbeit.

Enorme Entwicklung

Das Beispiel von Nettels zeigt, dass die Forschenden ihre Instrumente laufend verbessern, um noch bessere Einblicke in die Gestalt und Entstehung von Proteinen zu erhalten. «Seit dem Start des NCCR konnten die Methoden enorm weiterentwickelt werden», sagt Grütter. Immer wichtiger wird dabei auch die theoretische und computergestützte Biologie. Sie ermöglicht es, aus den biochemischen Daten, die beispielsweise in einer Zelle gesammelt werden, Modelle zu errechnen. An solchen Modellen lassen sich Verhalten und Eigenschaften von komplexen Strukturen voraussagen, die dann im Labor gezielt überprüft werden können.

Die Strukturbiologie wird sich deshalb noch stark weiter entwickeln, ist Grütter überzeugt. Er hofft, dass die guten Voraussetzungen, die in Zürich nun geschaffen wurden, auch nach dem Auslaufen des NCCR 2013 weiter geführt werden können. Vorerst geht das Programm im nächsten Jahr in die dritte vierjährige Projektphase.