Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Freisetzungsversuch mit gentechnisch verändertem Weizen

Kein Brot vom Reckenholz

Der Einsatz von Gentechnologie in der Landwirtschaft löst bei vielen Menschen Ängste aus. Bei einem Rundgang auf der Versuchsanlage Reckenholz können sich Interessierte vor Ort über Sinn und Zweck der Versuche mit gentechnisch verändertem Weizen sowie über die Sicherheitsvorkehrungen informieren.
Marita Fuchs

Forschung mit Gentechnik hat es schwer in der Schweiz. Diffuse und ganz konkrete Ängste sind mit der neuen Forschungsrichtung verknüpft. «Ich habe Angst, dass ich mich vergifte, wenn ich Brot von genmanipuliertem Weizen esse», äussert ein älterer Mann seine Bedenken auf einer Führung durch das Versuchsgelände in Reckenholz. Am Samstag war die Bevölkerung eingeladen, sich über die Versuche zu informieren.

Das Versuchsgelände in Reckenholz wird seit der Zerstörungsaktion vom 13. Juni rund um die Uhr überwacht.

Die Kommunikationsbeauftrage des Konsortium-Weizen.ch, Petra Bättig, und Simon Zeller, Doktorand am Institut für Umweltwissenschaften der Universität Zürich, standen Red und Antwort. Der Weizen, der hier genetisch verändert werde, sei nicht für den Verkauf bestimmt, es werde ganz bestimmt kein Brot aus dem Weizen gebacken, erklärte Petra Bättig. Auf dem Versuchsgelände werde Grundlagenforschung betrieben, erläuterte Simon Zeller in der Einführung.

Mehltauresistenz erforschen

Was aber steckt konkret hinter den Versuchen? Untersucht wird die Pilzresistenz am Beispiel von Mehltau. Pilze, wie zum Beispiel der Mehltau, können bei Weizen grosse Ernteverluste verursachen. Es soll untersucht werden, ob Pflanzen mit Hilfe der Gentechnik vor Mehltau geschützt werden können.

Doktorand Simon Zeller erläutert den Besuchern anhand eines Modells wie auf dem 2 Hektaren grossen Gelände gentechnisch veränderter Weizen gezogen wird, der gegen Mehltau resistent sein soll.

Im Labor sind die gentechnisch veränderten Weizenpflanzen besser vor Pilzinfektionen geschützt. Die Forschenden wollen nun wissen, ob sie diese Eigenschaft auch unter natürlichen Feldbedingungen, etwa mit Wind und Regen, zeigen. Gleichzeitig untersuchen sie die Auswirkungen auf Flora und Fauna auf dem Versuchsfeld, etwa auf Mohnblumen, Regenwürmer oder Insekten.

Weizen haben die Forscher deshalb als Modellpflanze ausgewählt, weil er anders als etwa Raps oder Mais selbstbestäubend ist, seine Pollen schwer sind und sich nur wenige Meter verbreiten können.

Dem Doktoranden Simon Zeller ist es wichtig, alle Seiten abzuwägen, den Biolandbau, die konventionelle Landwirtschaft und eben auch die Gentechnik auf dem Acker. «Das ist Forschung zum Anfassen», erläutert der Umweltwissenschaftler. «Wir sehen die Weizenpflanzen nicht nur im Lehrbuch. Es ist beeindruckend, wenn die einen Pflanzen vom Mehltau befallen werden und die anderen völlig unbehelligt dastehen.»

Während der Führung erklärt die Kommunikationsbeauftragte Petra Bättig, dass hiesige Weizensorten häufig nach Schweizer Bergen benannt wurden.

Vor- und Nachteile für die kleinparzellige Schweiz abwägen

Viele Aspekte seien noch nicht geklärt. Dazu gehöre beispielsweise die Frage, wie in den kleinparzelligen Strukturen der Schweizer Landwirtschaft gentechnische und konventionelle Landwirtschaft nebeneinander existieren können. Die Wissenschaftler wissen, dass der Nutzen von Gentechnik bei Pflanzen für die Schweiz umstritten ist, es bestehen Bedenken wegen möglicher Risiken für die Umwelt. Das alles gelte es abzuwägen und in Forschungsberichten festzuhalten, sagte Petra Bättig. Erst dann könnten politische Entscheide über den Einsatz der Gentechnik in der Schweiz gefällt werden.

Petra Bättig findet es zudem problematisch, wenn die Schweiz sich ganz aus der Gentechnik zurückziehen würde. «Wichtiges Know-How ginge hier verloren», meint sie. Tatsache ist: Weltweit verkauft die Gentech-Industrie immer mehr ihres Saatguts - 43 Prozent der damit bestellten Ackerfläche liegen in Schwellen- und Entwicklungsländern, allen voran Argentinien, Brasilien, Indien und China.

Jeans aus gentechnisch veränderter Baumwolle

«Die sogenannte Bt-Baumwolle des Saatgut-Konzerns Monsanto gilt als Erfolg», erzählt Bättig auf der Führung. Weltweit würden heute bereits fast 114 Millionen Hektaren genetechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Dies entspricht fast 30 Mal der Fläche der Schweiz. Der Trend zeigt, dass immer mehr Pflanzensorten in immer mehr Ländern angebaut werden. «Die Jeans, die Sie tragen, sind vielleicht in China hergestellt. Dann sind sie mit grosser Wahrscheinlichkeit aus gentechnisch veränderter Baumwolle produziert», sagt Bättig einem Besucher, der dann doch froh ist, dass seine Jeans aus Frankreich kommt.

Petra Bättig und Simon Zeller führen die Besuchergruppe zum Besuchsfeld. Sicherheit wird gross geschrieben: Ein Maschendrahtzaun und Stacheldraht umgibt das zwei Hektar grosse Versuchsfeld. Im Umkreis von 100 Metern um das Versuchsgelände darf kein Weizen, Roggen oder Triticale, eine Kreuzung zwischen Weizen und Roggen, angebaut werden. Erntegut, das nicht weiter verwendet wird, muss in der Kehrichtverbrennungsanlage vernichtet werden. Bis zwei Jahre nach Abschluss der Versuche muss das Gelände regelmässig nach möglichem gentechnisch verändertem Weizen abgesucht werden.

Zerstörung mit Gewalt und Sichel am Freitag dem 13.

Einen Rückschlag haben die Versuche vor einer Woche erlitten: Trotz der grossen Sorgfalt seitens der Wissenschaftler drangen 35 Personen in die Versuchsanlage ein und zerstörten das Feld. «Sie haben die Pflanzen nicht nur abgeschnitten, sie wurden mit der Wurzel herausgerissen.» Noch ist nicht klar, wie sich die Zerstörungsaktion auf die Versuche auswirken wird. «Das ist ein Riesenverlust für unsere Arbeit», mein Simon Keller enttäuscht.

Auch Petra Bättig hat kein Verständnis für die Aktion, denn die Forschenden sind interessiert an einem Dialog mit ihren Kritikern. Gelegenheit dazu bieten unter anderem die Führungen über die Versuchsfelder.

Am 5. Juli finden weitere Führungen auf dem Gelände statt. Alle Interessierten seien herzlich eingeladen, sich selbst ein Bild zu machen und sich rundum zu informieren, sagt Petra Bättig.