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Professoren an den Gymnasien

Die Universität Zürich geht zur Schule

Professorinnen und Professoren der Philosophischen Fakultät besuchen Zürcher Kantonsschulen und bringen den Schülerinnen und Schülern ihr jeweiliges Fach in einer Unterrichtsstunde näher.
Brigitte Blöchlinger

Die Mittagspause der Maturaklasse am Liceo Artistico ist an diesem sonnigen Mittwoch kurz. Um 13 Uhr 15 sitzen die Schülerinnen und Schüler bereits wieder in einem schattigen Klassenzimmer. Angekündigt ist eine Geschichtsstunde mit einem Professor der Universität Zürich, mit Bernd Roeck vom Historischen Seminar, der als Gastreferent über den europäischen Hexenwahn sprechen wird.

«Das hier ist keine didaktische Probelektion, Sie brauchen also nicht besonders artig zu sein», sagt Roeck zu Beginn und hat damit die Aufmerksamkeit der rund zwanzig Schülerinnen und Schüler geweckt. Auf die nächste Frage, wer von den Anwesenden an Hexen glaube, reckt sich nur eine Hand zaghaft in die Höhe. Auf die Präzisierung: Wer an «Hexen» mit magischen Fähigkeiten glaube, sind es schon mehr. Die meisten haben von der feministischen Uminterpretation des Begriffs Hexe gehört, womit Frauen mit Heilkünsten und anderen ausserordentlichen «weiblichen» Fähigkeiten verstanden werden. Als Roeck dann schildert, was in der frühen Neuzeit zu einer Hexe gehörte, zeichnet sich ein völlig anderes Bild ab, das nur auf dem Fundament einer zutiefst religiös geprägten Bevölkerung, wie sie heute hierzulande nicht mehr existiert, möglich ist.

Die Maturaklasse am Liceo Artistico nach der Gastlektion des Geschichtsprofessors Bernd Roeck (hinten) von der Universität Zürich.

Kinder fressen, mit dem Teufel schlafen

Früher sagte man den Hexen weit reichende Kräfte über Leben und Tod nach. Zum Beispiel, dass sie das Wetter beeinflussten – und damit eine Hungersnot auslösen konnten. Hexen wurden aber auch für Seuchen wie die Pest verantwortlich gemacht und allgemein zum Sündenbock für unerklärliche Krankheiten und Todesfälle erklärt. Weil damals sehr viele Kinder früh verstarben, findet man unter den als Hexen verurteilten Frauen überdurchschnittlich viele Hebammen. Hexen waren ausserdem im Volksglauben vor allem Ungläubige, die mit dem Bösen paktierten: Sie hatten nicht nur Beischlaf mit dem Teufel, sie schlachteten auch kleine Kinder und verzehrten sie. Im 17. Jahrhundert glaubte die Mehrheit der Bevölkerung an diese Sorte Hexen.

Jede eine potentielle Hexe

Die Hexenjagd war in der frühen Neuzeit nicht Sache einiger weniger Inquisitoren, sondern ein «Volkssport». Hinz und Kunz forschte zum Teil penibel im näheren Umfeld nach Hexen und forderte die lokalen Behörden auf, etwas gegen diese und jene Verdächtigen zu unternehmen. Verdächtig konnte bereits eine grosse Nase, ein Buckel, rote Haare, eine schwarze Katze oder ein undefinierbares Geräusch auf dem Dachboden sein. Das «Hexengeschmeiss» sollte ausgerottet werden, und die Städte und Dörfer standen in einem regelrechten Wettstreit, wer sein Gebiet als «hexenfrei» erklären konnte.

Geständnisse unter Folter

Um zu einem Geständnis zu kommen, schreckte man in den Hexenprozessen auch vor Folter nicht zurück. In dieser von Kriegen um den einzig wahren Glauben tief geprägten Zeit galten Foltergeständnisse als Beweise. Mit ausgerenkten Armen, gezogenen Nägeln oder auf dem Streckbett bezichtigten auch unbescholtene Bürgerinnen sich selbst der Hexerei. Fragte man sie unter Folter nach Helfern, nannten sie in ihrer Verzweiflung alle möglichen und unmöglichen Leute. So konnte sich die Hexenverfolgung stark ausbreiten. Sie gilt als eine der grössten Massentötungen der Neuzeit, die nicht durch Krieg verursacht ist. 80'000 Frauen (und wenige Männer) wurden als Hexen verurteilt und umgebracht, die meisten verbrannte man auf dem Scheiterhaufen.

Erst im 18. Jahrhundert liefen die Hexenprozesse langsam aus. In einigen Ländern der Welt gibt es in der Vorstellung der Leute aber noch heute Hexen. In Afrika gilt zum Beispiel Aids auch heute noch bei manchen als «angehext». Doch Europa hat keinen Grund, deswegen überheblich zu reagieren: Auch in Europa dauerte es ungefähr tausend Jahre, bis der Hexenwahn überwunden war, wie Bernd Roeck zum Abschluss seiner Geschichtslektion sagte.

Aktion läuft, solange Bedarf herrscht

Entstanden ist die Idee zu «Die Uni geht zur Schule» im Rahmen der 175-Jahre-Jubiläumsveranstaltungen der Philosophischen Fakultät. Diese sind seit Ende April offiziell beendet. «Die Uni geht zur Schule» läuft jedoch noch weiter, solange Bedarf herrscht. Interessierte Zürcher Kantonsschulen und Gymnasien können sich bei Jan-Friedrich Missfelder (missfelder@gmx.de) melden.

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