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Margrit Wyder

«Ich liebe die Abwechslung»

Chemie, Biologie, Goethe: Margrit Wyders Ausbildung und Interessen sind breit gestreut. Das kommt ihr als Ausstellungsmacherin am Medizinhistorischen Museum zu Gute.
Paula Lanfranconi

Sie, ist das wirklich echt?», fragen Kinder jeweils, wenn sie vor den Glasbehältern mit den konservierten Menschenteilen stehen. Und dann erklärt Margrit Wyder den kleinen und grossen Besuchern des Medizinhistorischen Museums, wie es gemacht wird, dieses Konservieren in Formalin.

«Auch meine Verwandten sollen meine Ausstellungen verstehen können.»

Über 12'000 Personen pro Jahr finden hierher. Oft kommen Leute, die in einem Medizinalberuf arbeiten, aber auch Touristen und eben Familien. «Die Besucher», weiss Margrit Wyder, «interessieren sich sehr für anschauliche Darstellungen von Krankheiten wie Tuberkulose, Lepra oder Syphilis.» Etliche geniessen auch ein wenig das Gruselige und sind beim Hinausgehen froh, dass sie nicht im 18. Jahrhundert leben.

Goethe als Inspirationsquelle

Margrit Wyder ist seit 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Medizinhistorischen Institut und Museum der Universität Zürich. Die 54-Jährige ist ungewöhnlich vielseitig ausgebildet. Ursprünglich Chemielaborantin, studierte sie Biologie und Alte Geschichte. Ihr Hauptfach aber war Germanistik; ihre Dissertation schrieb sie über Goethes Naturmodell – eine weise Wahl: «Als Goethe-Forscherin findet man immer Anknüpfungspunkte für Ausstellungen.»

Das Medizinhistorische Museum hat zwar nur hundert Quadratmeter Fläche für Sonderausstellungen, seine Sammlung gehört jedoch zu den grössten in Europa. Margrit Wyder realisierte ihre erste Ausstellung dort im Jahr 2003. «Kräuter, Kröpfe, Höhenkuren. Die Alpen in der Medizin», hiess sie und war ein grosser Erfolg. Was macht die Arbeit an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit besonders attraktiv? «Die Abwechslung», sagt Margrit Wyder.

Kopf und Hand

In einer ersten, wissenschaftlichen Phase geht sie jeweils in die Archive und erarbeitet sich ihr Thema. Beim Umsetzen musste sie lernen, sich von der strikt wissenschaftlichen Ebene zu lösen und einen Blick von aussen zu entwickeln. Sie wuchs in einer nichtakademischen Familie auf: «Auch meine Verwandten sollen verstehen können, was ich ausdrücken will», erklärt sie ihren Anspruch.

Am meisten Freude macht ihr die kreative Phase: Wie soll welches Objekt präsentiert werden? Bis dann auch noch der letzte Gegenstand beschafft ist, brauche sie oft detektivisches Gespür und viel Geduld. Und am Schluss wird’s immer stressig. Das Museum arbeitet mit dem universitären Ausstellungsdienst zusammen, aber beim Aufstellen muss auch die wissenschaftliche Mitarbeiterin Hand anlegen – für Margrit Wyder kein Problem: «Mein Vater war Feinmechaniker», sagt sie lachend, «ich bastle gerne.»

Von Alpenkräutern zum Bergsturz

Oft ergibt eine Ausstellung die nächste. «Kräuter, Kröpfe, Höhenkuren » brachte die passionierte Berggängerin auf die Idee, 2006 den Bergsturz von Goldau zu thematisieren. Doch was hat ein Bergsturz mit Medizingeschichte zu tun? Wyder: «Ich wollte zeigen, wie die Leute um 1806 lebten.» Das wichtigste Buch über die Katastrophe stammt von einem Arzt. Es sind Geschichten von einfachen Menschen, über die es kaum Quellen gibt. Ihre nächste Ausstellung wird Margrit Wyder wahrscheinlich als Freischaffende realisieren. Am Institut hat sie nur ein geringes Pensum, und das Budget wird zunehmend knapper. Wyder bleibt aber idealistisch: «Museen sind Aushängeschilder der Universität, das zeigt sich gerade jetzt, während des Jubiläums.»

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