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Podiumsdiskussion zu «Könige am Tigris»

Könige, Despoten und schwarzes Gold

Lässt sich ein Bogen schlagen vom Assyrer-Reich vor rund 3000 Jahren zum heutigen Irak? Ein hochkarätig besetztes Podium aus Anlass der Ausstellung «Könige am Tigris» setzte einige Schlaglichter.
Theo von Däniken

Terry Waite: «Die Zukunft in der Region ist noch immer sehr gefährlich.»

Monumental sind sie, die fast 3000-jährigen Alabaster-Platten aus den Assyrischen Königspalästen. Ab Freitag werden sie im Archäologischen Museum der Universität Zürich zu sehen sein. Sie zeugen, in Schrift und Bild, von Reichtum und Macht der Könige Assurnasirpal und Tiglatpileser, die im 9. und 8. Jahrhundert vor Christus aus der Gegend des heutigen Nimrud im Norden des Irak ihre grossen Reiche regierten.

Monumental scheinen auch die Probleme, die das Land an Tigris und Euphrat heute zu bewältigen hat. Eine breit angelegte Diskussionsrunde, organisiert vom Presenting Sponsor der Ausstellung, der UBS, versuchte den Bogen über die 3000 Jahre zu spannen und warf einige Schlaglichter auf verschiedene Problemfelder.

Weitgehende Einigkeit herrschte in der von TV-Journalist Reto Brennwald moderierten Runde darüber, dass der vor fünf Jahren losgetretene zweite Irak-Krieg auf Fehleinschätzungen beziehungsweise Unkenntnis über die Verhältnisse der Lage im Irak beruhte. «Es mangelt am Verständnis, mit welchen Kulturen man es zu tun hat», meinte etwa Terry Waite, der in der Region mehrmals erfolgreich in Geiselnahmen verhandelt hatte und im Libanon selber vier Jahre lang als Geisel gefangen gehalten wurde.

Ulrich Tilgner: «Wer die Beruhigung der Lage im Irak als Erfolg ansieht, ist ein Zyniker.»

Nährboden für Extremisten

Seine Befürchtungen, die er vor dem Einmarsch der Amerikaner im Irak gehegt habe, seien alle eingetroffen. Etwa dass mit dem Sturz Saddams ein Machtvakuum entsteht, in dem sich extremistische Kräfte unkontrolliert breit machen können. Oder dass die Besetzung des Landes extremistischen Gruppen einen ideologischen Nährboden für die Rekrutierung junger Kämpfer liefere.

Die USA hätten nicht erkannt, dass der Irak ein völlig zerrüttetes Land sei, das nach dem Zusammenbruch des Saddam-Regimes unregierbar war, stimmte dem der Fernsehjournalist Ulrich Tilgner zu. In der Bemühung, eine historische Linie zu ziehen, skizzierte er die These eines ständigen Wettstreites zwischen den Völkern, die an den Flüssen siedelten – wie etwa die Assyrer – und den Wüstenbewohnern.

Erich Gysling: «Es gibt kein klares BiId einer Entwicklung.»

Offiziere in die Wüste geschickt

Die Sunniten, als «Wüstenbewohner» unter Saddam an der Macht, wurden von den USA entmachtet, die Offiziere der Armee buchstäblich wieder zurück in die Wüste geschickt, wie Tilgner berichtete. «Kurz darauf demonstrierten diese Offiziere in Bagdad mit Schildern, auf denen stand: 'Wir werden als lebende Bomben zurückkehren'.» Die USA hätten diese Rivalität der Völker verkannt. «Die Wüstenvölker waren nie wirklich kontrollierbar», so Tilgner. Schon auf den assyrischen Steinplatten sei zwar zu sehen, wie sie Tribut zahlten, doch wirklich unterworfen hätten sich die Wüstenvölker nie.

Einen kulturellen Unterschied zu westlichem Denken ortete der Journalist Erich Gysling im Verhältnis zur Autorität: «Im ganzen nahöstlichen Raum besteht eine starke Bereitschaft, Autoritäten zu akzeptieren, wenn sie sich einmal etabliert haben.» Das führe dazu, dass sich Regimes lange halten können. Eine demokratische Machtteilung werde kaum angestrebt und der Schutz von Minderheiten sei wenig ausgeprägt.

Kurt Siehr: «Niemand kümmerte sich um den Schutz der Kulturgüter im Krieg.»

Pünderung oder Propaganda-Coup?

Etwas kontroverser diskutierte das Podium über den Schutz der Kulturgüter, der mit den im Westen breit verurteilten Plünderungen im Nationalmuseum in Bagdad plötzlich grosse Aufmerksamkeit erhielt.

Im Irak-Krieg seien klare internationale Regeln zum Kulturgüterschutz missachtet worden, sagte Professor Kurt Siehr, ehemaliger Ordinarius an der Universität Zürich und Experte für Kulturgüterschutz. «Der Krieg ist eine kulturhistorische Katastrophe», so Siehr. Schlimmer als der Verlust einzelner Objekte sei dabei die Zerstörung der Fundstätten, weil dadurch der historische Kontext verloren ginge, der es erlaubt, die einzelnen Gegenstände einzuordnen.

Die Plünderungen im Nationalmuseum seien ein riesiger Propaganda-Coup gewesen, meinte dagegen Ulrich Tilgner. Denn im Museum hätten sich sowieso nur Replika befunden. «Die grossen Raubzüge fanden vor 150 und 200 Jahren statt, als die Kolonialmächte die Kunstschätze in ihre Museen holten.» Provokativ fügte er hinzu: «Die Exponate der Ausstellung gehörten eigentlich in das Irakische Nationalmuseum».

Dem widersprach der Religionswissenschaftler Christoph Uehlinger, einer der Organisatoren der Ausstellung. Die Platten seien im Einverständnis mit der damaligen Regierung – dem osmanischen Reich – ausgegraben und in den Westen gebracht worden. Terry Waite stellte zudem die Frage, ob es verantwortungsbewusst sei, die Kunstschätze in Regionen zurückzugeben, in denen eine derart kritische Sicherheitslage herrsche.

Constantin Vayenas «Dank des Öls gibt es ein enormes Kapital in der Region.»

Ölgeld als Stabilisator

Im Schatten der schwierigen politischen Verhältnisse und der prekären Sicherheitslage wird die wirtschaftliche Lage in Irak wenig thematisiert. Constantin Vayenas, Head of Emerging Markets Research bei der UBS machte auf die enormen Kapitalmengen aufmerksam, die in der Region und auch im Irak dank des Erdöls vorhanden seien. «Der Irak hat 30 Milliarden Cash-Reserven, die sehr rasch anwachsen», so Vayenas.

Dass das Öl, beziehungsweise das durch den Öl-Export eingenommene Geld den wichtigsten Einfluss auf die Entwicklung im Irak hat, davon ist auch Tilgner überzeugt. Denn dank der Öl-Exporte verfüge die Zentralregierung plötzlich über Geld, mit dem sie verschiedenen Gruppen an sich binden könne: «Öl und das Geld bringen das Land wieder zusammen.»