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Konferenz «Different Democracies – Same Media Power?»

Medien und Politik: Wer manipuliert wen?

Welche Rolle und Bedeutung nehmen die Massenmedien im politischen Prozess in Europa und den USA ein? 25 Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler diskutierten dazu an der Konferenz «Different Democracies – Same Media Power?» in San Francisco. Eingeladen hatte das Kompetenzzentrums SwissGIS im Rahmen des 175-Jahre-Jubiläums der Universität Zürich.
Josef Trappel

Kaum 24 Stunden waren seit ihrer Nominierung vergangen, da hatten die Medien in den USA bereits die ersten Skandalgeschichten um die Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin konstruiert. Ist das ein Indiz für unbestechlichen Recherche-Journalismus in den USA? Oder Indiz für die Instrumentalisierung der Massenmedien durch politische Gegenspieler? Zeigt das Beispiel, dass die Massenmedien den Gang der Politik massgeblich beeinflussen, oder wurde die junge Frau nur als Vizepräsidentschaftskandidatin ausgewählt, weil sie in den Medien gut ankommt?

Prof. Hans-Peter Kriesi im Gespräch mit Alt-Rektor Hans Weder.

Mit diesen grundlegenden Fragen und mit konkreten Beispielen aus dem US-Wahlkampf haben sich 25 Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler aus Europa und den USA vom 4. bis 6. September 2008 in San Francisco beschäftigt. Auf Einladung des Kompetenzzentrums SwissGIS (Swiss Centre for Studies on the Global Information Society) und im Rahmen des 175-Jahre-Jubiläums der Universität Zürich diskutierten sie die Rolle und Bedeutung der Massenmedien im politischen Prozess in Europa und den USA. Gastgeberin war Swissnex, die Drehscheibe für wirtschaftliche und kulturelle Kontakte zwischen der Schweiz und der amerikanischen Westküste. Eröffnet wurde die Konferenz von Alt-Rektor Hans Weder und dem Zürcher Stadtpräsident Elmar Ledergerber.

Gestiegene Bedeutung von «viral videos»

Gleich zu Beginn stellte Lance Bannett von der Washington State University in Seattle die These von der Macht der grossen Massenmedien radikal in Frage und wies auf die massiv gestiegene Bedeutung der interaktiven Medien im Internet hin. Viral videos (einfach gemachte Amateurvideos, die auf dem Internet verbreitet werden) seien zu einem massgeblichen Wahlkampf-Instrument geworden, das für die kommende Präsidentschaftswahl die ausschlaggebende Rolle spielen könnte. Shanto Iyengar, Stanford University, relativierte diese Sicht ebenso wie die Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus Europa: Längerfristig sind «participatory media» zwar keinesfalls zu unterschätzen, noch aber bestimmen die «big media» die Agenda.

Lance Bannett, Washington State University, Seattle wies auf die gestiegene Bedeutung von interaktiven Medien hin.

Kritisches Hinterfragen der «Big Media»

«Big media» – das sind Zeitungen ebenso wie Fernsehen und Radio. Die Funktionsmechanismen im politischen Prozess sind ein traditioneller und häufig untersuchter Gegenstandsbereich in der Kommunikationswissenschaft. An der Konferenz wurden die Erkenntnisse dieser Forschungstradition immer wieder kritisch hinterfragt. Spielen die Journalistinnen und Journalisten tatsächlich eine so wichtige Rolle beim Framing von politischen Positionen, also bei der Interpretation von Ereignissen? Oder schnappen sie nur die Parolen auf, die ihnen die politischen Akteure hinwerfen? Besteht daher die Kunst der politischen Kommunikation nur darin, die richtigen Parolen zum richtigen Zeitpunkt gezielt den Medien zuzuspielen? Tatsächlich lassen sich zahlreiche empirische Beispiele dafür finden, dass die politischen Akteure selbst den Gang der öffentlichen Debatte massgeblich steuern und lenken.

Die Kraft bewegter Bilder

Auf einen besonderen, in der europäischen Forschung noch wenig bearbeiteten Aspekt wies Eric Bucy, Indiana University, hin. Er hat die visuellen Darstellungsformen in der politischen Kommunikation untersucht und stellte die These zur Diskussion, dass nicht die geschriebenen und gesprochenen Texte für die politischen Präferenzen der Bürger den Ausschlag geben, sondern die Bilder und Bewegtbilder. Sorgfältig für die Kameras inszenierte Auftritte der beiden US-Präsidentschaftskandidaten unterstreichen die Plausibilität dieses Arguments. Mit der Auswahl von Bildausschnitt, Sequenz, Perspektive und Hintergrund nehmen die Fotografen und Kameraleute erheblich Einfluss auf die Präsentation von Themen und Personen und auf die politische Meinungsbildung in der Bevölkerung.

Shanto Iyengar, Stanford-Professor für Politische Kommunikation, ist überzeugt, dass die «big media» nach wie vor die Agenda bestimmen.

Untergrabene Glaubwürdigkeit

Im abschliessenden Panel der Konferenz standen Fragen der Media Governance zur Diskussion. Robert Horwitz, University of California San Diego, unterschied drei Governance-Modelle und zeigte, dass in den letzten zehn Jahren das öffentliche Interesse gegenüber den Kapitalinteressen vor allem im Telekommunikationsbereich als Gestaltungsparadigma ins Hintertreffen geraten ist. Robert Picard, Leiter des Media Management and Transition Centre in Jönköping, Schweden, deutete auf Widersprüche hin, die sich aus der halbherzigen Anwendung von Corporate-Governance-Ansätzen durch Medienunternehmen ergeben. Diese verlieren vor allem in der Wirtschaftsberichterstattung ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie selbst fundamental gegen Prinzipien der Gewaltenteilung im eigenen Unternehmen verstossen.

Neue Formen der Medienregulierung

Werner A. Meier und Pietro Rossi, SwissGIS Zürich, stellten das Forschungskonzept «Media Governance» zur Diskussion, das neue Formen der Medienregulierung unter Einbezug von zivilgesellschaftlichen Gruppen postuliert. Wie das in den USA bereits heute geschieht, schilderte Shawn Chang, stv. Direktor von «Free Press». Diese Bewegung mischt sich teils aktionistisch in die Debatte von Medien- und Telekommunikationspolitik ein und erreicht dadurch, dass solche Themen eine gewisse Öffentlichkeit erreichen.

Insgesamt sollte die Konferenz im kleinen Rahmen die Gelegenheit bieten, so Josef Trappel von SwissGIS in seinem Schlusswort, durch die persönlichen Kontakte und Diskussionen Partner für zukünftige Forschungsprojekte zu finden. Ganz nach dem Motto der 175-Jahre-Jubiläums der Universität Zürich: Wissen teilen.

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