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Wenn die Zeit den Atem anhält

Die Sonderausstellung «Panorama» in der Archäologischen Sammlung der Universität zeigt Ruinenbilder aus der Alten und Neuen Welt.
Theo von Däniken

Soeben ist ein Gewitter vorbeigezogen, Regenschleier sind in der Ferne noch zu erkennen und entfalten am Himmel über den satten Feldern ein Farbenspiel in grün und violett. Vor uns türmen sich sorgfältig geschichtete Steine majestätisch in den wolkenverhangenen Himmel. Über der Spitze der einst wohl mit Figuren und Reliefs geschmückten Pyramide scheinen die Blätter der Baumkronen im leichten Wind zu zittern.

Eine über tausendjährige Geschichte und das Wetter haben an der Akropolis von Toniná in Chiapas Mexiko ihre tiefen Spuren hinterlassen: Die Spitze ist zerfallen und bröckelt, Pflanzen haben sich eingenistet und die umgebenden Gebäude sind vor längerer Zeit eingestürzt. In seinem Panoramabild der Pyramide verführt der amerikanischen Künstler und Wissenschafter Philip Hofstetter die Betrachterin und den Betrachter zu einem Spaziergang durch die historische Stätte.

Ob unberührt wie die Pyramide von Yaxhá in Petén, Guatemala, ... (Bildauschnitt)

Schauplätze von Mexiko bis zum Mittelmeerraum

«Sinnliche und genussvolle Abstecher in die Vergangenheit» nennen die Ausstellungsmacher Elena Mango, kommissarische Leiterin des Archäologischen Instituts der Universität Zürich, und der Ur- und Frühgeschichtler Philippe Della Casa die Ruinenbilder Hofstetters. 32 seiner grossformatigen Panoramabilder zeigen sie derzeit in der Ausstellung «Panorama – Ruinenbilder aus der Welt der Griechen und der Maya» in der Archäologischen Sammlung der Universität Zürich.

Hofstetter, der seit über zwanzig Jahren die Ruinenstädte der Mayas in Mexiko und angrenzenden Ländern ausgräbt, studiert und fotographiert, zeigt in seinen Arbeiten die Ruinen nicht nur als Zeugen einstiger Kulturen, sondern auch als Schauplätze, an denen Zeit und Raum aufgehoben scheinen. Denn seit 2002 richtet Hofstetter seine Kamera nicht nur auf die Ruinen Mexikos und Zentralamerikas, sondern besucht auch die Stätten der europäischen Antike. Vier bildnerische Expeditionen in den Mittelmeerraum hat er seither unternommen und dabei griechische und römische Ruinen in Italien, Griechenland und der Türkei in Panoramabildern festgehalten.

.. oder von Besuchenden überrannt, wie hier auf der Akropolis in Athen: Ruinen verbinden Vergangenheit und Gegenwart in sinnlicher Weise. (Bildausschnitt)

Miteinander von Kultur und Natur

Trotz der tausenden Kilometer, die zwischen den Ruinenstätten im Mittelmeerraum und in Zentralamerika liegen, vermitteln Hofstetters Bilder Gemeinsamkeiten: Etwa wie in ihnen Kultur und Natur friedlich aufeinender zugehen. Sei dies in der Palastruine in Huntchimul, Yucatán, die vom wuchernden Dschungel langsam vereinnahmt wird, sei es in der Ruine des griechisch-römischen Theaters im türkischen Milet, die aus der sie umgebenden Landschaft herauszuwachsen scheint.

Mit der speziellen Technik der Panoramafotographie, die ganze Rundblicke ermöglicht, zeigt Hofstetter die Ruinen immer auch als Teil einer grösseren Szenerie, in der die Umgebung ebenso zu Wort kommt, wie die von Menschen geschaffenen Stätten. Manchmal werden die Ruinen dabei buchstäblich zu Randerscheinungen: Im Zentrum des Rundblicks über El Castillo in Tulum Mexiko, steht der Ausblick aufs weite Meer. Erst auf den zweiten Blick offenbaren sich die Ruinen links und rechts am Rand.

Besucheransturm und gebieterische Stille

Auch gegensätzliche Möglichkeiten des Umgangs mit den Zeugen der Vergangenheit macht die Ausstellung anschaulich: Während sich in einem Bild auf der Akropolis in Athen die Besuchergruppen drängen und Baugerüste von intensiver Restaurierung zeugen, zeigt sich auf dem Foto daneben die Pyramide von Yaxhá in Guatemala scheinbar gänzlich vergessen und gebietet still über die herrliche Landschaft am Lago Yaxhá.

Hofstetter reiht sich ein in eine lange Tradition der bildlichen Aneignung von Ruinen als Zeugen vergangener Kulturen. Im 18. und 19. Jahrhundert schwärmten Künstler und Forscher aus und hielten die zerfallenen Stätten des Altertums fest. Die Abbildung diente nicht nur dazu, die Bauten und Denkmäler in ihrem aktuellen Zustand zu dokumentieren, sie trugen auch Bilder dieser vergangenen Kulturen ins allgemeine Bewusstsein.

Pyramide der Inschriften in Palenque, Mexiko. Späte Klassik, 600 – 800 n. Chr.

Mit seinen Arbeiten führt Hofstetter das Werk von Illustratoren und Fotographen wie Frederick Catherwood oder des Ehepaars Alice Dixon und Auguste Le Plongeon weiter. Sie haben im 19. Jahrhundert in Stichen und 3D-Fotographien die historischen Stätten in Uxmal, Yucatan dokumentiert. Zum Teil dienen ihre Skizzen und Bilder heute dazu, die seit dem 19. Jahrhundert weiter zerfallenen Monumente wieder zu restaurieren.

Als Künstler geht Hofstetter jedoch über das Dokumentarische hinaus. Seine auf speziellem schwerem Papier gedruckten, handsignierten Fotographien fangen die Momente ein, in denen die Zeit den Atem anhält, in denen Vergangenheit und Gegenwart zugleich möglich scheinen.