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Die Kunst, Proteome zu fassen

Am Zentrum für «Proteome von Modellorganismen» (C-MOP) arbeiten Forschende der Universität Zürich an der Katalogisierung von Proteomen. Die Schweiz ist dabei auf diesem zukunftsweisenden Gebiet international an der Spitze.
Thomas Müller

Kennt man die Gene einer Zelle, dann weiss man noch nicht, wie sich die von diesen Genen abgelesenen Proteine in der Zelle verhalten und zusammenspielen. Es ist nicht einmal mit Sicherheit möglich vorherzusagen, welche Proteine in einem bestimmten Zelltyp zu einer bestimmten Zeit enthalten sind.

Mit den Technologien, die bei C-MOP entwickelt werden, kann die Schweiz an die Spitze des Proteomzeitalters vorstossen, sind Konrad Basler (l.) und Erich Brunner (r.) überzeugt.

Revolutionäre Technologie im Visier

Ein Überblick über alle Proteine eines Organismus, ein so genanntes Proteom – gebildet aus den Worten PROTEin und GenOM – ermöglicht deshalb tiefere Einsichten in das Funktionieren eines Organismus als ein Genom. Doch das Katalogisieren ist aufwändig – die Anzahl aktiver Proteine in einer Zelle geht in die Tausende – und genaue quantitative Proteomdatensätze lassen sich noch nicht effizient und vollständig erfassen.

An diesem Ziel arbeitet das C-MOP: «Der Katalog selbst ist nicht das Ende des Spiels, sondern erst der Beginn einer echten Systembiologie», erklärt Konrad Basler, Professor für Molekulare Biologie an der Universität Zürich und Direktor des C-MOP. Die Katalogisierung der Proteine ist nur ein erster Schritt zur Entwicklung einer revolutionären Technologie, die Proteome effizient analysiert. Seit kurzem ist es dank Mikroarrays zum Beispiel möglich, das so genannte Transkriptom in einer Zelle zu messen. «Unser Ziel ist es, eine analoge Technologie zum Messen der Proteinkonzentrationen zu entwickeln», erklärt der Bioinformatiker Christian Ahrens, einer der Koordinatoren des C-MOP.

Die Zwei-Schritte-Strategie

«Technologisch gesehen ist das eine gewaltige Aufgabe», sagt Erich Brunner, der zweite Koordinator bei C-MOP, der das Drosophila-Proteom erforscht. «Trotz technologischer Fortschritte wurde noch kein Proteom vollständig analysiert. Der Arbeitsaufwand ist beträchtlich, und eine solche Analyse kann je nach Organismus Monate bis mehrere Jahre dauern.»

Das 22 Forscher starke C-MOP Team wendet eine Zwei-Phasen-Strategie an und arbeitet dabei eng mit den Professoren Ruedi Aebersold und Ernst Hafen vom ETH Institut für Molekulare Systembiologie sowie dem Functional Genomics Center Zürich zusammen. Der erste Schritt ist eine «Entdeckungsphase», in der alle Proteine eines Organismus durch Aminosäuresequenzbestimmungen im Hochdurchsatz bestimmt werden. Das Ergebnis dieser Phase ist ein «Proteomkatalog», der angibt, wo welches Protein vorhanden ist und welcher Teil davon mit einen Massenspektrometer gemessen werden kann.

Typische Peptide bestimmen

In einem zweiten Schritt, der Anwendungsphase, werden die Proteine eines Proteoms selektiv mittels einer oder mehrerer spezifischer Proteinsignaturen identifiziert und katalogisiert. Dies geschieht mit so genannten proteotypischen Peptiden (PTP), welche zuvor in der Entdeckungsphase bestimmt wurden. Für jedes Protein im Proteomkatalog existiert somit mindestens ein Peptid (daher proteotypisch), das alle Angaben enthält, um dieses Protein eindeutig zu identifizieren und quantifizieren. Da in der Anwendungsphase nur noch nach diesem kleinen Platzhalter gefahndet werden muss, kann das Proteom in kürzester Zeit erfasst werden – davon ist die Gruppe überzeugt.

Christian Ahrens hat eine iterative Proteom-Kartierungsstrategie zur Beschleunigung der Entdeckungsphase entwickelt, die von allen C-MOP Forschungsgruppen angewendet wird.

C-MOP katalogisiert ausser dem Drosophila-Proteom auch die Proteome anderer wichtiger Modellorganismen wie der Acker-Schmalwand Arabidopsis thaliana, an dem die Gruppen von Ueli Grossniklaus vom Institut für Pflanzenbiologie, UZH und Wilhelm Gruissem vom Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH arbeiten. Michael Hengartner vom Institut für Molekularbiologie, UZH befasst sich mit dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans. Der erste umfassende Drosophila-Katalog wurde dieses Jahr in «Nature Biotechnology» publiziert; die Proteomkataloge von C. elegans und Arabidopsis werden demnächst veröffentlicht.

Validierung der Genmodelle

Die Entdeckungsphase ist vergleichbar mit den Genomprojekten der 90er Jahre. Während die biologischen Erkenntnisse, die man direkt aus den Genomsequenzen ableitete, relativ bescheiden waren, steigerten die daraus resultierenden Technologien zur funktionalen Analyse des Genoms das Verständnis für zahlreiche grundlegende biologische Prozesse. Sie erlaubten etwa, viele krankheitsspezifische Biomarker zu identifizieren. Ähnlich wie bei den Genomprojekten sind technologische Entwicklungen zur Verkürzung der Entdeckungsphase ausschlaggebend. Eine iterative Proteomkartierungsstrategie, die von Christian Ahrens zur Beschleunigung der Entdeckungsphase entwickelt wurde, wird bereits von allen C-MOP Forschungsgruppen angewendet.

Eine der direkten Anwendungen eines Proteinkatalogs aus der Entdeckungsphase ist die Validierung der Genmodelle aus den Genomprojekten. «Manchmal finden wir Proteine, für die es keine Genmodelle gibt, und in anderen Fällen bleiben die Proteine, die zu einem vorhergesagten Gen gehören, unauffindbar», erklärt Konrad Basler. «Weil wir jedoch die tatsächlich vorhandenen, realen Proteine messen, wird es mit unserer Technologie möglich sein, die Richtigkeit der Genmodelle abzuschätzen und sie gewissermassen zu eichen».

Gute Ausgangslage in der Schweiz

Basler, Brunner und Ahrens sind vom grossen Potenzial der am C-MOP entwickelten Technologie überzeugt, da die quantitativen proteomischen Datensätze eine wichtige Grundvoraussetzung für jeden proteom-basierten systembiologischen Ansatz sind.

Ende der 90-er Jahre habe es die Schweizer Wissenschaft verpasst, in die Genomforschung einzusteigen, erklärt Basler. Die relevanten Technologien wurden anderswo entwickelt und mussten später eingekauft werden. «Das bedeutete, dass eine Menge Know-How zunächst importiert werden musste, was die biologische Forschung in der Schweiz verzögerte», so Basler.

Die Proteom-Forscher hoffen nun, dass die Institutionen und Geldgeber in der Schweiz die Bedeutung der Proteomerforschung erkennen und entsprechend fördern. Denn mit den Technologien, die bei C-MOP in enger Zusammenarbeit mit Ruedi Aebersold entwickelt werden, kann die Schweiz an die Spitze des Proteomzeitalters vorstossen, davon sind die Forscher überzeugt.

 

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